Brandon Boyd - Echoes & cocoons

Wit Hustle / The Orchard
VÖ: 11.03.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Sounds in the digital forest

Eigentlich habe er gar nicht vorgehabt, ein neues Soloalbum zu veröffentlichen, gibt Brandon Boyd zu Protokoll. Aber dann, Ihr wisst schon: Stillstand, Quarantäne – und Inspiration. Entspanntes Cocktailschlürfen in der Sonne war gestern, der Incubus-Frontbeau entführt nun in eine Parallelwelt zwischen Stahlwerk und Katerstimmung. Schon der verschroben-elektronische Opener "Dime in my dryer" fällt mit der Tür ins Haus und eröffnet "Echoes & cocoons", Boyds zweiten Streich unter eigenem Namen, mit ungewohnten Klängen. Diese durchaus von TripHop inspirierte Behandlung erfährt auch das folgende "A better universe", aber mit eingängigerem und unwiderstehlichem Refrain, in dem besonders das weiterhin alterslose und glasklare Organ des Sängers zur Geltung kommt. Noch dazu mit dem Diss des Jahres: "Sorry, but it's a better universe without you in it / Did you read the book or did you just see the movie?" Autsch. Boyd löst sich von Incubus' zu einem gewissen Zeitpunkt etwas austauschbar gewordenem Alternative Rock gleichermaßen wie von den warmen, oftmals akustischen Klängen von "The wild trapeze" und seinem Nebenprojekt Sons Of The Sea.

Thom Yorke oder Björk wären mit einem Stück wie "Two months and a day", das nicht anschmiegsam, sondern möglichst ungemütlich sein will, bestimmt auch glücklich geworden, hätten dessen Steigerung vielleicht weggelassen, die geloopten Sprachsamples aber sicherlich mitgenommen. "Two months and a day is too long for lovers not to play." Irgendwo zwischen Ambient und Indie-Drama-Soundtrack wächst die Vorab-Single "Pocket knife" zu einem herrlich um die Ecke gedachten Highlight. Und ganz in Breakbeats, Jazz und Tiefkühltruhe fallen lässt Boyd sich dann in "New dark age", das nach allem, nur nicht nach der sonnigen kalifornischen Heimat seines Schöpfers klingt. Gitarren gibt es auf "Echoes & cocoons" selten zu hören, der auch als Literat und bildender Künstler tätige 46-Jährige erweitert seinen musikalischen Horizont ganz bewusst. Das erhabene "More better" beschwört entfernte Erinnerungen an Radioheads "Creep" und "Ad infinitum" pfeift sich durch einen James-Bond-Vorspann, während "Petrichor" vor allem gesanglich richtig freidreht. Nun ist Eklektizismus bei Incubus zwar auch nicht verboten, auf diesem Album aber wird Boyd einmal ordentlich von der Leine gelassen.

Eine Entschuldigung, warum er neulich zusammen mit Awolnation den unsäglichen Scorpions-Gassenhauer "Wind of change" verwurstet, der Deutschen liebster Feuerzeughymne aber nichts Neues hinzugefügt hat, bleibt Boyd seinem Publikum zwar schuldig. Aber spätestens, wenn er im Aphrodite's-Child-Cover "End of the world" zeigt, welche herausfordernden Gesangslinien er zu meistern imstande ist, und sich Piano und Noise-Übergriffe zu einem spannenden Miteinander vereinen, sind sich alle einig, dass Brandon Boyd ein Guter ist. Findet bestimmt auch seine nicht näher benannte Freundin, von deren Einfluss auf den Entstehungsprozess er in den höchsten Tönen schwärmt und die ihm den nötigen emotionalen Support gegeben hat, in Quarantäne mit "Echoes & cocoons" Neuland zu betreten. Das Album ist in Zusammenarbeit mit Produzent John Congleton, der für seine Kooperationen mit unter anderem Lana Del Rey oder St. Vincent bekannt ist, vorrangig am Laptop entstanden, und das hört man. Aber als Freischwimmen von Erwartungshaltungen und spaßiges Ausprobieren von kruden Ideen, seien es nun weltentrückte Synths und Samples oder gegen den Strich gebürstete Gesangslinien, funktioniert es tadellos.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • A better universe
  • Pocket knife
  • Two months and a day

Tracklist

  1. Dime in my dryer
  2. A better universe
  3. Pocket knife
  4. Two months and a day
  5. More better
  6. Ad infinitum
  7. New dark age
  8. Fly on your wall
  9. Petrichor
  10. End of the world
Gesamtspielzeit: 40:10 min

Im Forum kommentieren

Affengitarre

2023-01-11 12:59:33- Newsbeitrag

Arne L.

2022-05-12 12:30:26

Finde "Dime in my dryer" direkt zum Einstieg das Highlight.

cargo

2022-03-18 18:08:32

Gar nicht mal so übel und das Album wäre sogar noch besser, wenn das schauderhafte "Ad Infinitum" nicht drauf wäre.

didz

2022-03-16 22:03:19

hatte gar nich aufm schirm das das ding schon erscheint, na dann gleich mal reinhören :-)

Armin

2022-03-16 20:20:07- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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