Sex Pistols - The original recordings

Universal
VÖ: 27.05.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Kotzen fürs Königreich

Ist das noch Punk? Danny Boyle dreht eine Miniserie über die Sex Pistols, die von Disney+ ausgestrahlt wird, Maisie Williams aus "Game of thrones" ist mit von der Partie, und natürlich schlachtet dazu eine Compilation das schmale Gesamtwerk der Briten aus, das ohnehin nur aus einem Studioalbum, einer Outtakes-Sammlung und einer Art Soundtrack besteht. Sparen wir uns die Eingangsfrage also besser, denn John Lydon alias Johnny Rotten und Kumpane sahen sich nie als Punks – auch wenn sie das (Un-)Glück hatten, dass das vorrangige Ziel ihres Managers Malcolm McLaren darin bestand, diese Ende der Siebziger noch höchst skandalöse Musik maximal gewinnbringend zu vermarkten. Und bevor man schimpft, wie kommerziell etwa Die Toten Hosen mit der Zeit geworden sind, bitte erst einmal "The original recordings" hören.

Die sind nämlich nicht nur äußerst unterhaltsam, weil sie die Anfänge des Punkrocks auf der Insel in vollem Saft und mit weit aufgerissenen Gitarren zeigen. Trotz aller Skandale, Auftrittsverbote und Pöbeleien macht "The original recordings" auch klar, dass die Sex Pistols stets eine unerschütterliche Bastion der Britishness waren. Selbst den relativ bemüht einen einsatzbereiten Penis umschreibenden Bandnamen hatten Throbbing Gristle zuvor obszöner hinbekommen. Auch wenn Lydon als Rotten "God save the Queen / She ain't no human being" sang und im Refrain den Schlachtruf "No future" prägte, hätte er dem Vereinigten Königreich seinerzeit nie und nimmer den Rücken gekehrt. "Anarchy in the UK"? Für den Frontmann lediglich eine romantische Schnapsidee gelangweilter Mittelschichtler. Aber immerhin Stoff für knallige bis zornige Rocksongs.

Diese gehörten zwar nicht zum Elaboriertesten des Genres, bewiesen aber, dass drei Akkorde reichen, solange Power und gesellschaftliche Angepisstheit stimmen. Das Lebensgefühl einer perspektivlosen Generation kotzten die Sex Pistols einem am Vorabend des Thatcherismus jedenfalls eindrucksvoll vor die Füße. Vor allem bei "Pretty vacant", dem Stück, in dessen Titel Lydon die letzte Silbe wie den Gossen-Ausdruck für das weibliche Geschlechtsteil betonte. Auch dieser Song fand sich auf dem rüpeligen Debüt "Never mind the bollocks, here's the Sex Pistols" – neben dem hier ausgesparten "E.M.I.", das ein Ex-Label ob eines geplatzten Plattenvertrages verhöhnte. Was McLaren offenbar so gefiel, dass seine späteren Schützlinge Bow Wow Wow mit "C30, C60, C90, go!" zum Raubkopieren auf Kassette aufriefen. Auch eine Art Punk.

Der Erstling ist auf "The original recordings" gleich mit drei Vierteln vertreten – den Rest füllen B-Seiten, Stücke aus dem Film "The great rock'n'roll swindle" und launige Coverversionen. Thematisch besonders gut rein läuft den Sex Pistols dabei "No fun" von The Stooges, das im Vergleich zu den ruppigen Zwei- bis Dreiminütern wie eine Jam-Session unter Kaputtniks wirkt. Offenbar weniger ernst gemeint sind The Monkees' "(I'm not your) stepping stone" oder "C'mon everybody" von Eddie Cochran, während der musikalisch unkundige, aber exaltierte Bassist Sid Vicious kurz vor seinem Tod eine gelungene Fassung von Frank Sinatras "My way" einknödelte – ein würdiger Abschluss für die Essenz einer penetrant legendären Band. Und Lydon kann sagen, was er will: Auch mit Public Image Limited wird er zeitlebens ein Punk bleiben. Den Sex Pistols sei Dank.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pretty vacant
  • God save the Queen
  • Anarchy in the UK
  • No fun
  • Holidays in the sun
  • My way

Tracklist

  1. Pretty vacant
  2. God save the Queen
  3. Bodies
  4. No feelings
  5. I wanna be me
  6. Anarchy in the UK
  7. Submission
  8. No fun
  9. (I'm not your) stepping stone
  10. Holidays in the sun
  11. New York
  12. Problems
  13. Lonely boy
  14. Silly thing
  15. Someone else
  16. C'mon everybody
  17. Satellite
  18. Did you no wrong
  19. Substitute
  20. My way
Gesamtspielzeit: 67:46 min

Im Forum kommentieren

Sloppy-Ray Hasselhoff

2022-05-28 17:24:36

So ist es. Never mind the Bollocks. Zwölf im Schlatz hingerotzte Perlen vor die Säue. Mal eben in 39 Minuten England in alle Einzelteile zerlegt. Ein Album wie ein als Fata Morgana getarnter, einschlagender Monolith. Wer auf einer Musikseite, auf der viele aktuelle Platten rezensiert werden, nicht auch mal den Classics aus vergangen Jahren etwas Platz einräumen kann ohne sich zu echauffieren, hat wirklich nichts verstanden. Tut mir leid.

Ulli

2022-05-28 16:31:57

Ich finde, daß diese Band es wert ist, auch heute noch rezensiert zu werden. Sie war für Leute meiner Generation ein (Jahrhundert-) Ereignis, ein Dammbruch. Ob sie für Jüngere noch wichtig ist
kann ich nicht einschätzen.

Sloppy-Ray Hasselhoff

2022-05-28 10:28:06

Allein der Informationsgehalt der Rezi rechtfertigt das Kotzen fürs Königreich.

olly-hot

2022-05-27 23:55:20

Wofür macht man eine Rezension über eine Band die schon etliche Compilationen herausgebracht hat. Lieber neue Bands vorstellen als so etwas. 0 von 10 Punkten für Plsttentests.

Armin

2022-05-26 20:43:08- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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