Jaguar Jonze - Bunny mode

Nettwerk / Soulfood
VÖ: 03.06.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Achtung wild

Jaguar Jonze ist ganz schön angepisst. Nein, nicht, weil sie 2022 zum zweiten Mal beim australischen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest den Kürzeren zog. Sondern wegen des übergriffigen Verhaltens von Kollegen und derer toxischer Männlichkeit, welche die 30-Jährige mit taiwanesischen Wurzeln vor einiger Zeit in einem Interview ziemlich schonungslos schilderte. Harte Sache und unentschuldbares Gebaren, auf das es nur eine entsprechend unversöhnliche Reaktion geben kann. In ihren Songs, versteht sich. Vom "Bunny mode", dem verschüchterten Zurückstecken und Sich-alles-Gefallenlassen, nach dem ihr Debüt benannt ist, hat sich die Frau, die bürgerlich Deena Lynch heißt, inzwischen jedenfalls verabschiedet. Mit "Little fires" fehlt auch nicht das Stück, mit dem sie bei "Australia decides" immerhin Platz drei belegte: eine sich behutsam steigernde, exzellent gesungene Ballade, die im Finale zu beachtlichem, allerdings auch recht generischem Bombast aufläuft, für den Rest dieses Albums aber wenig repräsentativ ist.

"Bunny mode" veranstaltet nämlich einen oft wilden Ritt durch die raueren Aggregatzustände elektrifizierten Alternative- und Indie-Rocks, bei dem Lynch sowohl ihre Widersacher als auch ihre Selbstzweifel rasiert. "Know my name" rüttelt eingangs mit Twangs und Streichern noch maßvoll an den Sockeln meist männlicher Vorherrschaft im Pop, doch schon "Who died and made you king?" macht Schluss mit diskret: Knarz-Bass und Handclaps ruckeln sich den Allerwertesten zurecht, Lynch spuckt rhythmisch aggressive Schlagworte ins Getümmel – fertig ist eine Art tiefergelegte Chrom-Version von Death From Above 1979s "Blood on our hands", die einem auch Alison Mosshart von The Kills nicht unwirscher um die Ohren hauen könnte. Und wer sich noch an deren "Cheap and cheerful" erinnert, ist auch für "Swallow" gerüstet. Knack im Sound und Wucht im Riff reißen die Bodenplatten auf, Kieks- und Rotz-Auswürfe hauen dazwischen und Lynch höhnt: "I can swallow your ego / You don't turn me on." Eine Sternstunde der Unfuckwithability.

Und so macht es enormen Spaß, wenn Lynch mit großem Swag und den Absätzen ihrer klobigen Stiefel lautstark durch die popmusikalischen Rabatten trampelt. Auch der trockene Groover "Trigger happy" und der punktgenaue Dance-Rocker "Punchline" räumen nicht nur in der Indie-Disco, sondern auch im (Selbst-)Bewusstsein der Australierin auf: Psycho-Spielchen in Beziehungen, falsch verstandene Diversität vor künstlerischer Substanz, omnipräsente Mysogynie – unbrauchbarer Schrott, den "Bunny mode" mit tödlicher Präzision zu rasanten Drei-Minuten-Hits komprimiert. "Little fires" und das solide, wiewohl überraschungsarme Midtempo von "Drawing lines" oder "Not yours" zählen bei aller Streitbarkeit zwar nicht zu den stärksten Momenten von "Bunny mode", lassen aber Platz zum Durchatmen – und spätestens nach dem doppelbödigen Swamp-Schlürfer "Cut" ahnt man, dass sich Anna Calvi und Grimes vielleicht schon immer näher waren als vermutet. Und dass Jaguar Jonze beim ESC ohnehin fehl am Platze gewesen wäre.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Swallow
  • Trigger happy
  • Punchline
  • Cut

Tracklist

  1. Know my name
  2. Who died and made you king?
  3. Swallow
  4. Drawing lines
  5. Trigger happy
  6. Loud
  7. Little fires
  8. Punchline
  9. Cut
  10. Not yours
  11. Man made monster
Gesamtspielzeit: 34:43 min

Im Forum kommentieren

Arne L.

2022-06-07 11:21:41

Wow, echt kurzweilige Angelegenheit. Gefällt mir sehr gut und hat noch Potenzial auf Wachstum.

Armin

2022-06-02 20:39:52- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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