Oh Hiroshima - Myriad

Napalm / Universal
VÖ: 04.03.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Überwintern

Jakob Hemström und Schlagzeuger Oskar Nilsson aus dem schwedischen Kristinehamn sind nunmehr bereits seit 15 Jahren als Oh Hiroshima unterwegs. Die Bezeichnung Post-Rock, unter der die ehemals als Fünfer auftretende Band oft summiert und gerne auch in einem Atemzug mit den Hauptakteuren des Genres genannt wird, trifft auf ihr viertes Album jedoch nur noch bedingt zu. Denn obgleich sich "Myriad" zweifelsohne stiltypisch ausufernder, epochaler Strukturen bedient, wurzeln Gesang und Gitarren vielmehr in einer Art heavy Variante von Dreampop, allerdings ohne zu bösem Blackgaze oder Ähnlichem zu mutieren. Will heißen: Wer sich schon immer gefragt hat, was wohl dabei herauskäme, wenn man Slowdive einen Winter lang mit einem großen Vorrat Selbstgebranntem und ein paar Post-Punk-Klassikern im Trekking-Rucksack in eine schwedische Holzhütte in den Bergen einsperren würde, ist nun schlauer.

Denn primär geht es hier darum, sich in Abgrenzung gegen die Naturgewalten gegenseitig mollig warm zu halten: Das dezent elektronisch angehauchte "Nour" fährt euphorische Bläser auf, die mit ihrer Erhabenheit allein das dickste Eis zum Schmelzen brächten. "Veil of certainty" verpflichtet sich anschließend einem straighteren Post-Rock-Sound mit peitschenden Drums, der auch Maybeshewill gut zu Gesicht stünde, dank Hemströms Beinahe-Crooning aber eher im Club als im Kino beheimatet ist. Dort ließe sich abwechselnd moshen und zu sphärischen Mini-Epen wie "Ascension" vom nächsten Frühling träumen – auch wenn man sich unweigerlich fragt, wie die Musiker mit ihren pelzigen Trapper-Stiefeln denn so passgenau die Fußpedale treffen.

Oh Hiroshimas Genre-Bastard nimmt so zwischen einigen Stühlen Platz, sitzt auf allen aber recht bequem. Insbesondere die Single "Humane" wird mit ihren post-punkigen Vibes zu einem kleinen Meisterwerk, an dessen Ende die Gitarren alles zerfräsen und die zurückgekehrten, jenseitigen Bläser vergeblich dagegen anzukommen versuchen. Ob Hörer*innen bald von "Post-Crossover" sprechen werden? Die oft beschworene skandinavische Einsamkeit können und wollen jedoch auch Oh Hiroshima nicht abstreifen: Die "Tundra" liegt schlussendlich "black as night" vor ihnen, weitläufig und leer, und Hemstörm vernimmt nur noch "the voice of a nightingale", während eine flirrende Gitarrenlinie gespenstisch durch die Nacht schwebt. Am besten erstmal ein Lagerfeuer machen, notfalls auch mit dem Cello aus "Hidden chamber", und einen großen Schluck aus dem Flachmann nehmen. Bevor noch wer erfriert.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Nour
  • Humane
  • Tundra

Tracklist

  1. Nour
  2. Veil of certainty
  3. All things pass
  4. Ascension
  5. Humane
  6. Tundra
  7. Hidden chamber
Gesamtspielzeit: 38:42 min

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Armin

2022-03-02 21:45:56- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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