Die Kassierer - Männer, Bomben, Satelliten

Teenage Rebel / PIAS / Zomba
VÖ: 03.11.2003
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Scherzgrenze

Deutschland und die Zensur. "Zensur findet nicht statt." So steht es im Grundgesetz. Hierzulande behilft man sich eines geschickten Würgarounds: der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. Aber die zensiert natürlich nicht, sondern indiziert höchstens. Was für das betroffene Werk bedeutet, daß öffentliche Werbung dafür sowie der Verkauf an Minderjährige strengstens untersagt ist. In anscheinend nicht allzu seltenen Fällen ist eine solche Indizierung aber durchaus als Qualitätsmerkmal zu verstehen. Man denke nur an die famose "Ab 18" von den Ärzten (aus Berlin).

Die Kassierer (aus Wattenscheid) hingegen wurden bei ihren drei vielversprechendsten Anläufen von den vermeintlichen Jugendschützern nicht in diese Schmuddelschublade geworfen. Auch wenn mit schweren Geschützen wie "Sexismus", "Gewaltverherrlichung" oder gar "ethischer Desorientierung" auf Alben wie "Der Heilige Geist greift an" oder "Habe Brille" gefeuert wurde, attestierte man den Ruhrpott-Rüpeln - man höre, staune und lache über so viel musische Erkenntnis - Kunst. Und Satire darf bekanntlich alles. Ja, denn. Aber selbst mit vorgehaltenem Lachsack mag es einem nicht ansatzweise gelingen, sein Zwerchfell mit diesem angeblich ironisch überhöhten Asi-Punk zu massieren. "Ich möchte mir mit Deinem Gesicht den Arsch abwischen." Hi hi. "Ich bin bestimmt kein großer Held / Nur mein Hodensack ist der Schönste auf der Welt." Ha ha. "Ich trinke darauf / Daß sich mein Gehirnvolumen / Auf das Dreifache vergrößern mag." He he. "Auf den Mund, Pimmel in den Schlund." Ho ho.

Dumpfbackige Bolzereien wie "Schnaps und Bier" oder "Das schlimmste ist wenn das Bier alle ist" schmecken wie brackige Dosenplörre, der "Meister aller Fotzen" grollt noch erbärmlicher als Rammstein, und jämmerliche Chansonimitate wie "Für Udo" klemmen sich den noch tropfenden Schwanz in der Tür zur Scherzkammer. Nur in "Kuckuck!" eitern keine Lacherektionen durchs Gepolter. Hier wird beinahe ausschließlich gehustet und geräuspert. Und das hat mehr Tiefgang als alle mißglückten Versuche kabarettistischer Genitalleckerei zusammen.

Auf "Männer, Bomben, Satelliten" entblöden sich Die Kassierer - ganz in Zeltingerscher Tradition - als Asis mit Niwoh. Man weiß eben nie, wo man sich verstecken soll, wenn diese bierbäuchigen Zotenreißer mal wieder zum Spaß losknattern. Wer sich tatsächlich traut, diesen subtilitätsallergischen Dreck für Kunst zu halten, möge sich bitte auf der Stelle alle Kassierer-Alben kaufen. Und zwar wirklich alle. Dann bleibt unsereinem diese akute Humorverstopfung hoffentlich fürderhin erspart.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kuckuck!

Tracklist

  1. Ich bin faul
  2. Das politische Lied
  3. Partylöwe
  4. Mein schöner Hodensack
  5. Warum ich immer so traurig bin
  6. Schnaps und Bier
  7. Für Udo
  8. Mein Arsch, dein Gehirn
  9. Arsch abwischen
  10. How does it feel?
  11. Das Lied vom Hass
  12. Kuckuck!
  13. Hoch den Rock, rein den Stock
  14. Du hast geguckt
  15. Der Harn von Rudi Carell
  16. Kommste mit ins Stadion
  17. Meister aller Fotzen
  18. Meine Interessen
  19. Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist
  20. Du läßt Dich geh'n
  21. Die Kassierer, was ist das eigentlich (Teil 2)?
Gesamtspielzeit: 43:20 min

Im Forum kommentieren

Rochen

2023-05-04 22:34:56

Mit dem Album begann die langweilige Phase der Kassierer. Der Humor hatte sich abgenutzt, weil es nichts mehr zum Provozieren gab, da alle möglichen Grenzen in den 90ern bereits überschritten worden waren. Musikalisch zwar tatsächlich sehr abwechslungsreich, aber die Ausflüge in andere Genres führten größtenteils leider nicht zu interessanten Songs. Die spärlich gesäten Highlights: "Du hast geguckt", "Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist".

Blanket_Skies

2023-05-04 22:20:10

Hach, was fanden wir das für eine Woche lustig damals!

Armin

2023-05-04 19:07:24- Newsbeitrag


Nachdem es in den letzten Jahren ziemlich ruhig um Teenage Rebel Records
war mit nur sieben Veröffentlichungen in sieben Jahren (davon vier
Wiederveröffentlichungen), gibt es nun zumindest nochmal eine Wieder-
veröffentlichung und zwar zum 9.06.2023:
Die Kassier: Männer, Bomben, Satelliten LP
Das Album erschien 2003 in der vinylarmen Zeit und es wurden nur 1000 LPs
verkauft, so wenig wie von keinem anderen regulären Kassiereralbum
(hingegen bis heute um 12.000 CDs).


INFO

20 Jahre nach der Originalveröffentlichung ist das Album wieder auf Vinyl zu haben!
Das Album Männer, Bomben, Satelliten wurde 2003 zum achtzehnten Geburtstag
der Wattenscheider Band "Die Kassierer! als sechstes reguläres Album veröffentlicht.
Die Band mit den verbesserten Gehirnen ist zwar volljährig geworden, aber
spätpubertäre Schlüpfrigkeiten gegen den guten Geschmack sind weiter vorhanden.
Das musikalische Spektrum reicht jedoch weit über Punk hinaus und enthält Ausflüge
in Jazz, Chanson, Country sowie Heavy Metal. Dazu neodadaistisches
und Kabaretteinlagen.
Die kulturelle Bedeutung der Kassierer ist mit diesem Gesamtkunstwerk gefestigt worden.






Tracklist

01. Ich bin faul
02. Das politische Lied
03. Partylöwe
04. Mein schöner Hodensack
05. Warum ich immer so traurig bin
06. Schnaps und Bier
07. Für Udo
08. Mein Gehirn, dein Gehirn
09. Arsch abwischen
10. How does it feel
11. Das Lied vom Hass
12. Kuckuck!
13. Hoch den Rock, rein den Stock
14. Du hast geguckt
15. Der Harn von Rudi Carrell
16. Kommste mit ins Stadion
17. Meister aller Fotzen
18. Meine Interessen
19. Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist
20. Du läßt Dich geh'n
21. Die Kassierer, was ist das eigentlich (Teil 2)?


www.teenage-rebel.de

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