Pup - The unraveling of Puptheband
BMG / WarnerVÖ: 01.04.2022
Nichts ist schön und alles tut weh
"The dream is over", soll Stefan Babcocks Arzt gesagt haben, als er dem Pup-Frontmann eine Zyste in den Stimmbändern diagnostizierte. Natürlich begruben die Kanadier ihre Karriere keineswegs und benannten stattdessen ihr zweites Album nach diesem Satz des Doktors – Babcock hatte schließlich bloß eine weitere Substanz gefunden, die er seinem brodelnden Gift-Cocktail aus Selbsthass und Weltekel hinzufügen konnte. All den Scheiß um uns herum sowie die Schäden mentaler Krankheiten in positiv mitreißende Noise-Pop-Punk-Singalongs zu verpacken, ist und bleibt Pups Modus Operandi. Daran ändert auch das skurrile Konzept der vierten Platte "The unraveling of Puptheband" nichts, das die vier Bandmitglieder zu einem "board of directors" umdeutet und sie in vierteljährlichen Meetings auf den Bankrott ihres "Unternehmens" zusteuern lässt. Zwischen den gewohnten Themen nimmt diese Musikindustrie-Satire jedoch nicht allzu viel Raum ein – vielleicht ist sie auch wieder nur ein Moment der Selbstverachtung, da die Jungs bei einem Major-Label eingespannt sind und das Album mit dem Grammy-prämierten Produzenten Peter Katis in dessen Anwesen aufnahmen. Dieser tritt hier tatsächlich fast wie ein Feind auf: Bläser, elektronische Texturen und Chöre verdichten sich zu einem über-komprimierten Chaos, gegen das Babcock mit leidendem Emo-Gesang und durch die Wolkendecken brechenden Schreien anzukämpfen scheint. Spoiler: Er gewinnt.
Zu Beginn sitzt er noch einsam am Piano und spielt seine "Four chords", ehe ihn ein orchestraler Herzinfarkt überrumpelt. Eine Finte, versteht sich: Pup wollen nicht plötzlich in die Fußstapfen der frühen Arcade Fire treten. Das hymnische Finale von "Totally fine" weist zwar auch in diese Richtung, doch ansonsten ist jener Song ein ganz typischer Brecher der Band, der die Zeilen "Lately I've started to feel / Like I'm slowly dying" zu einer kathartischen Hook verarbeitet. Was Babcock bei seinen ständigen Tauchgängen ins Selbstmitleid über Wasser hält, ist nicht zuletzt sein Humor. "Is there any room in your aorta / For a beta test?" fragt er im von zuckrigen Akustikgitarren eingeleiteten "Robot writes a love song" aus Sicht einer Maschine, welche die Überwältigung menschlicher Emotionen zu spüren bekommt. In "Matilda", das in seiner luftigen Melancholie samt cleaneren Saiten an den britischen Vierer Martha erinnert, nimmt er die Perspektive einer vernachlässigt im Koffer verstaubenden Klampfe ein: "George and his lover they gently weep / But I don't even get to breathe." Ein eher weniger zündender Witz ist der erstaunlich billig programmierte Beat von "Habits", auch wenn sich Pup flott darum bemühen, ihn unter ihrem Krach zu begraben.
Man muss in diesem Sinne ganz klar festhalten, ob es nun an Unzulänglichkeiten von Katis liegt oder eine konzeptionelle Idee dahintersteckt: "The unraveling of Puptheband" klingt leider echt nicht gut. Allerdings ist es auch eines dieser Alben, bei denen keine noch so bescheidene Produktion das große Songmaterial darunter kaputtmachen kann. Mehr als dagegen anzusingen kann man ja eh nicht. "Fuck all the dread / It's endless", heißt es gemeinsam mit Illuminati Hotties' Sarah Tudzin im etwas gemäßigter daherkommenden "Relentless". Im Kontrast dazu steigert die zweite Plattenhälfte die Wucht nochmal ordentlich. "Waiting" bolzt sich durch geradezu Thrash-Metal-artige Riffs zu einem besonders euphorischen Refrain, bevor "Grim reaping" mit fiesem Bass eine Postcore-Schlagseite entwickelt. Selbst "Cutting off the corners", die Pup-Version einer Ballade, ertrinkt nach der Halbzeit in einem Stahlbad aus Verzerrung. Den gewaltigsten Abriss hebt sich das Quartett für den Schluss auf und setzt dem Noise-Gewitter von "Puptheband Inc. is filing for bankruptcy" mit einem schiefen Saxofon-Solo die Krone auf. Babcock liebäugelt hier mit einer alternativen Karriere als Versicherungsvertreter, nur um doch voller Inbrunst zu deklarieren: "There's no place I'd rather be instead / Even though everybody here is fucked in the head." Woanders ist halt auch scheiße.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Matilda
- Waiting
- Puptheband Inc. is filing for bankruptcy
Tracklist
- Four chords
- Totally fine
- Robot writes a love song
- Matilda
- Relentless
- Four chords pt. II: Five chords
- Waiting
- Habits
- Cutting off the corners
- Grim reaping
- Four chords pt. III: Diminishing returns
- Puptheband Inc. is filing for bankruptcy
Im Forum kommentieren
kiste
2022-08-13 13:02:10
Höre immer wieder gern rein und sind einige Ohrwürmer dabei die ich gern mal im Alltag vor mir „hinsumme“ :)
kiste
2022-04-15 19:52:28
…war noch nicht fertig :/ Jedenfalls, finde ich so ziemlich alles am Bandpaket sympathisch doch die Musik auch irgendwie anstrengend, kann aber nicht so recht sagen, woran das liegt.
Die Unraveling Platte ist echt ne schöne wilde Nummer mit so viel zu entdecken, dass es einfach Spaß macht sich damit zu beschäftigen. Nach der neuen Voivod läuft zur Zeit PUP bei mir.
kiste
2022-04-15 19:45:38
Ich bin bei PUP auch eher zwiegespalten
Peacetrail
2022-04-14 20:45:30
Hab schon in den anderen Threads gelesen, dass viele PUP anstrengend finden. Geht mir aber nicht so. Ich finde auch Morbid Stuff super, die alten Sachen kenne ich noch nicht.
diggo
2022-04-14 19:14:19
Es geht mir wie immer bei PUP… irgendwie begeistert mich das schon - tolle Melodien und unterhaltsame Texte, aber nach 4-5 Songs nervt mich die Stimme des Sängers so fest, dass ich ausschalten muss. Geht das sonst noch jemandem so?
Ich werde dem Album aber sicher noch ein paar Chancen geben…
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