Cremation Lily - Dreams drenchend in static

The Flenser
VÖ: 15.04.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Eine Zumutung

Im Nachhinein ist es schon auf dem Cover deutlich, also noch vor dem ersten Ton von "Dreams drenched in static". Die Selbstbeschreibung liefert dann die Absicht, die hinter dem Release steckt, nochmal überdeutlich mit: Das neue Album von Cremation Lily verortet sich selbst an der Schnittstelle zwischen Bewusstsein und Zerfall. Aha. Harter Tobak also, den uns der Multiinstrumentalist Zen Zsigo mit seiner ersten Veröffentlichung auf dem US-Label The Flenser zumutet.

Wenn man das Gesamtwerk von Cremation Lily betrachtet, dann überrascht das allerdings nicht. Zsigos Musik vereint seit jeher verträumte, zugängliche Melodien mit aufwühlendem Krach. Seit 2015 ist dies noch intensiver zu spüren, denn da erlebte Zsigo ein einschneidendes Ereignis: Beim Baden im Meer wäre er beinahe ertrunken. Diese Nahtoderfahrung hat der Brite unter anderem bereits auf seinem Album "More songs about drowning" thematisiert. Und auch auf "Dreams drenched in static" wird nun schon beim Blick auf das Cover und bei den ersten Klängen klar, wie zentral diese Erfahrung für Zsigo und seine Musik noch immer ist.

"Dreams drenched in static" ist ein Album-Album geworden. Zwar stechen einige Songs hervor, aber die ausgeklügelte Dramaturgie wirkt am besten in voller Länge. Dass das streckenweise eine Zumutung wird, daraus macht Zsigo nie einen Hehl. Immerhin das Intro "Barely remembered" ist wie eine geduldig mit dem Piano begleitete Gnadenfrist, bevor die abseitige Welt von "Dreams drenched in static" passenderweise mit dem Titeltrack zum Verschlingen ansetzt. Der Song ist eine implodierte Mischung aus hymnischem Techno, konservierten Emo-Vocals und einer gnadenlosen Atmosphäre, die zwar im Hintergrund lauert, aber trotzdem immer dominant bleibt.

In diesem Stil breitet sich das Album auf Tracks wie "I'm done (Indefinite light)" und "Body on a lake" weiter aus, bis es sich auf "Moonlight doses" ein ruhiges Zwischenspiel gönnt. Stilistisch ist das eine echte Zäsur, denn die Songs, die danach kommen, heben sich in einer Hinsicht von den Vorgängern ab: Zsigos Stimme, die vorher noch fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt war, ist nun deutlich hörbar. Und auch inhaltlich betritt er ab "Selfless" eine persönlichere Ebene: "Nothing is good enough / No high is strong enough", klagt Zsigo sanft, aber auch brüchig, als wäre ihm schwindlig von der musikalischen Wand, durch die er grade Kopf voraus gestürmt ist. Das instrumentale "Overflowing velvet tide" wirkt danach wie eine letzte, verdiente Atempause vor dem Höhepunkt des Albums: Mit "I need to stop blaming myself" liefert Zsigo eine befremdliche Ballade ab, die meisterhaft mit selbstzerfleischender Offenheit und einem Schutzwall aus Störgeräuschen spielt. Der letzte Song "In pain, surrendering" klingt dann sehr versöhnlich aus, nahe am Geklimper, aber auch noch getragen von all der Wucht, die sich in den Vorsongs entladen hat.

Für eine uneingeschränkte Empfehlung ist "Dreams drenched in static" insgesamt etwas zu sperrig, aber wer sich für Musik begeistern kann, die sich selbst und die Zuhörenden nicht schont, der kann Cremation Lilys neuem Werk einige besondere Momente abgewinnen. Ein bisschen ist das Album vielleicht wie ein düsteres Theaterstück, in dem sehr viel geschrien wird. Immerhin leuchtet auch ein, wieso.

(Dominik Steiner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dreams drenched in static
  • Selfless
  • I need to stop blaming myself

Tracklist

  1. Barely remembered
  2. Dreams drenched in static
  3. Wavering blood
  4. I'm done (Indefinite Light)
  5. Body on a lake
  6. Moonlight doses
  7. Selfless
  8. Overflowing velvet tide
  9. I need to stop blaming myself
  10. In pain, surrendering
Gesamtspielzeit: 28:48 min

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Armin

2022-04-13 20:37:20- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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