Girlpool - Forgiveness

Anti / Indigo
VÖ: 29.04.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Zeiten ändern Dich

Man merkt es nur kurz im Augenwinkel. Das periphere Sehen nimmt etwas Bekanntes wahr. Verstohlen schaut man dem Menschen, der da an einem vorbeihuscht, einen Moment länger ins Gesicht und merkt, dass die Person zurückschaut. Der Blick wird intensiver und dann macht es klick: "Mensch, ich hätte Dich fast nicht erkannt! Du hast Dich aber verändert!". Genauso verhält es sich mit der Musik des amerikanischen Duos Girlpool. Denn ihr viertes Album "Forgiveness" ist oberflächlich nur noch grob verwandt mit dem bereits von 2015 stammenden Debüt "Before the world was big".

Bereits der Opener "Nothing gives me pleasure" glitcht ordentlich nach vorne, als wäre er auf dem Weg ins Vorprogramm von Charli XCX. "Junkie" holt die höchste Kopfstimme raus, die Girlpool finden konnten, und weiß selbst nicht, ob das noch Gottesfurcht oder schon Blasphemie sein soll, wenn es eine Kerze in der Kirche anzündet. "Country star" setzt mit seinem Titel der Irreführung die Krone auf und lässt die elektronische Creeper-Hymne wie eine Drohung wirken: "Your name is on my hip where I tattooed it." Bei so viel Drumcomputer und Elektronik zieht man die Augenbraue schon sehr hoch, hat man die Entwicklung der Kalifornier*innen bisher eher desinteressiert begleitet.

Das ist freilich nur die halbe Wahrheit, denn während Cleo Tucker und Harmony Tividad auf dem Erstling noch mit Gitarre, Bass und ihrem Gesang zufrieden waren, kam schon auf dem Nachfolger ein Drumkit dazu und spätestens mit "What chaos is imaginary" machten sie ihren Sound so breit, dass er nur mit jeder Menge Gewalt in die Indie-Schublade zu drücken war. Ihre Basisausstattung holen sie für entschleunigende Momente immer noch raus. Ebenfalls unverkennbar Girlpool: der Zynismus in den sanft gehauchten Dichtungen. In den retrospektiven Texten fließt viel Gift, das man im ersten Moment kaum herausschmeckt. Schon das säuselnde "Faultlines" wirkt gefährlich, wenn Tividad singt: "I hold my body like a butcher knife / Smiling for the camera eyes closed / Doing anything you ask, I suppose / You tell me you would die to breathe me in." Und das Highlight "Butterfly bulletholes" verwechselt gar flatternde Insekten mit gefährlichen Projektilen.

Selbst wenn man meint, auf "Forgiveness" nicht mehr die beiden Musiker*innen vorzufinden, die man vor ein paar Jahren kennengelernt hat, ist die Quintessenz unverkennbar. Hinter musikalischer Unverfänglichkeit tun sich Abgründe auf, bei denen man schon mal schlucken muss. Dass diese Abgründe sich verformen und umschichten, mag Teil einer Veränderung sein. Wer das für etwas Schlechtes hält, kann so tun, als hätte er da im Augenwinkel gar nichts bemerkt und einfach weiterlaufen. Aber nach ein bisschen Zeit mit der neuen Platte von Girlpool hat man den Anschluss ziemlich schnell wieder gefunden und findet im Neuen auch eine ganze Menge Vertrautes. Auf das verwunderte "Ich hätte Dich fast nicht erkannt!" folgt dann auf jeden Fall ein ehrlich gemeintes "Wir sollten aber auf jeden Fall bald mal wieder was zusammen machen!"

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Junkie
  • Country star
  • Butterfly bulletholes

Tracklist

  1. Nothing gives me pleasure
  2. Live love lullaby
  3. Violet
  4. Junkie
  5. Dragging my life into a dream
  6. Faultline
  7. Light up later
  8. Country star
  9. Butterfly bulletholes
  10. Afterlife
  11. See me know
  12. Love333
Gesamtspielzeit: 41:41 min

Im Forum kommentieren

peter73

2022-06-22 08:07:31

"Dieser Artikel erscheint am 22. Juli 2022."

darum hab ich da jetzt nichts gefunden, war die vö im april also die digitale version?
neugierig bin ich schon, also muss ich erstmal online ran...


"Der Typ von den beiden hat die hübscheste Person aller Zeiten als Freundin"

wieviele frauen kennst du denn so? zwei? :D

Z4

2022-05-04 19:28:55

Der Typ von den beiden hat die hübscheste Person aller Zeiten als Freundin, dabei sieht er aus wie eine Kombination aus einem dicken Eminem und Fred Durst in den 90ern. Muss also ein guter Typ sein, und die Musik somit auch.

Armin

2022-04-20 21:01:29- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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