Danger Mouse & Black Thought - Cheat codes
BMG / WarnerVÖ: 12.08.2022
Präzisionsarbeit
Bei aller genresprengenden Konzeption seiner Produzententätigkeit: Die Wurzeln von Danger Mouse liegen im HipHop. Zugleich reicht sein bislang letztes albumlanges Projekt mit einem waschechten Rapper geschlagene 17 Jahre zurück. Als Dangerdoom kollaborierte er dereinst mit dem viel zu früh verschiedenen, doch lange nicht verstummten MF Doom, bevor der Weg – eine unvollständige Aufzählung – mit Gnarls Barkley in den Pop-Himmel, mit David Lynch und Sparklehorse zur transmedialen Zusammenarbeit, als Broken Bells in elektronisch angehauchte Indie-Gefilde und an die Studioregler von Red Hot Chili Peppers führte. "Cheat codes" spannt also einen weiten Bogen zurück und lässt seine Prämisse gleich doppelt aufklingen: Back to the roots. Kein Geringerer als Black Thought, seines Zeichens Wortakrobat bei The Roots und inzwischen selbst sowas wie ein wandelndes Kompendium des HipHop, begleitet Danger Mouse auf seiner Rückkehr, die auch ein Ausblick ist. So sammeln Opener "Sometimes" und der Titeltrack repräsentativ für das Klangbild des Albums dann gleich Retro-Soul-Samples, melancholische Streicherteppiche und Vinylknistern ein, tauchen Black Thoughts messerscharfe und wohlüberlegte Reimkaskaden in ein warmes Sepiabad. Jener Black Thought wusste kürzlich mit den "Streams of thought"-EPs zu überzeugen und dichtet sich mehr und mehr in einen zweiten kreativen Frühling. Heraus kommt ein Album, das seine Nostalgie nie eskapistisch werden lässt und mitunter handwerklich so virtuos verfährt, dass es einem – im Gegensatz zu seinen Protagonisten – die Sprache verschlägt.
Wesentlich für sein Gelingen ist die Art und Weise, mit der "Cheat codes" seine illustre Gästeschar integriert. Wenn Raekwons wettergegerbter Flow in "The darkest part" mit Röntgenblick und kurzer, knackiger Strophe die Vergangenheit seziert, wenn Black Thought und Conway The Machine elegant durch das instrumental zwischen Ennio Morricone und einem psychotisch-minimalistischen Beat oszillierende "Saltwater" gleiten, dann klingt das wie aus einem Guss und doch enorm variantenreich. Und auch alleine verschwendet der The-Roots-MC selten einen Vers. Die erste Single "No gold teeth" formuliert die Rap-Apotheose des Tariq Trotter – so sein bürgerlicher Name – ausgehend von den Wurzeln in Philadelphia, über stark synkopiertem Takt und Samples, an denen Tarantino seine Freude hätte. Während der südafrikanische Afropopper und Anti-Apartheid-Aktivist Hugh Masakela durch den Hintergrund schallt, braucht der rastlose Trotter keinen Chorus, um sich an seinen eigenen Skills zu berauschen, zugleich die Bibel und Lenin zu paraphrasieren: "I can't stop, if I don't work then I won't eat."
Den einen oder anderen Kniff dürfte sich Danger Mouse nicht zuletzt bei der Sample-Lust Madlibs abgeschaut haben, doch wirken seine Tracks meist deutlich aufgeräumter und bei aller Vielschichtigkeit erstaunlich bekömmlich. Ausfälle kennt "Cheat codes" entsprechend nicht, doch ist es der Mittelteil, der zu den Sternen greift. "Because" präsentiert eine düstere Milieuskizze, die Black Thought mit so präzisen Bars voller Binnen- und in Paarreimen zeichnet, dass man am liebsten die gesamte erste Strophe zitieren wollte. Beispiel gefällig? "We never won awards, we was boards of the court / Puttin' swords to umbilical cords to cut 'em short." "Belize" lässt im Anschluss über seinem wundervoll-nachdenklichen Instrumental dann nochmal MF Doom zu Wort kommen: Es wirkt, als würden sich zwei große Storyteller voreinander verneigen. Und "Aquamarine" artikuliert seine existentiell-kosmische Krise mit dezenten Trip-Hop-Elementen und der entrückten Hook Michael Kiwanukas. Mit dem ruhigen "Identical deaths", das sich über Field Recordings und Stimmengewirr zu einem schwergängigen Groove im zweiten Teil aufrafft, belegen Produzent und Rapper nochmal eindrucksvoll die synergetischen Potentiale ihres Ansatzes. Nie gehetzt und doch ungemein dicht, stets im Sinne der gemeinsamen Vision schreitet "Cheat codes" voran. Es wundert kaum, dass Danger Mouse und Black Thought tatsächlich bereits seit 2005 im Austausch stehen und erst jetzt das Dokument ihres Dialogs vorlegen. Ihre Werkzeuge sind seitdem nur schärfer geworden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Because (feat. Joey Bada$$, Russ, Dylan Cartlidge)
- Belize (feat. MF Doom)
- Aquamarine (feat. Michael Kiwanuka)
- Identical deaths
Tracklist
- Sometimes
- Cheat codes
- The darkest part (feat. Raekwon & Kid Sister)
- No gold teeth
- Because (feat. Joey Bada$$, Russ, Dylan Cartlidge)
- Belize (feat. MF Doom)
- Aquamarine (feat. Michael Kiwanuka)
- Identical deaths
- Strangers (feat. A$AP Rocky & Run The Jewels)
- Close to famous
- Saltwater (feat. Conway The Machine)
- Violas and lupitas
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Eiersalat
2024-02-11 21:44:15
9/10
boneless
2022-08-21 13:21:13
Ich bin auch echt positiv überrascht, obwohl bei den zwei Protagonisten ja im Grunde nicht viel schief gehen konnte. Erinnert mich übrigens sehr angenehm an die Twelve Reasons To Die von Ghostface Killah. Die hatte auch einen schön staubigen, relaxten Vibe.
Arne L.
2022-08-21 12:47:25
Hatte dieses Wochenende einen tierischen Rap-Jieper und deswegen hab ich das Album jetzt auch endlich gehört und bin ebenfalls bei einer 7 oder vielleicht sogar schwachen 8. Die "Streams of Thought" haben wesentlich mehr Dringlichkeit und drücken ganz schön nach vorne und deshalb finde ich den einigermaßen zurückgelehnten Ansatz von "Cheat codes" sehr erfrischend.
Zappyesque
2022-08-15 16:45:57
Für mich fast unhörbar, weil so stark komprimiert. Ich kann mit Danger Mouse nicht viel anfangen, seine Art Musik - was die Produktion angeht - zu vereindimensionalisieren wirkt auf mich veraltet und gehört in die frühen 2000er. Und das dachte ich bereits bei dem Norah Jones Album "Little Broken Hearts" vor 10 Jahren. Kann daher das viele Lob der Presse hinsichtlich seiner Arbeit an diesem Album nicht nachvollziehen. Das Ding knistert ja quasi durchgehend...
Schade, musikalisch finde ich das recht ansprechend und Black Thought gehört zu den wenigen Rappern, die ich mir ganz gerne anhöre.
Kojiro
2022-08-15 16:27:44
Ja, Black Thought ist als Rapper unglaublich konstant und unverschämt underrated, aber im Gesamten haut mich das Album leider nicht um. 2-3 ganz coole Songs, z.B. "Aquamarine", "Belize" oder "Strangers". Danger Mouse ist ein durchaus fähiger Producer, aber ein MC von der Qualität hätte eig. mal ein komplettes Album von Alchemist oder jmd. in der Liga verdient..
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- Danger Mouse & Black Thought - Cheat codes (8 Beiträge / Letzter am 11.02.2024 - 21:44 Uhr)