Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys - Mille grazie
Electrola / UniversalVÖ: 08.04.2022
Alpen, Adria und Aperol
Ein bisschen Fernweh in den heimischen vier Wänden darf ja wohl erlaubt sein – ganz besonders im Jahr 2022, wo vermutlich die eine oder andere schon vor Jahren erledigte und seitdem andauernd verschobene Urlaubsplanung plötzlich aus welchem Grund auch immer erneut zu platzen droht. Life happens, shit happens, whatever. Im Zweifel nicht zu ändern, wohl aber mit der jeweils passenden Musikkapelle ja vielleicht zumindest zu lindern. Ein Ruf des Schicksals, dem natürlich auch die selbsternannten Halbgötter des Italo-Schlagers pünktlich zum Frühling ganz und gar pflichtbewusst nachkommen. Mit "Mille grazie" präsentieren Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys knappe zwei Jahre nach ihrem Debüt "Greatest hits" ihren zweiten Longplayer, der thematisch selbstverständlich nichts anbrennen lässt. Sprich: Es wird sich in allerfeinster Manier durch Land, Leute und Klischees aus Italien gesungen und geschunkelt – immer mit einem kleinen Schwips vom Bitterlikör der Herzen, versteht sich.
Dabei verhält es sich auch auf Streich Nummer Zwei der sonderbar-charmanten Truppe wie auch schon auf "Greatest hits": Wer das entsprechende Augenzwinkern walten lässt und ein Album wie dieses zu nehmen weiß, wird an vielen Stellen herrlichst unterhalten. Zum Beispiel im amüsanten Opener "Brennerautobahn", der in vier Minuten Spielzeit die Blechlawinen-Hölle gen Süden zum Start der Sommerferien süffisant in einer synthgetränkten Soundcollage zum Leben erweckt. "Auf der Brennerautobahn / Seh' ich uns nach Süden fahren / Und im Fahrtwind schon der Duft vom vollen Strand" ist der Motivations-Leitfaden, während es auf überfüllten Straßen mit vollgepackten Autos in das piefige Urlaubsparadies geht. Absurd, ja, aber eben auch mit reichlich Funken Wahrheit versehen. Einmal angekommen, zelebriert das tolle "Quanto costa" mit gewohnt tiefsinnigen und höchst philosophischen Zeilen wie "Was kostet Amore? / Quanta costa die Liebe zu Dir?" das Spiel der Herzen – und ist dabei tatsächlich ein instrumental äußerst schmuck ausgestattetes Stück mit sanften Gitarrenlicks, Bläser-Einsätzen und einem lässig, aber bestimmt nach vorne groovenden Schlagzeug. Schöner kann man den obligatorischen, sommerlichen Antipasti-Abend mit Freunden wohl kaum untermalen. Gleiches gilt für das beschwingte "Bella Napoli", das sich als sommerliche Liebeserklärung an die namensgebende Metropole voll und ganz dem Schlager hingibt und zwar etwas ziellos, aber eben auch voller Freude in die neapolitanische Nacht hineintanzt. "Ein bisschen Glück liegt im Schatten des Vesuvs."
Klingt also zunächst einmal nach einem perfekten Ferientrip ins mediterrane Wunderland – allerdings enthält "Mille grazie" auch eine weitere Parallele zum typischen Urlaubsfeeling: Ist man zu lange am selben Ort, verliert das Ganze irgendwann den Reiz, der Lagerkoller setzt ein. Sinnbildlich dafür ist besonders die zweite Albumhälfte nicht mehr ganz so knackig, nicht mehr ganz so charmant und unterhaltsam wie die Hit-Salve zu Beginn. "Miami Beach" und "Giro" wirken etwas ziellos und von zu viel Chianti geradezu verkatert, während das Abschluss-Duo "Cosenza bei Nacht" und "Sprizz" den Bogen auf der Zielgeraden etwas überspannt und redundant wirkt – es hätte "Mille grazie" gut getan, mit dem hübschen und komplett auf Italienisch gesungenen "Amore sul mare" zu enden. Letztendlich blendet man die mauen Momente dann ja aber rückblickend sowieso meistens aus – was dann bleibt, ist ein erneut schräger, weingetränkter, aber doch auch schöner Trip durch Bella Italia.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Brennerautobahn
- Quanto costa
- Bella Napoli
Tracklist
- Brennerautobahn
- Quanto costa
- Werbung
- Bella Napoli
- Tage am Pool
- Miami Beach
- Radio Ipanema
- Colapablo
- Giro
- Amore sul mare
- Cosenza bei Nacht
- Sprizz
- Sic transit gloria mundi
Im Forum kommentieren
led_tasso77
2023-09-10 15:09:03
Großer Bon Iver Fan hier. Aber für heiße Sommerfahrten oder Sommerabende war und ist das doch die perfekte Musik! Einfach kurzweilige gute Laune und mitsing Refrains.
Sich einfach mal selber nicht zu ernst nehmen.
XTRMNTR
2022-08-26 14:22:22
Witzige Band, die für paar laue Sommerabende tatsächlich viel Spaß macht.
Der geneigte Bon Iver-Fan kriegt hier natürlich direkt Fußpilz.
Fiep
2022-08-19 21:36:56
Bin da bei MartinS und Pornelius.
Trotz der aufmachung und allem bleibt es schlager, und dabei auch irgendwie edoppelt abgedroschen wen das konzept mal außen vor genommen wird.
Kenn ja auch wen deres mag, versteh ich bis heute nicht.
musie
2022-08-19 17:20:47
Waren Virginia Jetzt! Ironie? Nein. Eben!
musie
2022-08-19 17:18:42
Muss auch nicht Ironie sein, wieso auch.
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