Vitalic - Dissidænce (Episode 2)

Clivage / Citizen / Al!ve
VÖ: 04.03.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Noch mal mit Gewühl

Corona-Krise? Party-Verbot? Club-Sterben? Nicht mit Pascal Arbez-Nicolas. Der Franzose hat nämlich eine alles andere als taufrische, aber dafür ziemlich effektive Idee und ruft zum "Dancing in the streets" auf, nachdem er alle Gegner des zivilen Ungehorsams mit einem saftigen "Boomer OK" abgewatscht hat. Schließlich steckt bei "Dissidænce" die Revolte bereits im Titel. Stampft kaputt, was Euch kaputtmacht. Feiner Zug also, dass der Vitalic-Mann dem Publikum nach dem ersten Teil seines jüngsten Longplayers eine Verschnaufpause gegönnt hat, aber mit Episode 2 ein schlappes halbes Jahr später umso saftiger reinhaut. Und so geht es ganz im Sinne der "Danger, danger"-Warnung im bouncigen Episode-1-Rausschmeißer "Carbonized" weiter beziehungsweise wieder los: "Sirens" täuscht kurz das Intro von Light Asylums "Dark allies" an, nur um dann drohende Alarmsignale durch die Luft sirren zu lassen – fertig ist ein gefriergetrockneter, analog abzischender Mitmüsser. One foot in da rave? Reicht hier hinten und vorne nicht.

Nein, für verspielte Orgel-Hüpfereien wie "Wooo" aus "OK cowboy" oder den fluffigen Elektro-Pop von "Waiting for the stars", das es sogar in die Automobil-Werbung schaffte, ist auch auf "Dissidænce (Episode 2)" kein Platz. Gehüpft wird trotzdem – und wir hüpfen mit. Es bleibt gar nichts anderes übrig. Ebenso wenig beim erwähnten "Dancing in the streets", wo Arbez-Nicolas seinen Stimmprozessor über sämtliche Tonhöhen zieht, während spacige Blubberbässe sprotzen und eine eiertanzende Mehrfinger-Sequenz zusehends eskaliert. Die Kurve zum unaufhaltsam vorwärtspreschenden Banger mit Stachelhalsband bekommt aber auch dieses Stück mühelos, und an den Gedanken, dass ein solcher "Rave against the system" auch die eine oder andere durchgeschmorte Festplatte nach sich ziehen könnte, hat man sich zu diesem Zeitpunkt längst gewöhnt. Der strenge Industrial-Punch von "The void" schmurgelt jedenfalls verdächtig – wirft aber auch den Drehzahlbegrenzer an, um Ärgeres zu vermeiden. Glück gehabt.

Doch man kann sich zu "Dissidænce (Episode 2)" drehen und wenden, wie man will: Diese Tracks funktionieren am besten mit der Lizenz zum Ausrasten und sind so gut, wie sie tanzbar sind. Weiteres Paradebeispiel: "The light is a train", dessen Robotnik-Vocals zwar keine neuen fatalistischen Erkenntnisse bringen, das aber so hektisch new-wavig klingelt und scheppert, als würden die frühen Achtziger mit dem Kuhglocken-Arsenal von DFA Records herumdengeln. Allesamt triftige Gründe, sich so bald wie möglich wieder ins Gewühl technoid beschallter Zappelbunker zu stürzen – manchmal reichen nun mal ein paar pointierte Schlagworte mit imperativem Unterton aus, um den Bewegungsapparat zum Moussieren zu bringen. Und schweigen ganz zum Schluss in "Winter is coming" plötzlich die Beats zu kosmischen Flächen, gehen wir einfach von einem Hofknicks in Richtung von Arbez-Nicolas' musikalischen Altvorderen aus statt von steigenden Inzidenzen. Jean-Michel Jarre wird das schon regeln – für alles andere gibt es dieses Album.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sirens
  • Dancing in the streets
  • The light is a train

Tracklist

  1. Sirens
  2. Dancing in the streets
  3. Friends & foes
  4. The void
  5. The light is a train
  6. Marching
  7. Winter is coming
Gesamtspielzeit: 30:01 min

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Herr

2022-10-22 22:45:24

Selten so viel Druck gen Dancefloor gespürt

peter73

2022-03-10 13:23:51

episode 1 & 2 hintereinander weg und die discokugel glüht!
einzeln ist das zwar auch fein, aber ein bisschen zu kurz um sich vollends ins nirvana zu raven :)

Armin

2022-03-09 19:48:17- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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