Perfume Genius - Ugly season

Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 17.06.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ausdrucksdistanz

"Your body changes everything", sang Mike Hadreas auf "Set my heart on fire immediately". Zu diesem Zeitpunkt lag die Tanzaufführung "The sun still burns here" bereits hinter ihm, welche er gemeinsam mit Choreografin Kate Willich konzipiert und 2019 aufgeführt hatte – dementsprechend wusste er durchaus, wie sich Euphorie körperlich ausdrücken lässt. Als musikalische Untermalung für das Stück dienten zehn eigens geschaffene Hadreas-Kompositionen, die nun, drei Jahre später, unter dem Titel "Ugly season" als Perfume-Genius-Album erscheinen. Bereits damals gab es einen Vorgeschmack in Form der beiden Songs "Eye in the wall" und "Pop song", die hier in unveränderter Form in der Tracklist auftauchen. Sie faszinieren wie eh und je.

"Eye in the wall" ist noch immer der neunminütige Trip, der sich ganz von seinem Rhythmus in tiefe Trance leiten lässt. "Your body onscreen / 1993 / I'm full of feeling / I'm full of nothing but love." Als der Beat sich verschluckt, nimmt der Track den Hänger einfach nahtlos als neue Basis und führt ihn an einen leuchtenden Ort. "Pop song" fokussiert sich mehr auf den Groove und begeistert nicht weniger. Der Titel ist natürlich relativ zu verstehen und doch stellt er keinerlei Hürden daran, sich in dieses pulsierende Setting zu verlieben. "Our body is stretched / And holding one breath / Shoulder our pain / And bury what's left", flüstert Hadreas noch. Auf Platte sieht man die zugehörige Choreografie natürlich nicht, aber an diesen Stellen lässt "Ugly season" auch gar nichts vermissen.

Leider trifft dies nicht immer auf den Rest zu. Die beiden frühen Singles sind die klaren Highlights einer oftmals kunstvollen, aber auch sehr abstrakten Platte. Speziell die erste Hälfte scheint einen visuellen Part geradezu zu fordern. Der Opener "Just a room" probt das große Drama, doch unter dem Hauchen, der Orgel, dem Glockenspiel fehlt dem reinen Klangteil das verbindende Ganze. Ähnlich perplex lässt "Scherzo" zurück, ein dissonantes Klaviersolo mitten im Album, das jegliches Momentum von "Pop song" direkt im Keim erstickt. Perfume Genius stand noch nie für den einfachen Weg, aber "Ugly season" macht es an vielen Stellen besonders schwer, Zuneigung zu entwickeln. Das klassisch angehauchte "Herem" oder das komplexe "Teeth" können manchmal wie eine verzerrte Wunderwelt wirken, teils aber auch richtunglos erscheinen. Für diese Platte braucht man die passende Stimmung.

Zum Ende hin wird "Ugly season" immerhin greifbarer, nahbarer. Der Titeltrack verschleppt seine Percussion und prägt sich stellenweise sogar ein, "Photograph" betrachtet im romantischen Mondschein ein ebensolches. "On the stage where we sing / I feel like a silhouette." Einen wirklich tiefen Eindruck hinterlässt aber erst wieder das aufbrausende "Hellbent", welches Hadreas atemlos über Noise-Gitarren hauchen lässt und am Ende in Chaosrock zerfällt. Dahinter passt auch "Cenote", das mit einem Doppel aus Klavier und Synth dem Werk einen versöhnlichen Ausklang bereitet. "Ugly season" gewinnt mit wiederholtem Hören und doch hält es über weite Strecken auf Distanz. Und das sollte bei körperlichem Ausdruck doch nun wirklich nicht passieren.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pop song
  • Eye in the wall
  • Hellbent

Tracklist

  1. Just a room
  2. Herem
  3. Teeth
  4. Pop song
  5. Scherzo
  6. Ugly season
  7. Eye in the wall
  8. Photograph
  9. Hellbent
  10. Cenote
Gesamtspielzeit: 52:23 min

Im Forum kommentieren

humbert humbert

2023-01-15 09:06:18

Tolles Album, wenn nicht sogar mein Lieblingsalbum von Hadreas.

saihttam

2022-10-28 01:17:00

Faszinierendes Album, das mich aber dennoch nicht vollends erreicht. Einige Passagen sind sehr einnehmend und intensiv, andere lassen mich etwas im Regen stehen. Dennoch bewundere ich diesen Künstler weiterhin für seinen unfassbaren Mut, sowohl in den Inhalten als auch im künstlerischen Ausdruck. So ein sperriges Album nach den verglichen dazu sehr poppigen Vorgängern hinzulegen und es trotzdem wieder zu schaffen so viele tolle Momente voller Stärke und Verletzlichkeit zu erzeugen, ist schon grandios. Diesen Gegensatz zu vereinen kriegt aktuell keiner so gut hin wie Mike Hadreas.

Felix H

2022-06-19 19:17:02

Ich kann beides verstehen. Im falschen Moment finde ich das schon sehr anstrengend und die ersten Durchgänge waren bei mir auch nicht dolle, aber da steckt schon viel drin in der Platte, weshalb meine 6/10 eher in Richtung 7 geht.
Trotzdem erinnern mich die Groovedinger der Platte häufig daran, dass ich das lieber auf Albumlänge hören würde als die Sachen, die vor allem in der ersten Hälfte zerfasern. Und "Scherzo" killt für mich jedes Mal das Momentum von "Pop Song", leider.

Glynis

2022-06-19 19:08:56

Kunstkacke? Deswegen wird es auf reviews überall abgefeiert

Felix H

2022-06-19 11:38:08- Newsbeitrag

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