Ätna - Push life
Humming / MembranVÖ: 01.04.2022
Augen des Saturn
Als H.P. Baxxter seinerzeit "Hyper hyper" proklamierte, konnte er nicht ahnen, dass er recht behalten würde. Knapp 30 Jahre später ist das Präfix aus Leben und Kultur nicht mehr wegzudenken. "Mega" und "super" sind Schnee von gestern, heutzutage muss alles "hyper" sein. Auch und gerade die Popmusik. Was mit Sophie begann, hat sich zum globalen Trend entwickelt. Das Dresdener Duo Ätna produziert Klänge, die perfekt in die Zeit passen. Auf seinem neuen Album "Push life" finden hämmernde Beats, gepitchte Vocals und allerhand Verrücktes in mitreißender Manier zusammen.
Ätna bestehen aus dem Produzenten Demian Kappenstein und der Sängerin Inéz Schaefer. Ersterer versteht sein Handwerk meisterlich. Seine Beats besitzen nicht nur einen hohen Wiedererkennungswert, sondern warten mit zahlreichen Überraschungen auf. Immer wieder schlagen die Songs unerwartete Haken, ohne dabei das Ziel aus dem Blick zu verlieren. Nachzuhören ist das beispielsweise in "Weirdo", einer ebenso tanzbaren wie manischen Reise ins Abseitige, an welcher die "Techno-Marching-Band" Meute beteiligt war. "I see love" erinnert hingegen mit seiner pumpenden Basslinie an eine gewisse Billie Eilish, eine bloße Kopie bleibt es zum Glück aber nicht. Dazu ist das Arrangement viel zu ausgefuchst.
Grandios ist auch die Gesangsleistung von Inéz Schaefer. Der Effektwolf läuft auf Hochtouren, dennoch bleiben die Melodien stets nachvollziehbar. Wer nicht bis zum nächsten Werk von Karin Dreijer warten möchte, sollte dringend zu Ätna greifen. Kein einziger Song ist länger als vier Minuten. Ideen werden nicht ausgewalzt, sondern auf kleinstmöglicher Fläche präsentiert. "Autobahn" braucht gerade einmal knapp zwei Minuten, um dem Hörer unmissverständlich klarzumachen, dass keine Kompromisse gemacht werden. Ätna wissen jedoch, dass man nicht immer nur dahinrasen kann, was zu Verschnaufpausen wie dem trippigen "Flow" führt. Auch hier sitzt jeder Ton.
"Push life" macht Spaß, so einfach ist das. Und zwar die Sorte Spaß, die einem Augenringe gibt, auf die der Saturn neidisch ist. Wenn "Anymore" losprescht, gibt es kein Halten mehr. Auch dissonantere Tracks wie das herrlich wirre "Trick by trick" ziehen ob ihrer präzisen Klangästhetik sofort in den Bann. Und irgendwie stellt sich auch Dankbarkeit ein. Dankbarkeit dafür, dass Pop aus deutschen Landen eben doch nicht nur aus verkrampftem Befindlichkeitsgedusel besteht. Ätna verdienen es, gehört zu werden. Falsches Verb. Ätna verdienen es, gefeiert zu werden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Anymore
- Aye aye
- Weirdo (feat. Meute)
- I see love
Tracklist
- Anymore
- Smile
- Trick by trick
- Aye aye
- Lonely
- Weirdo (feat. Meute)
- I see love
- Autobahn
- Flow
- Goodbye
Im Forum kommentieren
peter73
2022-04-12 12:52:24
die stimme ist maximal ok, kommt aber niemals an dreijer ran. never.
schlimmer aber - bei der kurzen spielzeit sindgleich 2 totalausfälle ("smile" & "trick by trick" )... und der rest? naja. das ist hochglanzelektropop für 17-jährige kiddies, die auch gerne hiphop-klischees in der disco hochhalten.
4/10
besser hören: die ersten 3 alben von the knife.
myx
2022-04-07 09:32:11
Danke, Autotomate, werde ich gerne checken.
Autotomate
2022-04-07 09:07:21
Mich hat damals dieses Try von der "Made by Desire" angefixt, das aber nicht gerade dem Durchschnittssound der Band entspricht...
myx
2022-04-07 08:54:31
Ich werde auch bald in das Album reinhören, die Rezi hat mein Interesse geweckt. Kenne noch überhaupt nichts von Ätna.
Autotomate
2022-04-07 08:47:27
Schön, dass die Neue – im Gegensatz zur sehr empfehlenswerten "Made by Desire" – hier eine Rezension bekommen hat. Freu mich drauf, sie bei nächster Gelegenheit durchzuhören, auch wenn mich die diversen vorab veröffentlichten Songs erst mal nicht unbedingt begeistert haben.
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.