Moderat - More d4ta

Monkeytown / Rough Trade
VÖ: 13.05.2022
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Weniger Licht

Mehr Daten bedeuten nicht unbedingt mehr Informationen. Daten sind Zahlen und Buchstaben, die zu jeder Zeit auf Dich einprasseln. Nur mit Kontext werden sie zu Informationen, erst die Verknüpfung von Informationen führt zu mehr Wissen. Da die Menschheit trotz der Fülle an Daten tagtäglich dümmer zu werden scheint, ist diese Prozesskette offenbar gestört. Dass Moderat ihr viertes Album nicht "Moderat 4" nennen, sondern das Anagramm "More d4ta" wählen, und es zugleich ihr atmosphärisch dichtestes und düsterstes Werk geworden ist, kann als Kommentar zum Zeitgeschehen verstanden werden. Die beinahe mechanisch anmutenden Zwei-Wort-Titel, die Destillation von Sascha Rings kryptischen Zeilen sind, sprechen keine Bände und sagen doch viel. "A crystal ball / But all I saw was glass." Eben: Wenn der Kontext fehlt, bleiben nur Nullen und Einsen. "Dumme" Daten halt.

Dabei fügen sich jene digitalen Ziffern auf "More d4ta" doch so famos zusammen. Sie durchwirbeln die Tracks scheinbar mühelos, machen aus "Fast land" ein ansprechend dynamisches Intro und verhelfen "Easy prey" zum Status als Hit. Ähnlich wie einst "Rusty nails" vom 2009 erschienenen Debüt zelebriert er Melancholie in der Strophe, bevor der Refrain wortlos skittert und zittert. "I am just a low-hanging fruit / Easy prey." Daher auch eine klare Wahl als Single. Nicht jeder Song ist so einfach. "Undo redo" ist wohl der nervöseste Moment, den das Trio je auf Platte gebannt hat, schaut sich förmlich sekündlich selbst über die Schulter. Es zirpt und knirscht metallisch, die Paranoia kriecht die Adern entlang. "I take a walk right down your throat" – klar, wenn die Angst übermannt, tritt man am besten direkt die Flucht nach vorne an.

Als Kontrast dazu positioniert sich "More love" als scheinbarer Stimmungsbruch und fährt einen grellen Sound auf. Zwischen den wiederholten Zeilen des Mantras "From lost to loved and back again" steckt die Verzweiflung unterschwellig, wie hastig übertüncht mit frohen Farben. Die drei Tracks am Ende wirken daher nicht ohne Grund im Verhältnis wie ausgelaugt – natürlich als Teil des Konzepts. "A copy of a copy / Servant of a servant / Time after time / He'll never exist", singt Ring im Closer "Copy copy", der sich sperrig zum Ausgang schleppt. Die Vinyl-Version erzählt mit "More love" an vorletzter Stelle und ein paar zusätzlichen Schiebereien übrigens eine leicht andere Geschichte – hoffnungsfroher ist diese jedoch auch nicht. "Why should I give if it's never gonna pay?" Aufgeben als Ausweg: "Switching off this film today and rewind."

"More d4ta" ist ohne Frage das bisher geschlossenste und stimmungsvollste Moderat-Album, vielleicht nicht mit mehr Highlights als "II", aber eigenständiger und faszinierender als "III". Selbst die Instrumentals, die nicht direkt zum übergreifenden Thema beitragen, fügen sich großartig ein. "Drum glow" kann sich dank der entmenschlichten Vocal-Samples mit manchen Highlights aus dem Burial-Katalog messen, "Neon rats" steuert in seinen pumpenden sieben Minuten derweil unbeeindruckt auf den eigenen Olymp zu. Immer lauter, immer intensiver. Das ist zur Abwechslung mal ganz einfach, aber verteufelt effektiv. Und tut als zentrales Aufatmen bei all der Schwarzmalerei, welche dieser Platte einen ganz eigenen Zweck verleiht, wirklich gut. Denn "More d4ta" behält meist den dunklen Schleier an. Ein Stimmungskiller von erwiesenen Stimmungsgranaten. Wissen ist Nacht.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Easy prey
  • Drum glow
  • Undo redo
  • Neon rats

Tracklist

  1. Fast land
  2. Easy prey
  3. Drum glow
  4. Soft edit
  5. Undo redo
  6. Neon rats
  7. More love
  8. Numb bell
  9. Doom hype
  10. Copy copy
Gesamtspielzeit: 44:50 min

Im Forum kommentieren

Volta

2024-04-25 22:27:28

Ich liebe diese Platte.“Easy Prey“ läuft gerade zum gefühlten 100-mal.

Klaus

2023-01-20 14:41:53

17.03. gibts ne Remixplatte

foe

2022-11-10 12:37:19

Support offenbar SYLVERE

foe

2022-11-10 12:14:40

War jemand auf der aktuellen Tour? Wer ist Support?

Fiep

2022-05-19 09:28:19

Das sequencing auf der vinyl find ich ... bescheiden im vergleich zu digital muss ich sagen.
Drum Glow -> Neon rats past nicht.

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