Porcupine Tree - Closure / Continuation

Music For Nations / Sony
VÖ: 24.06.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

War was?

Im Nachhinein ist das ja alles ganz lustig. Nach dem letzten Studio-Album "The incident" 2009 hatte Steven Wilson seine Band Porcupine Tree zur Ruhe gesetzt, in einen "indefinite hiatus", wie er nie müde wurde zu betonen. Was daraus wurde, ist bekannt – Wilson stellte mit seiner Solokarriere kommerziell so ziemlich alles in den Schatten, was er im Bandkontext bis dato aufgebaut hatte, wurde gar vom Mainstream als Visionär gefeiert, um dann vor allem mit der letzten Platte "The future bites" ganz tief in Pop-Regionen vorzustoßen. Und während so manch alter Fan über "Ausverkauf" und "künstlerischen Bankrott" geiferte, traf sich Wilson immer mal wieder mit seinen alten Bandkollegen Richard Barbieri und Gavin Harrison – manchmal nur für ein Tässchen Tee, manchmal, um an Soundfragmenten und Ideen zu feilen, die ausdrücklich für Porcupine Tree gedacht waren. Wie oft Wilson also bei all den Gerüchten über wahlweise Reunion oder Auflösung in sich hinein gegrinst haben mag, ist leider nicht verbürgt.

Denn plötzlich war sie da, die offizielle Verlautbarung über die Rückkehr von Porcupine Tree, und nachdem im November 2021 die Vorabsingle "Harridan" manche Fans hyperventilieren ließ, ist natürlich nun zu beweisen, ob "Closure / Continuation" wirklich so gut ist wie es das ganze Brimborium der letzten Monate suggeriert. Eben jenes "Harridan" eröffnet dann auch das Album mit hibbeligen Taktwechseln und einem atemlos pumpenden Basslauf – nicht etwa von Colin Edwin, der seit dem vorläufigen Band-Aus komplett abgetaucht ist, sondern von Wilson selbst. Dominiert wird der Song jedoch vom grandiosen Schlagzeugspiel von Gavin Harrison, der dermaßen durch die Takte gleitet, dass schon das blanke Mitzählen zur Herausforderung wird. Weniger frickelig, dafür jedoch mit einer starken Atmosphäre ausgestattet ist das ebenfalls vorab als Single veröffentlichte "Of the new day", das für sich genommen etwas verloren daher kam, im Album-Kontext aber als Überleitung hervorragend funktioniert.

Offensichtlich nämlich brauchte die zum Trio geschrumpfte Band – Tour-Gitarrist John Wesley war nie vollwertiges Bandmitglied – diese kurze Aufwärmphase. Denn "Rats return" ist genau so ein Brett, was Fans der späteren Releases so erwarten mögen. Krachende Stakkato-Riffs, zerrissen durch sinistre Sound-Scapes, darüber der schwebende Gesang Wilsons – wenn es so etwas wie ein Verbindungsstück zwischen dem Gestern und Heute gibt, dann hier und beim wunderschönen mehrstimmigen Refrain von "Dignity". Solche Momente reichen aber auch vollkommen aus, um die Songs als "unverkennbar Porcupine Tree" identifizieren zu können. Oder platt ausgedrückt: Wer eine Retro-Platte haben möchte, kann sich eben am Backkatalog bedienen.

Dass jedoch der Blick zurück nicht gänzlich fehl am Platz sein kann, zeigt vor allem "Herd culling". Nur vordergründig sanfte Soundscapes, durch kleine, aber effiziente Spielereien in ein sinistres Licht gerückt, werden plötzlich von wahren Riff-Explosionen geradezu zerfetzt. Gerade hier wird besonders deutlich, wie gut die drei Künstler auch nach ihrer Pause miteinander harmonieren, und trotzdem wirkt nichts selbstreferenziell, nur um des Zitats Willen eingefügt. Ganz nebenbei zeigt die Album-Version auch, dass es vielleicht nicht vollständig brillant war, den Song für den Single-Edit um seinen kompletten Mittelteil zu kürzen, aber das nur am Rande. Einzig das zerfahrene "Walk the plank" will nicht recht in den Kontext passen, wirkt bemüht eingeschoben – und wird ohnehin in seiner Wirkung durch den grandiosen Schlusstrack "Chimera's wreck" überrollt. Zugegeben: Die ganz große Euphorie wie seinerzeit bei Meisterwerken wie "Fear of a blank planet" mag zunächst nicht aufkommen, dafür fehlt die ein oder andere Kleinigkeit im Gesamtfluss. Doch als Rückmeldung der Band nach langer Zeit ist "Closure / Continuation" genau die richtige Platte. Bleibt zu hoffen, dass die im Titel versprochene "continuation" nicht erneut 13 Jahre auf sich warten lässt.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Rats return
  • Herd culling
  • Chimera's wreck

Tracklist

  1. Harridan
  2. Of the new day
  3. Rats return
  4. Dignity
  5. Herd culling
  6. Walk the plank
  7. Chimera's wreck
Gesamtspielzeit: 48:03 min

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Klaus

2023-11-06 15:58:24

Closure / Continuation live from Ziggo Dome 8. Dez

https://porcupinetree.tmstor.es/?lf=3585666be786affce82fbf1632a5f525

nörtz

2023-06-16 12:09:58

https://i.imgur.com/9tuHNtn.jpg

Aber was genau kommt, weiß ich nicht. Aber wer will denn nur ne reine Live-CD haben?

pounzer

2023-06-16 10:48:36

Woher hast du die Info, nörtz? Also, das Konzert in Amsterdam wurde auf jeden Fall gefilmt. Aber das muss ja erst mal noch nichts heißen.

nörtz

2023-06-15 23:23:46

Da kommt wohl ne Live-DVD von der Tour. Oder Blue Ray.

Neuer

2022-12-05 19:45:16

Vielleicht ist die Antwort ja, dass Genregrenzen selten absolut gezogen werden können? Wobei, das wäre halt lange nicht so spaßig, wie sich gegenseitig wegen Kleinigkeiten an sie Gurgel zu gehen :D

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