Coheed And Cambria - Vaxis – Act II: A window of the waking mind

Roadrunner / Warner
VÖ: 24.06.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Es wird einmal

Wenn man denn so wollte, könnte man Alben von Coheed And Cambria komplett ohne jegliche Musik konsumieren – es würde noch nicht einmal langweilig. Denn der konzeptionelle Kosmos, den die Band und vor allem Songschreiber Claudio Sanchez mittlerweile kreiert haben, dürfte mittlerweile auch höheren literarischen Ansprüchen genügen. Zumindest, was Aufbau und Schachtelungstiefe angeht. Mit Blick auf künftige Veröffentlichungen befinden sich die New Yorker mit ihrem neuen Zyklus namens "Vaxis" zudem in einer komfortablen Lage. Denn nimmt man die drei Jahre zwischen "Vaxis – Act I: The unheavenly creatures" und "Vaxis – Act II: A window of the waking mind" als Maßstab, dürfte mit dem Abschluss der Pentalogie im Jahr 2031 zu rechnen sein.

Man kann diese Überlegungen aber auch komplett beiseite legen und sich auf die Musik konzentrieren. Und da haben Coheed And Cambria spätestens 2018 einen Weg eingeschlagen, der nicht jedem Fan gefallen dürfte. Klar, wir reden hier nicht von Auftragsmusikern, die ihre Platten nach den Wünschen der Fans maßanfertigen, aber mitunter war die Abkehr vom hakeligen Prog hin zu mehr Pop doch arg radikal. Zumindest zu Beginn trifft die Band allerdings durchaus den Mittelweg zwischen diesen Polen, überzeugt auf "Beautiful losers" mit erhabener Düsternis, um dann im Refrain das große Drama spielen zu lassen. Und das folgende "Comatose" ist ein wunderbares Beispiel, wie kerniger Prog-Metal funktionieren kann, wenn die ein oder andere Hook eingestreut wird. Falls jemand behauptet, das gehe aber mal gar nicht, der sei auf die Pop-Prog-Phase der großen Rush in den Achtzigern verwiesen.

Auch das krawallige "Shoulders" lässt die Freunde kantiger Riffs noch zufrieden zurück, doch schon das folgende "A disappearing act" dürfte für Stirnrunzeln sorgen – Dancehall-Synthesizer treffen auf elektronisch verfremdete Vocals, lassen eher Format-Radio-Feeling aufkommen als im kauzigen Prog zu schwelgen. Aber hey – wenn schon der große Steven Wilson mit "The future bites" tief in den Mainstream-Pop greift, dann ist das für Coheed And Cambria ebenso legitim. Nur mögen muss man's nicht zwingend, erst recht nicht die furchtbaren Autotune-Massaker "Love murder one" und vor allem "Bad man". Wenn's dazu dient, die Story voranzubringen, mag man's vielleicht noch mit der Faust in der Tasche aushalten, ansonsten sind diese Spielchen einer Band von derart begabten Musikern schlicht unwürdig.

Bevor jedoch die Platte komplett in tiefster Mainstream-Sauce landet, schafft es der Fünfer doch noch, die Kurve zu kriegen und ein unterm Strich sehr gutes Album zu vollbringen. Verantwortlich dafür ist insbesondere die Song gewordene Dreifaltigkeit am Ende des Albums, die mit Wucht aufzeigt, warum die Band einst als der heißeste Newcomer überhaupt im Prog-Business gehandelt wurde. "Ladders of supremacy" beginnt mit einem schön schleppenden, geradezu doomigen Riff, das Black Sabbath zur Ehre gereichen würde, zitiert mit einem eingestreuten Gitarrenlick mal kurz Voivod und begeistert danach unter anderem mit einem Hauch von Queensrÿche. "Geht doch!" möchte man der Band zurufen, bekommt aber vom Hook-Gewitter "Rise, Naianasha (Cut the cord)" nicht die Zeit dafür – und am Ende wartet mit "Windows of the waking mind" so etwas wie eine Belohnung, geradezu ein Prachtstück epischen Prog-Metals, das erneut in wohliger Erinnerung an Rush schwelgt. Sehen wir "Vaxis – Act II: A window of the waking mind" also als eine Art Übergangsplatte mit einem grandiosen Cliffhanger an – was vordergründig dazu dient, die offenkundigen Schwächen zu überkompensieren, könnte genau so gut ein Vorbote auf die Qualität des dritten Aktes sein.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Comatose
  • Ladders of supremacy
  • Windows of the waking mind

Tracklist

  1. The embers of fire
  2. Beautiful losers
  3. Comatose
  4. Shoulders
  5. A disappearing act
  6. Love murder one
  7. Blood
  8. The liars club
  9. Bad man
  10. Our love
  11. Ladders of supremacy
  12. Rise, Naianasha (Cut the cord)
  13. Windows of the waking mind
Gesamtspielzeit: 53:10 min

Im Forum kommentieren

keenan

2022-07-09 11:58:31

Coheed and Cambria- A Disappearing Act (Acoustic) 6/24/22 Rough Trade

https://www.youtube.com/watch?v=X0QCMBF5ebY

Coaxaca

2022-07-05 18:44:54

Der Spaß hat gesiegt! Absolut passende Wertung und auch sonst eine tolle Rezension. Ich höre "Vaxis II" mittlerweile bedeutend lieber und häufiger als die neue Porcupine Tree.

Armin

2022-07-04 19:32:03- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


Wolfgang

2022-06-29 12:48:01

So ne richtige Einordnung kann ich noch nicht vornehmen...beschäftige mich zu sehr mit dem aktuellen Porcupine Tree-Album. Die Singles finde ich gut + 1-2 weitere Songs...vom Rest ist noch nicht so viel hängengeblieben. Das Autotune mag ich auch nicht. Wird mir zu viel eingesetzt.

Hoschi

2022-06-29 11:47:37

Ich habe es jetzt bisher auch nur einmal gehört und bin etwas zwiegespalten.
Was die Jungs immer noch können, sind einfach wahnsinnig gute Harmonie Bögen schreiben. Da kommt eine Tonart zur nächsten und es harmoniert einfach prächtig, auch wenn in diesem Fall die poppige Seite doch noch deutlicher in den Vordergrund tritt, als es die letzten Alben schon getan haben.
Allerdings hat mich die poppige Seite der Band bis dato nie gestört, ganz im Gegenteil.
In der Regel würde ich jetzt auch die über komprimierte Produktion kritisieren, aber im Falle der Band passt es sogar wie Arsch auf Eimer.
Bei der letzten Green day und offspring hat mich die tot komprimierte Produktion massiv gestört. Hier passt es einfach zum soundgebilde und zu dieser futuristischen Pompösität. Allerdings stört mich der Einsatz von autotune doch ein wenig. Ich hasse diesen Effekt so so sehr, dass ich es auch hier nicht wirklich ausblenden kann, auch wenn nicht durchgehend im Einsatz. Zudem finde ich, wie mein vorposter auch, dass die sStimmeffekte hier und da doch etwas hätte reduzierter sein können. Da wäre weniger doch deutlich mehr. Ansonsten die Songs sind solide. Bis gut. Ein richtiger Ausfall ist , abgesehen von Bad Man, keiner dabei. Ich würde jetzt spontan die sechs von zehn Punkten vergeben. Ohne inflationärer Einsatz von autotune und diesen ganzen Plastikstimmeffekten würde ich sogar noch einen Drauflegen. Somit bleibt es nach wie vor bei einer guten 6/10. Mein Favorit Album der Band bleibt aber nach wie vor good Apollo i'm burning Star. Da sind einfach weiterhin die meisten Hits drauf, inklusive den letzten 4 Songs.

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