Porridge Radio - Waterslide, diving board, ladder to the sky

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 20.05.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Weiter im Text

Ein merkwürdiges Gefühl muss es für Porridge Radio gewesen sein, damals im März 2020. Zur Monatsmitte schickte sich mit "Every bad" die Kulmination des bisherigen Schaffens innerhalb der DIY-Szene der schläfrigen Küstenstadt Brighton an, die Herzen des Indie-Kosmos zu erobern. Entfesselte musikalische Ausbrüche und die entwaffnende Offenheit von Sängerin Dana Margolin prägten den Sound der Band und spielten sich in die Herzen der Community. Unendliches Momentum für zahllose Touren um den Globus? Nope. Es kam, wie es in 2020 kommen musste, und die Welt stand zunächst mal still. Kann man bedauern, kann man aber auch pragmatisch angehen: Als wäre "Every bad" gewissermaßen ein Schlussstrich unter der Anfangszeit der Band gewesen, rauften sich Porridge Radio zusammen und tüftelten am eigenen Klanggewand – noch im selben Jahr war die Intermezzo-Single "7 seconds" ein deutlich luftigeres, dezent poppigeres, aber nicht minder großartiges Lebenszeichen einer Band im produktiven Wandel.

Ein Wandel, der sich knapp zwei Jahre später nun auf "Waterslide, diving board, ladder to the sky" endgültig manifestiert. Und das gänzlich ohne einen Verlust der etwas eigenen Magie, welche den Vierer schon immer auszeichnete. Als Blaupause hierfür steht beispielsweise die tolle Vorab-Single "The rip", die sich auf knackigen drei Minuten zunächst als synthgeladene Hymne gibt, um sich anschließend unter verzweifelten Rufen von Margolin in einen verzerrten Break hineinzusteigern und sämtliche emotionalen Wände niederzureißen. "And now my heart aches." Eine Großtat, die absolut frisch daherkommt und gleichzeitig zu keinem Zeitpunkt die Trademarks der Band aus den Augen lässt. Auf "End of last year" zeigt sich auch die Instrumentalfraktion gereift und gewieft, lässt sich zu Synth-Orgelklängen alle Zeit der Welt und begleitet mit ruhigen Vibes Margolin, die hier beinahe schon zärtlich über zwischenmenschliche Verzweiflung sinniert. "Talk to myself / 'Cause I'm getting so blue / Do you know you break everything you touch?" Ungewohnte Soundcollagen, beständig berührende lyrische Pastiches des emotionalen Alltags im Hier und Jetzt. "What if it feels like nothing at all?" fragt sich dabei das eher luftige "Trying", das instrumental beinahe schon an The Shins zu "Chutes too narrow"-Zeiten erinnert – der Sound steht hier in spannendem Kontrast zum entrückten Gesang.

Möchte man Porridge Radio auf "Waterslide, diving board, ladder to the sky" etwas ankreiden, dann höchstens, dass sich einzelne klangliche Wiederholungen auf Albumlänge durchaus einschleichen. Was aber halb so wild ist, weil die lyrischen Pfunde hier durch die Bank weg ins Schwarze treffen – oder zumindest sehr nah dran. Im ergreifenden "U can be happy if u want to" beispielsweise führt Margolin zu schrägen Synths und nervösem Schlagzeugbeat durch die – von Verlust zerrüttete – Verbindung zweier Menschen. "My skin is tied to your skin / So everything you touch, I touch / And I'm rolling in my grave again" oder auch "Nothing is mine / I give it all to you / I don't need anything" sind Zeilen, die keinerlei erzwungene Meta-Ebenen oder Verschachtelungen brauchen. Sondern einfach berühren. Porridge Radio hätten nicht eine solch markante Entwicklung hinlegen müssen – "Every bad" hätte sicherlich noch eine ganze Weile die Erfolgswelle befeuert. Dass sie diese sehr forsche und reife Evolution ihres Bandsounds aber dennoch so überzeugend durchziehen, beweist, dass hier auch weiterhin eine der spannendsten Bands der Szene am Werk ist. Und eine, die sich trotz verschiedenster Adaptionen in ihrem Kern so absolut gar nicht verstellt.

(Hendrik Müller)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Back to the radio
  • End of last year
  • The rip

Tracklist

  1. Back to the radio
  2. Trying
  3. Birthday party
  4. End of last year
  5. Rotten
  6. U can be happy if u want to
  7. Flowers
  8. Jealousy
  9. I hope she's okay 2
  10. Splintered
  11. The rip
  12. Waterslide, diving board, ladder to the sky
Gesamtspielzeit: 43:00 min

Im Forum kommentieren

MasterOfDisaster69

2022-06-13 15:09:06

Ja bei der Visions wundert man sich schon manchmal, wo da einige Platten landen.

Anstatt Ihre Visions-Spotify-Listen zu verbessern verschicken sie weiterhin CDs mit 8 oder 9 Songs, sowas von laecherlich.
Ja, CDs, diese silbernen Scheiben aus den 90er...., kennt die noch jemand?
@Max: Kompliment zu Eurem Podcast, macht Spass, weiter so!

maxyeatworld

2022-05-31 22:01:32

Wir waren ziemlich schockiert über die Platzierung im VISIONS-Soundcheck...neben Belle & Sebastian unsere Konsens-Platte des Monats, auch wenn es bezüglich der Orgel Differenzen gab.
Die ausführliche Rezension und jede Menge Streit über die wichtigsten neuen Indie-Alben gibt es monatlich im "Love Is Noise"-Podcast.

Pavel

2022-05-23 10:23:06

Bin ja extremer Fanboy und fand die Singles alle sehr gut. Bisher hat es mich auf Albumlänge noch nicht ganz, was vielleicht ein ganz gutes Zeichen ist und es sich dann nicht so schlecht abnutzt. Gute Alben brauchen ja oft etwas mehr Anlauf.

„I don’t want to be loved“ - ganze 53 mal - auf Birthday Party - das kann ich bestätigen hat mich bisher auch etwas genervt.

Glaube bin auch eher Team Every Bad - habe mir damals sogar das Cover von Dana malen lassen für 30 Pfund (Man konnte ihr einfach in Instagram schreiben - Sie malt alles was man ihr in Auftrag gibt/gab). Mittlerweile wird Sie dazu glaub ich auch keine Zeit mehr haben.

Freue mich jedenfalls jetzt Sie endlich mal Primavera live zu sehen. Wird safe emotional :-)!

Francois

2022-05-23 10:15:41

Wahrscheinlich trifft die Musik ja wirklich meinen Indie-Nerv... aber ich finde diesen Bandnamen so derart 08/15 und aus der einfallslosesten Schublade überhaupt, dass ich mich noch nicht dazu durchdringen konnte...

Hornrabe 1

2022-05-22 10:40:55

Dana schreibt zweifelsohne grandiose Songs. Aber auch ich sehe das neue Album hinter EVERY BAD.
Was mir am meisten auf den Zeiger geht, ist die in meinen Ohren viel zu dominante Orgel. Die macht mich regelrecht aggro auf Albumlänge... :-)))

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum