Bloc Party - Alpha games

Infectious / BMG / Warner
VÖ: 29.04.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Were you hoping for a miracle?

"Lord give me grace and dancing feet / And the power to impress": Kele Okerere hat einst selbst gut zusammengefasst, was ihn antreibt – und was ihn und Bloc Party Mitte der Zweitausender zu den Pionieren einer neuen Welle britischer Indie-Acts gemacht hat, die die Industrie damals ordentlich umkrempeln konnten. Hypes wie diesen gibt es heute nicht mehr, die Bands aber existieren oft noch. Und zehren weiterhin von den alten Glanzleistungen: Mit "Silent alarm" sind Bloc Party 2018 und 2019 auf Tour gewesen, danach ging es endlich wieder ins Studio. Schlagzeugerin Louise Bartle und Bassist Justin Harris sind zwar schon seit sieben Jahren Teil der Band, durften aber nun zum ersten Mal richtig mitmischen. Und falls sie unbändige Kreativität einbringen, ist auf "Alpha games" davon leider nicht allzu viel zu spüren. Denn um eines vorwegzunehmen: Das sechste Album ist keineswegs misslungen. Aber gegen das eigene Denkmal, das so dermaßen unwirklich über dem gesamten Schaffen der Briten thront, kann es nur halbherzig anstinken. 2022 läuft das Quartett vorwiegend auf Autopilot. Wenn auch in zufriedenstellender Weise.

Gerockt wie bei "Traps" haben Bloc Party seit "Four" nicht mehr. Lyrische Ergüsse à la "There you go-go / Looking like a snack / Cute like Bambi / But you're headed to a trap" lassen jedoch leicht irritiert zurück. Okereke stalkt jetzt wehrlose Jungs und überfällt sie dann im Darkroom? Das Storytelling hat er auf "Alpha games" für sich entdeckt, schlüpft abwechselnd in verschiedene Rollen und verpasst den neuen Songs damit textlich das ein oder andere Fragezeichen. "Sex magik", nur stilecht am Ende mit K geschrieben, beschreibt eine Verführungsfantasie Marke "Der Vorleser" und kramt dafür die Kirmes-Synthies von "The love within" und die Effekte aus "Octopus" wieder hervor. Dabei tun Bloc Party auf den ersten vier Songs noch so, als würden sie ein reines, latent gestriges Gitarrenalbum vorlegen. Bei "Callum is a snake", wo Russell Lissack ordentlich gniedeln darf, oder auch dem gut geschüttelten Opener "Day drinker", der tatsächlich ein bisschen die Gassenhauer "Helicopter" und "Banquet" channelt, läuft das schön rund. "Little brother knows the tango / Little bro can sing the blues" – hier passen die Worte durchaus.

Die Post-Punk-Übung "Rough justice" macht allerdings nicht viel, außer brummelnden Bass und arrogant hingerotzte Okereke-Zeilen aneinander zu tackern. Auch dem eigentlich schönen "Of things yet to come" fehlt ein ausdrucksstarker Aha-Moment. Bloc Party können überragende Refrains schreiben, haben sich aber offenbar entschieden, es einfach nicht mehr zu tun. "The girls are fighting" punktet wenigstens mit "She's hearing voices"-Shouts und entfesseltem Solo, wenn es toxisch-männlichen Aufreißern an den Kragen geht. "If we get caught" knüpft dann nahtlos an "I still remember" an – siehe auch obigen Satz mit den Glanzleistungen – und langweilt mit seinen weiblichen Backings zwar nicht, plätschert aber auch eher ereignislos wieder von dannen. "In situ" bündelt im Gegenzug genau das, was Bloc Party schon immer auszeichnete – besonders auf "Silent alarm", mit dem sich "Alpha games" neben "Four" in Sachen Ästhetik tatsächlich am ehesten vergleichen lässt: Groove, Hook, Pöbelei. Eine kurze Rückkehr zur alten Stärke.

Aber auf Albumlänge? So richtig kommen Bloc Party nicht aus dem Pott, während Okereke sich zumindest an den Vocals mit vollem Einsatz an Konzepten von Männlichkeit und Feminismus abarbeitet oder einfach weiter in Gefühlsduseleien schwelgt. An den einzelnen Teilen liegt das nicht: Gerade Bartle an den Drums ist hervorragend und dabei kein Matt Tong 2.0. Aber "Alpha games" ist keine Offenbarung, kein Umsturz. Sondern trotz zahlreicher Querverweise auf das eigene Frühwerk einfach nur ein weiteres gutes und dabei kompaktes Bloc-Party-Album. Es gilt Ähnliches festzustellen wie für das seinerzeit schon mehr als umstrittene "Hymns": Das alte Mojo, die "Positive tension", sie sind dort noch irgendwo. Bloc Party können sie nur nicht immer abrufen und sind auf "Alpha games" damit nichts Halbes und nichts Ganzes. "It's better you stay where you are / And I continue to support you from afar": Gäbe es nur dieses Album, könnte dies in Zukunft vielleicht auch für nicht unerhebliche Teile der Hörerschaft gelten. Dear class of 2005? "You have been warned."

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Day drinker
  • Traps
  • The girls are fighting
  • In situ

Tracklist

  1. Day drinker
  2. Traps
  3. You should know the truth
  4. Callum is a snake
  5. Rough justice
  6. The girls are fighting
  7. Of things yet to come
  8. Sex magik
  9. By any means necessary
  10. In situ
  11. If we get caught
  12. The peace offering
Gesamtspielzeit: 39:38 min

Im Forum kommentieren

Ralph mit F

2022-07-30 11:18:54

Sind alle drei recht gelungen!

didz

2022-07-30 08:23:50

wie jetzt, interessiert hier keinen oder was? :-D

'the robot and the psychonaut' wär auch auf dem album ein highlight gewesen, die andern sind ok.

didz

2022-07-29 09:43:19

gibt ab heute ne deluxe-variante des albums mit 3 neuen songs(nur digital).

geb ich mir später mal.

maxyeatworld

2022-05-31 22:26:50

Ungezwungener als Four und Meilen besser als Hymns. Man hört, dass sie wieder wollen.

Ralph mit F

2022-05-17 12:34:43

Hier mal ein Kurzbericht von der Show in Köln gestern: Anfangs gewohnt lethargischer und lustloser Kele ("Day drinker", "You should know the truth"), bei "Hunting for witches" dann die 180-Grad-Drehung, und es wurde tatsächlich zu einem der besten Bloc-Party-Konzerte für mich.
Die neuen Songs ("In situ", "Rough justice", "Sex magik", "If we get caught") haben sich super eingefügt, und "Of things yet to come" hätte ich definitiv zu den Highlights packen müssen, shame on me.
Mit "Trojan horse" und "The healing" (!) gab's dann sogar zwei kleine Überraschungen, beim Zugabenblock (am Ende "Traps", "Helicopter" und "This modern love") pure Ekstase. Man hat auf jeden Fall gemerkt, wie ausgehungert das Kölner Publikum (zumindest front of stage) nach all der Ödnis war. Alles in allem das erste Highlight in diesem Jahr, bin sehr zufrieden.

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