JB Dunckel - Carbon
Prototyp / Al!veVÖ: 24.06.2022
Kohle und Diamanten
Dunckel war's, der Moog schien helle, als sein "Carbon" ohne Schnelle langsam um die Ecke bog. Ja ja, Wortspiele mit Namen (und dann auch noch so schlechte) sind unterste journalistische Schublade, aber Jean-Benoît Dunckel hat es ja nicht anders gewollt, sonst hätte er sein Quasi-Solo-Debüt anno 2006 nicht "Darkel" getauft. Und zur Bestätigung der Tatsache, dass Dunckel kein Kind von Wortspieltraurigkeit ist, sei hier auch noch einmal der Titel der Remix-Platte zu Airs großartigem Album "10.000 Hz legend" genannt: "Everybody hertz". Buhaha. Während ihre erfolgreiche Band, deren schwelgerischer Retro-Electro-Chill oft sehr brillant, nicht selten aber auch sehr egal klang, von einer Werkschau abgesehen schon fast ein Jahrzehnt ruht, sind beide Teile des Duos durchaus aktiv: Nicolas Godin hat Anfang 2020 Concrete and glass"" veröffentlicht, das zum Teil durchaus an vergangene Großtaten anschloss, Dunckels neues Werk "Carbon" erinnert nun diverse Male an die fluffig pluckernden Belanglosigkeiten, die es vor allem auf den späteren Alben von Air immer öfter zu hören gab.
Der Opener "Spark" mit Beats und Synthieflächen à la Jean Michel Jarre lässt den titelgebenden Funken durchaus noch überspringen, und auch der Prog-Trance der gut gelaunten ersten Single "Corporate sunset" mit ihrem ebenso mitreißenden wie hypnotischen Xylophon verweist zurück auf Pioniere der elektronischen Musik wie Neu!. Das die Grenze zum Edelkitsch mühelos und von Glockenspiel untermalt überschreitende, leicht einschläfernd dahinplätschernde "Space" mit Gastsängerin Heather d’Angelo von Au Revoir Simone verortet daraufhin Airs "Playground love" neu ins Weltall. In den Lyrics heißt es einmal "the heaviness of silence cannot be overstated", manchmal wäre Stille bei derartiger Überzuckerung allerdings durchaus eine gute Alternative. Das Bemerkenswerteste am instrumentalen Ambient-Track "Shogun" ist wohl die Tatsache, dass er laut Presse-Info von der Ästhetik der Kleidung japanischer Kaiser inspiriert sei. Sagen wir mal so: Man hört das nicht ganz direkt raus.
Hörerinnen und Hörer, die an dieser Stelle des Albums angesichts des Doppelschlags an wohlig sanfter Synthie-Umkuschelung noch nicht eingeschlafen sind, werden mit den beiden besten Stücken des Albums belohnt. In "Zombie park" greift Dunckel selbst zum Mikrofon und besingt fast schon in Crooner-Manier einen Park in der Nähe seiner Pariser Wohnung, der ein Treffpunkt für Drogensüchtige ist: "Zombie park is bleeding you dry / Zombie park is a place to die." Der Kontrast zwischen düsteren Lyrics und melodiös-instrumentalem Wohlklang spiegelt hier das unmittelbare Nebeneinander von saturierter Wohlstandsgesellschaft und ihren marginalisierten Abgründen wider. Absolutes Highlight des Albums ist jedoch der Track, der die größte Abweichung vom Dunckelschen Standardsound wagt und passenderweise den Titel "Dare" trägt. Mit seinen knochentrockenen Beats, den dreckig-verzerrten Synthesizer-Akzenten und den Computerstimmen ist "Dare" eine ebenso eindeutige, wie gelungene Hommage an Kraftwerk, irgendwo zwischen "Trans-Europa-Express" und "Die Roboter". "Sex UFO" mit ganz leichtem Shoegaze-Einschlag verstört mit Zeilen wie "Sex UFO flying over LA / It comes from a porn star" deutlich mehr als dass es betört, und die beiden sphärischen Abschlusstracks kann man je nach Wohlwollen ebenso als meditativ atmosphärisch wie als repetitiv langweilig empfinden. Es würden sich angesichts der unausgewogenen Klasse der Tracks auf "Carbon" nun wieder diverse Wortspiele mit Licht und Dun(c)kel anbieten. Vielleicht ist es aber die bessere Alternative, sich diese zu verkneifen und stattdessen einfach mal wieder "Moon Safari" aufzulegen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Corporate sunset
- Zombie park
- Dare
Tracklist
- Spark
- Corporate sunset
- Space
- Shogun
- Zombie park
- Dare
- Sex UFO
- Cristal mind
- Naturalis principia musica
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Armin
2022-06-16 20:12:49- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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