Scorpions - Rock believer

Vertigo / Universal
VÖ: 25.02.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Denkste!

Hallo und herzlich willkommen zur wohl einfachsten Rezension des Jahres. Wohl kaum eine Rockband hat in den letzten Jahren – ach was, Jahrzehnten! – mehr Fremdscham-Momente gesammelt als die Scorpions. Zweifelhafte Compilations, süßliche Balladen, kein Feuer, keine Emotionen – man kann sein Erbe kaum weniger effizient ruinieren. Wenn dann 50 Jahre nach dem Debüt-Album eine neue Studio-Platte auf den Markt kommt, kann es sich ja nur noch um ein weiteres Betriebsmittel für die heimische Gelddruck-Maschine handeln. Ein paar zahnlose Rockerchen, mindestens zwei bis drei Balladen, fertig ist die Platte, die auch den allerletzten Fan vergrault oder schlimmer noch – einfach nur noch egal ist. Einmal kurz für die Chronistenpflicht durchskippen, den Diss runtergetippt, fertig.

Ähm, nö.

Nach dem ersten Durchlauf von "Rock believer" steht nämlich plötzlich eine ganz andere Frage im Raum. Eine Frage, die man vielleich unterschiedlich formulieren kann, die aber im Kern lautet: Wer seid ihr, und was habt ihr mit den Scorpions gemacht? "Gas in the tank" eröffnet die Platte noch einigermaßen bieder und könnte problemlos als kleiner musikalischer Anachronismus die Eröffnung desjenigen Autohauses untermalen, das sich als letzte Bastion gegen alternative Antriebe stellt. Doch dann hat sich Schlagzeuger Mikkey Dee – ja genau, das Drum-Tier von Motörhead – den Rost aus seinen 58 Jahre alten Knochen getrommelt und macht seinen Kollegen mit "Roots in the boots" mal so richtig Feuer unter dem faltigen Allerwertesten. Na hoppla, die können ja tatsächlich noch rocken! Und sei es nur als Gruß an diejenigen, die die ruppige Vorabsingle "Peacemaker" lediglich für ein letztes Aufbäumen vor der endgültigen Einweisung in die Hardrock-Geriatrie gehalten haben.

Doch auch "When I lay my bones to rest" entpuppt sich als knallharter Rocker und bildet mit "Peacemaker" ein Doppel, das es so seit Ewigkeiten nicht mehr auf einer Scorpions-Platte gegeben hat, während "Seventh sun" mit einem bärenstarken verschleppten Groove überzeugen kann. Der mehr als nur dezente Gruß in die Vergangenheit in Form von "Shining of your soul", das sich überdeutlich beim Klassiker "Is there anybody there?" bedient, ist natürlich absolut legitim und letztlich deutlich schlüssiger als das eher gelangweilt vor sich hin plätschernde "Call of the wild". Tja, und dann kommt sie doch noch, die typische Scorpions-Power-Ballade, auch wenn es bis zum letzten Song dauert. Wer bei diesen Songs schon immer Brechreiz bekommen hat, wird sich auch jetzt schnell einen Eimer holen, doch bei all der Grütze, die die Band diesbezüglich je verzapft hat, ist "When you know (Where you come from)" wirklich gut gelungen. Auch wenn sich Vergleiche mit den ganz großen Momenten wie "Holiday" natürlich verbieten.

Natürlich schreibt der eigene Legendenstatus keine guten Platten. Aber bei all der Kritik, die durchaus berechtigtermaßen in der Vergangenheit auf die Band eingeprasselt ist, möge man sich bitte immer noch vergegenwärtigen, dass sich der Fünfer, der sich einst aus der hannoverschen Provinz in die große weite Welt aufmachte, seinen Platz in den Hardrock-Annalen hart erarbeitet und damit den Durchbruch von Bands wie Accept überhaupt erst ermöglicht hat. Natürlich wird aus dem Texter Klaus Meine kein Bob Dylan mehr, und auch über die nicht vorhandene Körpergröße des Sängers sind mittlerweile alle Witze gerissen. Doch es ist Meine, der mit knapp 74 Jahren stark wie lange nicht singt, während Mikkey Dee, ohne am Songwriting beteiligt zu sein, wie ein Jungbrunnen vor allem für die Rhythmus-Sektion wirkt. Ganz klar, haters still gonna hate, wie man so schön sagt, die Wahrheit ist jedoch, dass "Rock believer" die Scorpions in einer Verfassung zeigt, die so nie und nimmer zu erwarten war.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Roots in my boots
  • Shining of your soul
  • When I lay my bones to rest

Tracklist

  1. Gas in the tank
  2. Roots in my boots
  3. Knock 'em dead
  4. Rock believer
  5. Shining of your soul
  6. Seventh sun
  7. Hot and cold
  8. When I lay my bones to rest
  9. Peacemaker
  10. Call of the wild
  11. When you know (Where you come from)
Gesamtspielzeit: 44:34 min

Im Forum kommentieren

Sneaky Johnson

2022-02-24 20:49:33

I believe in Rock!

Talibunny

2022-02-24 13:39:21

Ich glaube, wir brauchen wieder einen Wind of change.

Wolf

2022-02-24 13:36:20

Das ist halt das besondere an dieser Seite, dass es eben nicht den vorprogrammierten Veriss gibt. Ich war beim Schauen des Videos zu Rock believer auch positiv überrascht und hatte die Herren längst abgeschrieben. Außerdem hat das Video nostalgische Erinnerungen bei einem Fan der ersten Stunde geweckt. Gute Rezi und sehr gutes "Alterswerk".

Gordon Fraser

2022-02-24 00:45:57

Frage: Wie cheesy kann ein Albumtitel sein?

Scorpions: Ja

Huhn vom Hof

2022-02-23 22:59:11

Hui, 6/10 und keine 1/10 wie anno dazumal. Ich glaub, ich werd mal reinlauschen.

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