Neneh Cherry - The versions

EMI / Universal
VÖ: 10.06.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Don't step all over me

Eigentlich ist ein Tribute-Album für Neneh Cherry ja von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Niemand anderes könnte das individuelle Charisma der Frau einfangen, die mit ihrem hochenergetischen Debüt "Raw like sushi" 1989 der Welt kurz den Atem raubte – zumal auch die mit einer solchen Kompilation einhergehende Genre-Vielfalt obsolet wirkt, da die Schwedin von HipHop und Soul über TripHop und Jazz-Rock bis hin zu von Four Tet produziertem Elektro-Art-Pop ja schon alles selbst mal gemacht hat. Dennoch hat Cherry nun eine Cover-Platte eigener Songs kuratiert, womit sie ihre 2012 nach 16-jähriger Veröffentlichungspause wiedererstarkte Umtriebigkeit fortsetzt. Der erste Blick auf die Tracklist von "The versions" löst dabei ambivalente Gefühle aus: Verzückend ist die Ansammlung spannender aktueller Musikerinnen, etwas enttäuschend dahingegen die sich auf naheliegende Picks der ersten drei Alben beschränkende Songauswahl. Tatsächlich fehlt dieser inspirierten, aber beinahe zu respektvollen Würdigung etwas der Biss, der die geehrte Künstlerin selbst immer auszeichnete.

Ungünstigerweise erwecken gerade die ersten beiden Tracks den Eindruck, man dürfe die Originale nur mit Samthandschuhen aus dem Trophäenschrank heben. Wenn sich Robyn gemeinsam mit Dev Hynes (Blood Orange) dem Über-Hit "Buffalo stance" annimmt, weckt das riesengroße Erwartungen – doch dem tatsächlichen Take, einer verlangsamten Version mit Valium-Gitarren und Alibi-Beat, fehlt jeglicher Punch, woran auch Mapeis etwas stachligere Raps nichts ändern können. Auch Sia, die Anfang der Nullerjahre mal bei Cherry und ihrem Ehemann Cameron McVey gewohnt hatte, fällt im Anschluss nichts Besseres ein, als die Pop-Oberfläche der zweiten "Raw like sushi"-Single "Manchild" glattzupolieren. Ungleich spannender gestaltet sich der Song in den Händen der amerikanischen Sängerin und Cellistin Kelsey Lu: Streicher-gesalbte Klage-Strophen leiten in aufgekratztes Bass-Gewummer über, das den Einfluss der am Original beteiligten Massive-Attack-Konstante 3D nach außen kehrt.

In solchen Momenten, in denen die Interpretinnen dem Ursprungsmaterial ihren Stempel aufdrücken, ohne es völlig zu verzerren, strahlt "The versions" am hellsten. Mit Piano und gedämpften Noise-Loops macht Anohni aus "Woman" einen kämpferischen Torch-Song, der Zeilen wie "I'm the kind of woman that was build to last / They tried erasing me, they couldn't wipe out my past" nachhaltig auf die Haut brennt. Ähnliches gilt für die luftig reduzierte, Panflöten-unterstützte Neufassung der Male-Gaze-Veranschaulichung "Kisses on the wind", die Cherrys Landsfrau Seinabo Sey in akustischen Honig gießt. Das größte Highlight, welches das Original sogar übertrifft, ist "Heart": Sudan Archives fügt dem eigentlich etwas blassen Track mit einem westafrikanischen Violinen-Riff und minimalistisch verschachtelter Percussion virtuose neue Texturen hinzu, lässt sich den Spaß an so genial-blöden Cherry-Versen wie "Chocolates, bananas, doughnuts and salami / Ain't gonna fit coz you're full of baloney" aber dennoch nicht nehmen.

Ebenso gelungen sind Greentea Pengs UK-Garage-Version von "Buddy X" sowie "Sassy", das Cherrys Tochter Tyson in eine Schaumstoffbox aus entspannt bar-jazzigem Neo-Soul packt. Selbiges ließe sich grundsätzlich auch über Jamila Woods' "Kootchi"-Cover sagen, doch hier offenbart sich auch ein wesentliches Problem der Platte. Während der psychedelische Strudel des Originals die schlüpfrigen Lyrics mit schweren Gitarren und Orchester kontrastierte, kittet diese auch klanglich Schlafzimmer-tauglich gemachte Variante alle Schlaglöcher. Dass nahezu alle Stücke auf Zurückhaltung setzen, mag für eine nicht zu vernachlässigende Kohärenz sorgen, tilgt aber auch den rebellischen Spirit, der Cherrys frühe Alben auch heute noch zum Knallen bringt. Honey Dijons ans Ende angepappter House-Remix von "Buddy X" unterschreibt den etwas unrunden Eindruck nicht nur – wenn hier zum ersten und einzigen Mal die ursprünglichen Vocals erklingen, reibt er uns auch unter die Nase, wen wir auf "The versions" am meisten vermissen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Woman (Anohni)
  • Heart (Sudan Archives)
  • Manchild (Kelsey Lu)

Tracklist

  1. Buffalo stance (Robyn feat. Mapei)
  2. Manchild (Sia)
  3. Woman (Anohni)
  4. Buddy X (Greentea Peng)
  5. Kootchi (Jamila Woods)
  6. Sassy (Tyson)
  7. Heart (Sudan Archives)
  8. Kisses on the wind (Seinabo Sey)
  9. Manchild (Kelsey Lu)
  10. Buddy X (Honey Dijon remix)
Gesamtspielzeit: 40:40 min

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Armin

2022-06-24 11:35:45- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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