Laura Veirs - Found light

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 08.07.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Sanduhr-Pop

Die erste eigene Bude, der Umzug in eine neue Stadt oder der Entschluss, mit dem Menschen, den man liebt, eine Familie zu gründen: So glücklich man neuen Lebensabschnitten auch begegnen mag, schwingen stets Ängste und Selbstzweifel mit, ob man der Aufgabe denn tatsächlich gewachsen ist. Nach der Scheidung von Tucker Martine musste sich Laura Veirs auch in künstlerischer Hinsicht eine solche Frage stellen: Könne sie ohne den Mann, der bisher auf allen ihren Platten Produktion und Arrangements in Eigenregie übernahm, überhaupt neue Musik aufnehmen? "Found light" formuliert die eigentlich selbstverständliche Antwort darauf. Zwar hing über "My echo" schon das Schwert der Trennung, doch während Martine dort noch beteiligt war, ist der Nachfolger ein Album der ersten Male: Zum ersten Mal hat Veirs eines ihrer Werke ko-produziert, zum ersten Mal hat sie im Studio gleichzeitig Gitarre gespielt und gesungen, zum ersten Mal hatte sie auch bei Entscheidungen abseits des Songwritings das letzte Wort.

Kreative Selbstbestimmung, Freiheit und Unbeschwertheit kommen einem da in den Sinn, bevor man auch nur einen Ton der Platte gehört hat, und die erste Single bestätigt alle Assoziationen. "Watch you light up every room / Now it's up to me / The lighting I can do", heißt es über verzerrten Riffs und eindringlichen Drums in "Winter windows" – der Laura-Veirsion eines Punk-Songs, die in Hinsicht auf die Gesamtschraffur von "Found light" jedoch auf den Holzweg führt. Im Opener "Autumn song" mimt Kate Stables (This Is The Kit) das Echo für ihre US-amerikanische Kollegin, deren Akustische sich in einem von Synth-Bläsern begleiteten Saiten-Perlen auflöst. Auch der folgende "Ring song" zupft, haucht und klimpert ganz feingliedrig und vorsichtig, als wolle er Veirs' charakteristischen Indie-Folk-Pop durch eine Sanduhr zwängen.

Dass die 48-Jährige nicht plötzlich Empowerment-Hymnen aus offenen Autofenstern rausschmettert, ist aber freilich kein Ausdruck für mangelndes Selbstbewusstsein. Im Gegenteil prägt das Album trotz seiner reduzierten Seelenruhe eine nahezu jazzige Freiförmigkeit, die viele Tracks in instrumentale Schluss-Whirlpools münden lässt. Der Ansatz führt zu einigen wahrlich verzaubernden Momenten, wenn sich etwa Stimme und Alt-Saxofon in "Naked hymn" verführerisch umeinander schlängeln, ehe letzteres einen Solo-Tanz in der Mitte des Saals aufführt. Manchmal führen die losen Konturen aber auch zu einem verschwommenen Gleichklang, weswegen Teile von "Found light" etwas nichtssagend am Hörer vorbeiziehen. Man hätte sich ein paar mehr griffigere Ausbrüche wie im erwähnten Closer oder "Seaside haiku" gewünscht, das entgegen seines rumpligen Indie-Rocks die Zurückhaltung zum Motto erklärt: "Give but don't give too much / Of yourself away."

Dennoch gibt Veirs glücklicherweise genug von sich preis, um die 14 Songs mit Abwechslung und Leben zu füllen. "Eucalyptus" nutzt einen nervösen, elektronischen Beat und Hall-Effekte, um den Verfall glücklicher Zeiten nachzuzeichnen. Der zärtliche "Sword song" verwandelt die titelgebende Waffe in eine Blume, bevor seufzende Streicher "Time will show you" zum Jam auf dem Bierdeckel anstacheln. Nicht nur aufgrund ihrer Entstehungsumstände fühlt sich diese bereits zwölfte Platte der Künstlerin aus Portland wie ein zweites Debüt an. Veirs probiert viel aus, und auch, wenn nicht alles ins Schwarze trifft, beweist sie sich selbst, was ihre Hörer*innen natürlich vorher schon wussten: dass ihre Inspiration unter der Absenz ihres Ex-Mannes keineswegs leidet. Einem aufregenden neuen Lebensabschnitt, der die Zweifel und Ängste überwindet, steht damit ebenso wenig im Weg wie einem weiteren Karriere-Frühling.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Naked hymn
  • Eucalyptus
  • Time will show you
  • Winter windows

Tracklist

  1. Autumn song
  2. Ring song
  3. Seaside haiku
  4. Naked hymn
  5. My lantern
  6. Signal
  7. Can't help but sing
  8. Eucalyptus
  9. New arms
  10. Sword song
  11. Time will show you
  12. T & O
  13. Komorebi
  14. Winter windows
Gesamtspielzeit: 46:20 min

Im Forum kommentieren

AliBlaBla

2023-01-26 11:22:27

Wie erwartet, ist die Platte bei mir noch weiter (ans Herz) gewachsen, ..ein Highlight des letzten Jahres..
Bin gespannt auf den Rest der Diskografie!

peter73

2022-09-20 13:42:33

laura veirs? neues album?
hab ich übersehen... wird vorgemerkt :)

AliBlaBla

2022-09-20 12:30:54

Wie angedroht, werde ich die Songs einzeln bewerten.

Autumn song 8,5
Ring song 8
Seaside haiku 8,5
Naked hymn 9
My lantern 8,5
Signal 8
Can't help but sing 7
Eucalyptus 9,5
New arms 9
Sword song 8
Time will show you 8
T&O 7
Komorebi 7,5
Winter windows 8

Mein erster Eindruck hatte nicht getäuscht, eine entspannte Platte, gewiss, aber auch eine spannende.
Pull the volume up!

AliBlaBla

2022-09-16 14:15:12

EINSPRUCH,
euer Ehren!
Wer Jessica Pratt, Cate le Bon oder aber Fiona Apple schätzt, kommt hier doch sechsundvierzig Minuten voll auf ihre Kosten; gerade komplett im Plattenladen meines Vertrauens gelauscht..
Einzel-Song-Wertungen folgen...!

Armin

2022-07-04 19:34:39- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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