Ode And Elegy - Ode And Elegy

Self-released
VÖ: 01.02.2022
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Take my money

Kleine Zeitreise gefällig? Wir schreiben das Jahr 2007. Gerade einmal 15 Jahre her ist das und doch eine komplett andere Welt. Musikstreaming gibt es, wenn, dann meist illegal, der heute größte Anbieter Spotify hat noch nicht einmal seinen Dienst gestartet. Wer Neues entdecken will, kann sich weder auf einen Releaseradar verlassen, noch darauf, jede Woche die neuesten Alben einfach einmal querhören zu können. Immerhin gibt es schon Foren, in denen es möglich ist, sich stilistisch passende Empfehlungen abzuholen. Eine dieser Empfehlungen ist in anno 2007 eine bis heute nahezu unbekannte Band Namens The Pax Cecilia, die ihr Album "Blessed are the bonds" einfach so als CD verschickte. Aus den USA. An jede Person, die sich meldete. Weil sie ihre Kunst teilen wollten. Dieses Album ist eines dieser Releases, die irgendwie besonders sind, nicht nur ob ihres Vertriebswegs, wenn man es so nennen mag, sondern auch, weil es ein wahnsinniges Werk ist. Ein Post-Rock-Epos, das seinesgleichen sucht. Man findet es auf der Website der Band.

Nun, eben jene 15 Jahre später, sind The Pax Cecilia nahezu komplett in Vergessenheit geraten. Musik ist jederzeit, rund um die Uhr, überall verfügbar. Und doch konnte man wieder über einen Forumseintrag darauf aufmerksam werden: Unter der Anleitung von Kent Fairman Wilson, ehemals Frontmann eben jener Band, entstand ein "Schwesterprojekt", welches nun am ersten Februar ein Album veröffentlicht hat. Es verfolgt wieder den gleichen Ansatz. Unter dem Namen Ode And Elegy ist auf der neuen Webseite zu lesen: "Wir verlangen kein Geld für den Download von 'Ode And Elegy'. Bitte erwäge stattdessen, diese Musik mit Menschen zu teilen, die Du schätzt und die sie schätzen werden. Wir haben diese Musik gemacht, um zur menschlichen Erfahrung beizutragen, und wir möchten auch an Ihrer teilhaben. Vielen Dank." Wer möchte, kann gegen Portokosten dort sogar eine extrem schicke Buchversion bestellen. Achso, und "Ode And Elegy" steht hier sowohl für den Bandtitel, Albumnamen und den Song.

Richtig gelesen, "Ode And Elegy" ist ein einziges, 55-minütiges Stück. Oder wie es die Selbstbeschreibung verlautet: "A 55 minute through-composed exploration into loss and catharsis". Es ist eben nichts gewöhnlich, was diese Künstler*innen anfassen. Völlige Narrenfreiheit. Völlig wahnsinnig. Und extrem undankbar, dazu Worte zu fassen, da es nötig ist, sich an Minutendrehzahlen zu orientieren. Die ersten zehn sind zunächst so leise abgemischt, dass es nötig ist, einige Dezibel hochzudrehen. Streicher-Intro, elegant und elegisch. Eine nahezu klassische Komposition bahnt sich ihren Weg. Zwischendrin sprachliche Lautfetzen, mehr beiläufiger Singsang als markantes Element. Sehr schwermütig, sehr erhaben, aber alles in einem sehr gesetzten Rahmen. Der Zeiger dreht auf die 13, plötzlich ziehen Tempo und Laustärke massiv an, beziehungsweise weg: Fairman Wilson keift sich nahezu um seine Stimme, plötzlich liegt hier ein Werk zwischen Screamo-Geschrei und wilden Streicherpassagen vor. Ein Wechselspiel, welches noch mehrfach stattfinden wird.

Die folgenden Momente, beziehungsweise Minuten, dominiert eine quasi vertonte Stille. Passiert hier noch was? Kaum. Dann ein erneuter Aufbau mit Aufbäumen. Klar stehen Godspeed You! Black Emperor, Explosions In The Sky und wie sie alle heißen Pate. Die Konsequenz jedoch, mit der Ode And Elegy diese Ausbrüche ausspielen, ist besonders, schon allein des Gesangs wegen. Etwa ab der Mitte ist die orchestrale Form komplett vollendet. Nicht nur ein Streicherquartett, sondern auch Bläser und ein ganzer Chor schallen aus den Boxen. "Ode And Elegy" ist das absolute Gegenteil eines minimalistischen Garagenprojektes. Es ist ein völlig überambitioniertes, komplett überdrehtes Stück, mit dem an keiner Stelle zu rechnen war und welches immer wieder unberechenbare Wendungen nimmt, trotz dessen, dass es allein des Konzeptes wegen wie aus einem Guss wirkt. Und genau dieser Übermut, dieser Bombast, dieser Pathos begründen ein Meisterwerk, dessen einziger Kritikpunkt der manchmal etwas unausgewogen abgemischte Laut/leise-Kontrast ist. Ansonsten bleibt zu sagen: Bitte erwäge, diese Musik mit Menschen zu teilen, die Du schätzt und die sie schätzen werden.

(Klaus Porst)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. Ode And Elegy
Gesamtspielzeit: 55:10 min

Im Forum kommentieren

Eye_Llama

2022-03-02 20:32:28

Was für ein Postrock/Metal Brocken. Genau das was ich gebraucht habe.

Kamm

2022-02-28 19:29:03

Vielen Dank auch von mir für die Rezension! <3 Hätte ich ansonsten definitiv verpasst.

Dumbsick

2022-02-28 19:16:03

In der Tat ein außergewöhnliches Stück Musik: https://www.transcendedmusic.de/2022/02/ode-and-elegy-ode-and-elegy-recommendation/

Kamm

2022-02-28 18:51:30

Kostenlos heruntergeladen, schon mal kurz reinhören wollen.
Dann am Stück gehört und direkt dafür bezahlt.
Dabei kann ich noch überhaupt nicht sagen, ob es so gut ist, und dazu größenwahnsinnig, oder ob es so gut ist, eben weil es so vollkommen drüber ist. Noch keine Aussage zur Substanz möglich, es hat mich einfach überrollt. Dabei gibt es Popsongs, die mich nach einer halben Minute langweilen und meine Aufmerksamkeitsspanne strapazieren, und das hier mäandert endlos ziellos vor sich hin. Es ist schon komisch.

Andererseits hat es bei The Pax Cecilia auch irgendwann klick gemacht (obwohl das glaube ich noch etwas griffiger war). Seitdem versuche ich erfolglos, das in meinem Bekanntenkreis irgendjemanden schmackhaft zu machen. Ein Schicksal, das wohl auch Ode and Elegy ereilen wird, vorausgesetzt, es hakt sich irgendwann in meine Synapsen. Hiddens Beitrag macht mir da aber Mut.

hidden

2022-02-25 15:58:58

Super! Pax Cecilia waren mir tatsächlich noch irgendwie ein Begriff und siehe da: liegt sogar auf einer externen Festplatte.

Nach drei Durchgängen lässt sich sagen, dass auch dieses Album wärmstens zu empfehlen ist. Danke für den Hinweis, hätte ich sonst sicherlich nicht mitbekommen.

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