Crows - Beware believers

Bad Vibrations / Cargo
VÖ: 01.04.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Im Zementgarten

Nur die Harten kommen in den Garten. Ob sie wollen oder nicht. Zu letzterer Kategorie zählen Crows aus London, wenn sie vom "Garden of England" erzählen: Was zunächst pittoresk klingt, beschreibt den desolaten Zustand des Vereinigten Königreiches nach dem Brexit. Zu beklagen sind übersteigerter Nationalismus, soziale Schieflagen sowie die Kluft zwischen unversöhnlichen Gegnern und Befürwortern – als hätte das Quartett schon immer gewusst, dass die Verknorpelung der Menschheit nicht etwa von der relativen Mondfeuchte herrührt, sondern davon, dass die Leute nur warten, bis sie selbst mit Reden respektive Rumpöbeln dran sind, statt einander zuzuhören. Folglich las Sänger James Cox während der Corona-Zwangspause, als "Beware believers" praktisch vollendet auf Eis lag, statt Ian McEwans "Der Zementgarten" lieber dystopische Romane von Kurt Vonnegut oder J. G. Ballard. Nach dem grandios sauertöpfischen Debüt "Silver tongues" kommt es auf das bisschen mehr schlechte Laune schließlich auch nicht an.

Die gute Nachricht: Crows haben während des Lockdowns noch einmal ein Ohr auf ihren zweiten Longplayer geworfen, zusätzliche Schärfe bei den Arrangements draufgelegt und sogar ein paar beschwichtigende Streicher addiert – irgendwie lässt sich "Beware believers" nun mal auch als "Die Hoffnung stirbt zuletzt" lesen. Dennoch haben wir es hier mit einem ausgesucht missmutigen, zuweilen in gotische Sphären vorstoßenden Post-Punk-Bolzen zu tun, der vom ersten Augenblick an eine Drecksäule aus groben Wühl-Gitarren und bellenden Stakkato-Drums hochzieht. Jaulende Leads schmoren dabei ähnlich tief in der Hölle wie die abgehängten armen Teufel im rabiaten Einstieg "Closer still" oder dem nur vordergründig locker wompernden Beißzangen-Groover "Slowly separate". Noch rauer sind die Sitten im erwähnten "Garden of England", das ganze zwei Minuten braucht, um die reaktionären Betonköpfe im Schweinsgalopp vor die Wand zu fahren. Opferrolle rückwärts mit vielen blauen Flecken – hoffentlich tut's schön weh.

Genauso wie auf dem Vorgänger verstehen Crows also erneut keinen Spaß: Wo Yard Act ihren knorrigen Songs oft ein klöppeliges Rave-Ding beimischen und sich Fontaines D.C. auch einmal die Ruhe antun, schwitzt der Vierer in seinen mutmaßlich dunklen Hemden bis zum bitter lärmenden Ende. Auf eine finstere, von pointierten Riffs umkreiste "Healing" folgt garantiert bald der nächste Trümmerbruch, "Moderation" gibt sich alles andere als, nun ja, moderat und "Meanwhile" könnte fast das Erbe des großartig mauligen Durchhängers "Tired and failed" antreten, bevor auch dieses Stück krachend eins übergebraten bekommt. Erst zum Finale stoßen die Briten einen großen Seufzer aus – mit dem "Sad lad", der sich gedrückt über die Runden schleppt, meint Cox allerdings nicht sich selbst, sondern den von ihm verehrten US-Folker Daniel Johnston, der bereits mit 58 Jahren verstarb. Einer von vielen Verlusten auf einem Album, das in seiner bohrenden Konsequenz jedoch ein einziger Gewinn ist. Hoffentlich war es Zement.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Closer still
  • Garden of England
  • Slowly separate
  • Meanwhile

Tracklist

  1. Closer still
  2. Garden of England
  3. Only time
  4. Slowly separate
  5. Moderation
  6. Healing
  7. Room 156
  8. Meanwhile
  9. Wild eyed & loathsome
  10. The servant
  11. Sad lad
Gesamtspielzeit: 37:59 min

Im Forum kommentieren

Enrico Palazzo

2022-05-30 15:15:06

Dass das hier nicht mehr Zuspruch erfährt, seltsam. Ich bin gerade drüber gestolpert erstmals und mir macht das richtig Spaß! Endlich mal nicht son dröger Postpunk, sondern auch tanzbar und ein bisschen mehr nach vorne mit super Melodeien!

Ich sach mal 8/10 ist möglich!

noise

2022-04-24 11:06:37

Sehr gutes Album. Genau wie das Debut. So geht Post-Punk!

Armin

2022-04-13 20:37:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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