Kittin - Hacker - Third album

Nobody's Bizzness
VÖ: 25.03.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Strenge Mädchen, coole Jungs

"Coronalingus is having sex during COVID-19." Danke, aber so genau wollten wir es eigentlich gar nicht wissen. Oder doch? Zumindest scheint diese Assoziation nicht ganz abwegig, wenn Caroline Hervé in "19", dem Opener ihres zweckmäßig benannten dritten Longplayers mit Michel Amato alias The Hacker, verführerisch "If you're home alone / And you're hungry like a wolf / Come on let's have a shake" französelt. "Frenchies do it better", wie die Miss aus Grenoble, die inzwischen nur noch als Kittin firmiert, 2008 auf "Batbox" wusste. Es wäre eine willkommene Abwechslung, nachdem "Cosmos" zuletzt verstärkt mit Quantenphysik, Multiversum und Existenzialismus mauschelte. Dazu fauchen die Beats fast so giftig wie einst bei Death In Vegas' "Hands around my throat", und auch Amato hat hörbar Freude an dem knochentrockenen Techno-Minimalismus, der bereits sein letztes Album "Le théâtre des opérations" mit angemessen kraftwerkigen Stücken wie "Dancing mekanik" bestimmte. Weniger ist manchmal eine ganze Menge.

So viel zur Marschrichtung des Albums mit überschaubaren acht Tracks: Hier bleibt genauso wenig Zeit für Katzenstreu und Fledermauskot wie für charmante Albernheiten wie die "Suspicious minds"-Coverversion aus "Two" oder electroclashiges Automarken-Namedropping der Sorte "Meet Sue be she". Das Duo muss nämlich schnell los. In diesen einen Berliner Club, wo Handyfotos verboten sind und oft auch der coolste Elektro-Scheiß aus den Achtzigern in die Tüte kommt – wie hieß er noch gleich? Egal, Andrea Berg und Peter Hain, Verzeihung Hein werden's schon wissen. Hauptsache, es läuft dort genauso ungerührt rotierender Analog-Bumms wie das fantastische "Ostbahnhof", bei dem aus der französisch-französischen vorübergehend eine Deutsch Amerikanische Freundschaft wird. Noch anthrazitgrauer treibt es der satte synthetische Post-Punk von "La cave", der ebenso aus dem Jahr herübergebeamt sein könnte, das Hervés und Amatos erstem gemeinsamem Hit "1982" den Titel gab.

Eine reine Retro-Veranstaltung also? Keineswegs: Zu scharf und unversöhnlich geht der knarzige Brecher "Malade" samt durch den Verzerrer gedrehten Vocals und industriellen Percussion-Shots zur Sache, als dass sich nur im Entferntesten ein Gefühl wohliger Nostalgie einstellen würde. Ganz und gar von heute ist auch der catchy Klopfer "Purist", in dem selbst Amato seine Coolness kurz gegen flockigen Pop-Appeal eintauscht, während Hervé mit den Worten "I may be trapped in '84 / You were not even born" streng das jugendliche Party-Volk vergattert, das ständig die neueste Trendsau über die Tanzflächen jagt. Denn was spricht dagegen, "purist to the core" zu sein, wenn ein stets souveränes Album wie dieses die eigenen Einflüsse so treffend neu bewertet? Und damit wirklich alle davon zu Ehren kommen, macht "Soyuz" zum Schluss nicht etwa einen Abstecher nach Russland, sondern ins Neunziger-Electro-Detroit von Drexciya und Juan Atkins. Schön frostig dort – doch im Grunde passt "Third album" überall hin.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ostbahnhof
  • Malade
  • Purist

Tracklist

  1. 19
  2. Ostbahnhof
  3. Homme à la mode
  4. La cave
  5. Malade
  6. Purist
  7. Retrovision
  8. Soyuz
Gesamtspielzeit: 41:04 min

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Armin

2022-03-23 21:20:00- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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