Machine Gun Kelly - Mainstream sellout

Interscope / Universal
VÖ: 25.03.2022
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Ennui of the state

"Pop-Punk ist Musik von 40-Jährigen, die sich für 20 halten, die gehört wird von 25-Jährigen, die sich für 15 halten": Nur eine der zahlreichen Wahrheiten, die ein weiser Mann namens El Hotzo neulich verkündet hat. Passt aber unmittelbar zu "Mainstream sellout", dem zweiten Pop-Punk-Album von Emo-Rapper-turned-Tom-DeLonge-für-zu-spät-Geborene Colson Baker, besser bekannt als Machine Gun Kelly. Dafür hat dieser sich wieder ordentlich Unterstützung geholt: Der neue Verbund der 2000er-Resteverwertung rund um die wiederauferstandene Avril Lavigne, Hollywood-Punk Willow Smith und Travis Barker rückt für Bakers neusten Streich fast geschlossen an – während KennyHoopla, der Talentierteste dieser ganzen Brigade, immer noch kein richtiges Debütalbum herausgebracht hat. Es ist fast ein bisschen zum Heulen. Womit wir beim Thema wären.

Baker selbst hat zuletzt primär wegen seiner Verlobten Megan Fox und der Performance beim NHL All-Star Game 2022 im Rampenlicht gestanden. Also für das Ausleben von klassischen Träumen einer noch sehr jungen und vorwiegend männlichen Hörerschaft. Trotzdem scheint er latent unglücklich zu sein, wie er seinem Publikum nun weismachen will. Auf dem Cover der physischen Edition von "Mainstream sellout" sieht Baker aus, als sei er geradewegs aus Nirvanas "Bleach" oder zumindest "Superfuzz Bigmuff" von Mudhoney geklettert. Edgy und sad also, so wie es sich gehört, und weniger wie Lavigne auf "The best damn thing", woran die Ästhetik des Tomatenhagel-Artworks der Digitalversion erinnert. Schon den Opener "Born with horns" knüppelt Blink-182-Drummer Travis Barker dann in Grund und Boden. Schnellt fällt auf: Auch mit renommiertem Experten-Back-up und zahlreichen Features ist Baker nicht in der Lage, auf lange Sicht starken oder auch nur soliden Pop-Punk zu produzieren. "Mainstream sellout" fällt gegen "Tickets to my downfall", das zumindest den Überraschungseffekt noch auf seiner Seite hatte, merklich ab.

Während der Titeltrack und so manch anderes Stück, allen voran "Emo girl" zusammen mit Smith, durchaus anständige Klopper abgeben, ist der Großteil des Albums schlicht langweilig. Spannender: Ob Fox und Smith jetzt eigentlich beste Freundinnen sind? "God save me" lässt die Beteiligung Barkers als Co-Songwriter sehr deutlich werden, während Baker sich diesmal göttlichen Beistand in seinem Werben um ein "Goth girl" wünscht. "Papercuts" ist einer dieser "Where is my mind?"-Klone, die viele Künstler, die jetzt endlich mal Rock machen wollen, unbewusst kreieren – die Akkordfolge scheint einfach sehr intuitiv zu sein. In "Drug dealer" darf zwischendrin Lil Wayne ein wenig herumnölen – genau, der Lil Wayne, von dem man behauptet, dass er den Rock'n'Roll mit seinem legendären Gitarrensolo im Alleingang getötet hat. Vielleicht nicht die passendste Wahl für so ein Album. Aber in "Ay!", das wenigstens obendrauf eine halbwegs coole Gaststimme auffährt, kommt der Gute sogar wieder. Die Masse macht's.

Bakers Stimme ist in den meisten der 16 Stücke monoton und trotz gelegentlichem Autotune ausdrucksschwach, sodass Oliver Sykes von Bring Me The Horizon im gelungenen "Maybe" dagegen richtig heraussticht und Willow Smith sowieso alle Beteiligten an die Wand singt. Die Musik lebt vom Zitieren und Kopieren – "leben" in Anführungszeichen, denn als authentischer Songwriter bleibt Baker blass, was gerade im Holzhammer-Emo-Outfit, das er darstellen will, enttäuscht. Ob diese allgemeine Ungefährlichkeit und Belanglosigkeit die Gründe sind, warum die Platte nicht länger, wie zunächst angekündigt, "Born with horns" heißt? Klar, der Titel "Mainstream sellout" soll ironisch klingen und den Künstler selbst karikieren – derselbe Humor, wie wenn eine Wald-und-Wiesen-Punk-Kapelle ihre erste Demo "Greatest hits" nennt. Baker liefert dennoch genau die Mucke, die 2002 auch in Deutschland für die meisten CD-Verkäufe in den Media-Control-Charts gesorgt hätte. Was er bewusst tut – die doppelte Meta-Ebene ist ja schon wieder irgendwo brillant. Es stellen sich jedoch Bedenken ein, ob er mit diesem lauwarmen Aufguss in der Hochzeit des Genres bestanden hätte.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Maybe (feat. Bring Me The Horizon)
  • Emo girl (feat. Willow)
  • Sid & Nancy

Tracklist

  1. Born with horns
  2. God save me
  3. Maybe (feat. Bring Me The Horizon)
  4. Drug dealer (feat. Lil Wayne)
  5. Wall of fame – Interlude
  6. Mainstream sellout
  7. Make up sex (feat. blackbear)
  8. Emo girl (feat. Willow)
  9. 5150
  10. Papercuts
  11. WW4
  12. Ay! (feat. Lil Wayne)
  13. Fake love don't last (feat. Iann Dorr)
  14. Die in California (feat. Gunna, Young Thug & Landon Barker)
  15. Sid & Nancy
  16. Twin flame
Gesamtspielzeit: 40:25 min

Im Forum kommentieren

Arne L.

2024-12-17 12:13:08

Ich find seine Pop-Punk-Sachen leider unsäglich. Als Rapper mochte ich ihn zwar auch nicht, aber immer noch deutlich lieber.

Francois

2024-12-17 11:58:02

als pop-punk fan der ersten Stunde fand ich seine Sachen (wohl auch dank Travis Barker) richtig gut. Gerade im Sommer laufen die letzten beiden Alben auf heavy rotation.
Live war das auch ganz cool!

Vennart

2024-12-16 21:38:07

Ich habe trotz der offensichtlichen Peinlichkeit dieses Clowns irgendwie einen soft spot für den :D
Aber Arne, der von dir verlinkte Song wäre von einer anderen Person vielleicht ok aber ich kaufe MGK so eine Rolle halt gar nicht ab und muss da einfach nur lachen, wenn ich den da rumhampeln seh.

Aber diesen Song aus 2024 finde ich echt gut, die zurückgelehnte Mac Miller-Schiene sollte der mehr fahren, flowen kann der ja schon.

https://www.youtube.com/watch?v=RRLAiwPgukI


Und “Bloody Valentine“ mag ich auch, wobei das auch vor allem am tollen Tony Hawk‘s Pro Skater 1+2 Remake liegen könnte.

Megan Fox und MGK und wie die sich immer als tiefgründiges edgy Paar inszeniert haben, war aber auf jeden Fall immer für unterhaltsames Fremdschämen gut, hoffentlich kommt der wieder zu Sinnen, vor allem der Kinder wegen.

Rhyton

2024-12-15 22:15:35

Hat in New Girl mitgespielt, war witzig. Die ist schon in Ordnung.

Arne L.

2024-12-15 22:11:45

Also wenn du sie nicht gerade persönlich sehr gut kennst, ist das nicht eine reichlich oberflächliche Meinung? :D

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