Die Kerzen - Pferde & Flammen

Staatsakt / Bertus / Zebralution
VÖ: 27.05.2022
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Es glitzert, es glänzt

Neue deutsche Romantik? Romantische neue deutsche Welle? Horny Achtziger-Schlager mit Billo-Synths und Zuckerwatte im Schritt? Passt alles zu Die Kerzen, jenen spitzbübischen Plagiatoren, die 2019 mit ihrem Debüt "True love" bei Kollege Bremmer Begeisterungsstürme entfacht haben. Im Radio werden sie jetzt gespielt, war Absicht, also sind die Spuren jetzt noch dicker, die Gesten noch größer geworden. "Staub zu Staub" als sympathischer Einstieg mit funkigem Bass, ordentlich Glitzer im Getriebe und gigantischem Refrain weiß zu gefallen. Aber grundsätzlich gilt für den nun vorliegenden Zweitling "Pferde & Flammen": das Ganze einfach noch eine Runde und dabei vor allem die Käsesahne-Regler noch ein bisschen weiter aufdrehen, jawoll. Eingängige, dabei aber kaum doofe Ohrwürmer wie "Saigon" oder "True love" kriegen Die Kerzen in alter Intensität nicht mehr hin. Dafür ist es weiterhin regelrecht faszinierend und bisweilen auch ein bisschen gruselig, wie detailliert und passgenau in Form und Inhalt die Band die Ästhetik der Achtziger nachstellen kann. Besonders hervorzuheben: "So schön" oder der Titeltrack.

Die Kerzen meinen ihre Musik todernst und verneigen sich zu hundert Prozent vor dem Genre, anstatt, wie es die Indie-Elite ja auch gerade mit einem solchen Sound gerne tut, irgendwelche doppelten Böden oder Meta-Ebenen voller Ironie zu eröffnen. Aber "Mach das Dach nie wieder zu / Cabriolet / Take me away" – im Ernst jetzt? Oftmals läuft die Band Gefahr, allzu platt unterwegs zu sein und allem gewollten Kitsch und Klischee zum Trotz vollkommen die Substanz bei ihren Stücken zu vernachlässigen. Da helfen dann auch nett hüpfende Synthie-Spuren und frivoler Disco-Funk nicht. Traurige Mädchen, Mackergetue (und doch einsam im Herzen, ja ja), Jon Bon Jovi und jede Menge Amore – textlich ist das neue Album genauso vorhersehbar geraten. In "Vorbei" setzt der Backgroundgesang von Jelena Von Eisenhart-Rohe zwar noch deutlichere Akzente, gefolgt vom Autotune im Closer "Blutmond". Ansonsten aber pappt "Pferde & Flammen" ziemlich in sich zusammen und wird zu einem stromlinienförmigen, großen Klotz.

"Sing mit mir die ganze Nacht / Zum Leidwesen der Nachbarschaft": Die frisch nach – Überraschung! – Berlin migrierte Kapelle frönt dem Hedonismus und Miteinander und raspelt Süßholz bis zum Erbrechen, gerade im technisch sauberen Crooning von Vokalist Felix Keiler. So viel Mut zum Konzept gehört anerkannt, und die eine oder andere Hook ist allemal gelungen. Unterm Strich ist alles musikalisch und inhaltlich aber ein bisschen sehr wenig, egal, wie viel vordergründige Relevanz durch das authentische Bekenntnis zur Holzhammerhommage darauf gepinselt wird. "Pferde & Flammen" glitzert, glänzt und funkelt, ist jedoch weitestgehend sinnlos.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Staub zu Staub
  • Zu schön
  • Vorbei

Tracklist

  1. Staub zu Staub
  2. Zu schön
  3. Cabriolet
  4. So einfach
  5. Jelly
  6. Pferde & Flammen
  7. Küss mich nochmal
  8. Vorbei
  9. Bye Bye
  10. Blutmond
Gesamtspielzeit: 37:16 min

Im Forum kommentieren

qwertz

2022-06-20 13:40:47

5/10 find ich viel zu hart, aber ja: Kommt mir auch weniger fokussiert und kompakt als das Debüt vor. Bleibt trotzdem für mich eine der wenigen Bands, die es schaffen mich mit ihrer Musik zum Grinsen zu bringen. Dazu Basslinien zum mit der Zunge schnalzen. Top!

Armin

2022-05-19 21:43:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2022-04-07 18:42:46- Newsbeitrag



Liebe Musiclovers,

„Die Kerzen laufen jetzt im Radio, ich hab’s dir doch gesagt“, singt Felix Keiler, Gitarrist und Sänger der Kerzen gleich im Album-Opener „Staub zu Staub“. Tatsächlich hatte schon ihr Debüt-Album „True Love“ (2019) der damals noch in Ludwigslust wohnenden Band ein paar veritable Hits zu bieten, die im Radio auf Rotation liefen.

Zu Felix Keiler gehören Jelena Von Eisenhart-Rohe an Gesang und Keyboards, Fabian Rose am Bass und Lucas Wojatschke am Schlagzeug. Vor etwa zwei Jahren, also pünktlich zum Pandemie-Start, zog die Band schließlich um nach Berlin.
Und hatte unerwartet viel Zeit, um Stücke für ihr zweites Album „Pferde & Flammen“ zu schreiben, das nun am 27.05.2022 erscheint.

Die fertigen 10 Songs haben sie allerdings nicht in Berlin aufgenommen, sondern in Köln mit dem Produzenten und Kerzen-Fan der ersten Stunde Jochen Naaf.
A perfect match: Der Kölner Produzent, der zuletzt mit Bosse oder Giant Rooks in den Charts unterwegs war, und die Die Kerzen haben zusammen eine fantastische Pop-Platte produziert. Ein New-Romantic-Update, das wie die perfekte Melange aus Purple Schulz und den Cocteau Twins klingt.

Earl Grey

2022-02-15 19:50:17

Ok, die -für immer- und -sonnenallee- sind nicht drauf.
Ich bin gespannt…

Armin

2022-02-15 19:31:00- Newsbeitrag



Liebe Musiclovers,

„Die Kerzen laufen jetzt im Radio, ich hab’s dir doch gesagt“, singt Felix Keiler, Gitarrist und Sänger der Kerzen gleich im Album-Opener „Staub zu Staub“. Tatsächlich hatte schon ihr Debüt-Album „True Love“ (2019) der damals noch in Ludwigslust wohnenden Band ein paar veritable Hits zu bieten, die im Radio auf Rotation liefen.

Zu Felix Keiler gehören Jelena Von Eisenhart-Rohe an Gesang und Keyboards, Fabian Rose am Bass und Lucas Wojatschke am Schlagzeug. Vor etwa zwei Jahren, also pünktlich zum Pandemie-Start, zog die Band schließlich um nach Berlin.
Und hatte unerwartet viel Zeit, um Stücke für ihr zweites Album „Pferde & Flammen“ zu schreiben, das nun am 27.05.2022 erscheint. Die fertigen 10 Songs haben sie allerdings nicht in Berlin aufgenommen, sondern in Köln mit dem Produzenten und Kerzen-Fan der ersten Stunde Jochen Naaf. A perfect match: Der Kölner Produzent, der zuletzt mit Bosse oder Giant Rooks in den Charts unterwegs war, und die Die Kerzen haben zusammen eine fantastische Pop-Platte produziert. Ein New-Romantic-Update, das wie die perfekte Melange aus Purple Schulz und den Cocteau Twins klingt.


Ja, Die Kerzen sind große Musik-Auskenner*innen und tragen dabei immer den unbedingten Willen zum allgemeinverständlichen Pop-Song im Herzen. Nur logisch also, dass es auch auf diesem Album inhaltlich weiterhin um alle möglichen Spielarten der Liebe und der damit verbundenen Beziehungsgeflechte und Lebenskonstellationen geht. Eines Lebens zwischen wilden Nächten („Flammen“) und romantischen Zweierbeziehungen („Pferde“).
Wo die Kerzen im Song noch die Frage stellen „Willst Du Pferde oder Flammen?“ ist sich die Band in der Formulierung ihres Album-Titels nach ein paar Schnäpsen schnell einig geworden: Pferde & Flammen! Warum sich auf eines bescheiden, wenn man beides haben kann? Dass es nicht immer einfach ist, all das unter einen Hut zu bringen, davon handelt dieses Album, also von nicht weniger als all unseren Begierden und Wünschen und Hoffnungen. Kurz: von großer Popmusik! Mal bittersweet, mal in bester Party- und Geberlaune.

Hörbar sind sie nach wie vor große Fans des Achtziger-Jahre-Pops: Von China Crisis bis The Smiths, von Hall & Oates zu Chris Rea oder Kate Bush. Doch die Aneignung und Transformation ins Hier & Jetzt gelingt ihnen so mühelos und jenseits jeden Retro-Verdachts, dass wir sie hier umstandslos zur vielleicht stilsichersten Popband der Republik der Gegenwart ausrufen möchten. Vermutlich waren sie dies auch schon zuvor, doch Jochen Naaf hat ihre Stärken nochmal konsequent herausgearbeitet: Keilers schwelgend gläsernes Gitarrenspiel, Eisenharts Dream-Wave-Sirenengesang, Roses Jaco-Pastorius-Gedächtnisbass und Wojatschkes Power-Drumming, das immer mindestens so groß wie Tears For Fears klingen will.


Unbedingt herauszustellen ist auch nochmal der besondere Humor der Band, den sie eher mit zeitgenössischen Berliner Künstler*innen wie Fuffifuzzig oder Luis Ake teilen, als mit den großen Wave-Posern der 80er Jahre. Allein wie sie in der Hit-Single „Cabriolet“ die Story vom Diebstahl eines gelben Ford Escort-Cabriolets erzählen, in der ein Pärchen in bester Bonnie & Clyde-Manier durchbrennt, und das im Jahr 2022, in der solche Plots höchstens noch in Serien wie Stranger Things vorkommen, aber ganz sicher nicht im Real Life der GenZ, ist einfach nur herzerwärmende, tanzbare Romcom.Das Real Life findet heutzutage ja ohnehin in der Hauptsache im Swipe-Modus auf dem Smartphone-Display statt. Mit der richtigen Selbstinszenierung zwischen Humana- und Gucci-Look. Und der Selbstvergewisserung vorm Spiegel: „Zu schön um heut allein zu sein“, wie es Die Kerzen so treffend formulieren. Wie gut für uns alle, dass sich diese Band irgendwann am vielleicht unwahrscheinlichsten Pop-Ort des Landes, in Ludwigslust, gefunden hat. Denn die langjährige Freundschaft und die Intimität, die sie in ihrer Musik mit uns allen teilt, macht sie zu etwas ganz Besonderem.

Und wenn dann am Ende des Albums die Protagonist*innen ihre (Fern-)Beziehung mal wieder in den Sand gesetzt haben und den Blutmond, so rot wie das Cover, anheulen, dann schalten wir bequem auf Repeat und lassen uns erneut vom großen Herzschmerz, dem Verschwenden der Jugend, von wilden Nächten und dem Ende der Welt erzählen. Und erinnern uns, dass da doch noch immer ein ganzes gefährliches Leben auf uns wartet. Nix wie hin da! Läuft dann sicher bald auch wieder im Radio.


Tourdaten:
03.06.2022 Leipzig, Ilses Erika
04.06.2022 AT-Wien, B72
07.06.2022 München, Milla
08.06.2022 Stuttgart, Merlin
09.06.2022 Nürnberg, Club Stereo
10.06.2022 Karlsruhe, Kohi
11.06.2022 Mainz, Schon Schön
13.06.2022 Solingen, Waldmeister
14.06.2022 Köln, Bumann & Sohn
15.06.2022 Hamburg, Molotow Skybar
16.06.2022 Berlin, Privatclub

Booking:
http://dq-agency.com/

Web:
https://www.facebook.com/DieKerzen
https://www.instagram.com/diekerzen

Kaufen/Streamen/Vorbestellen:
lnk.to/DieKerzenPferdeFlammen


Tracklisting:
01 – Staub zu Staub
02 – Zu Schön
03 – Cabriolet
04 – So einfach
05 – Jelly
06 – Pferde & Flammen
07 – Küss mich nochmal
08 – Vorbei
09 – Bye Bye
10 – Blutmond

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