Johnny Marr - Fever dreams pts 1-4

BMG
VÖ: 25.02.2022
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wie im Fieber

Johnny Marr ist so etwas wie der Grandseigneur der britischen Gitarristen und Songwriter in den letzten 35 Jahren. Zuvorderst natürlich bekannt und verehrt als Architekt des Sounds von The Smiths in den Achtzigern, war Marr zunächst außerdem vorübergehendes Mitglied bei Bands wie The Pretenders und The The, formte mit Bernard Sumner von New Order die Supergroup Electric und schloss sich in diesem Jahrtausend zeitweilig Modest Mouse (für deren nach Ansicht des Autors wohl bestes Album "We were dead before the ship even sank") und The Cribs an. Mit Hans Zimmer arbeitete Marr an den Soundtracks zu Filmen wie "Inception" und zuletzt auch am aktuellen Bond-Film "No time to die", auf dessen Titelsong von Billie Eilish er auch an der Gitarre zu hören ist. Bei einem derart vollen Terminkalender verwundert es nicht, dass Johnny Marr sich erst sehr spät als Solokünstler berufen sah: Mit "The messenger" erschien sein Debüt unter eigenem Namen erst 2013, nun folgt Soloalbum Nummer vier.

Die neue Platte "Fever dreams pts 1-4" vereint laut Johnny Marr selbst das "vocabulary of sounds", das sich über die Jahre herausgebildet hat und Verweise auf seine musikalischen Biografie, nicht zuletzt die dance-orientierten Arbeiten mit Electronic, sind auf dem Doppelalbum zahlreich zu hören. Der wahrlich großartige Opener "Spirit power and soul", der auch bereits letzten Sommer als Vorabsingle veröffentlicht worden war, erinnert mit seinem prominenten Drum-Beat, Gitarrenflirrern und dem hymnischen Refrain an die großen Singles von New Order. Der weitere Verlauf des Albums lädt dann ebenso oft zum Achselzucken ein, wie er mit tollen Songs wie den folgenden zu begeistern weiß: Die schwelgerischen Gitarren von "All these days" vesprühen Proto-Brit-Pop-Leichtigkeit, und das balladeske "Ariel" kombiniert Marrs typisches Glissando mit einer hypnotischen Synthie-Bass-Line. "Hideaway girl" überrascht mit einem packenden Riff und ist neben dem nostalgischen "Tenement time" wohl der rockigste Song des Albums. Wohl am stärksten an The Smiths erinnert das verspielte "Counter clock world", in dem sich Marr zumindest für einen kurzen Moment während der Titelzeile auch gesanglich seinem ehemaligen Bandkollegen Morrissey verblüffend annähert.

Der Albumtitel erklärt sich aus einer letztlich nicht ganz gelungenen Veröffentlichungspolitik. "Fever dreams pts 1-4" vereint vier EPs, von denen zwei schon im Vorjahr erschienen und zwei weitere im Frühjahr folgen sollen. Mit 16 Tracks und knapp 80 Minuten Spielzeit ist diese Aneinanderreihung der EPs als Album jedoch deutlich zu lang und zu wenig abwechslungsreich, um wirklich zu glänzen. Auch die vorgeblichen vier Teile sind eher Etikettenschwindel und leider nicht durch jeweils eigene Charakteristika oder musikalische Elemente voneinander abzugrenzen, sodass der Höreindruck leider trotz zahlreicher guter bis sehr guter Songs und keiner Totalausfälle fiebrigen Träumen nicht ganz unähnlich ist: Es passiert zwar einiges Spannendes, doch am Ende kann man sich nicht an allzu viel erinnern.

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Spirit power and soul
  • Hideaway Girl
  • Night and day

Tracklist

  1. Spirit power and soul
  2. Receiver
  3. All these days
  4. Ariel
  5. Lightning people
  6. Hideaway girl
  7. Sensory street
  8. Tenement time
  9. The speed of love
  10. Night and day
  11. Counter clock world
  12. Rubicon
  13. God's gift
  14. Ghoster
  15. The whirl
  16. Human
Gesamtspielzeit: 72:47 min

Im Forum kommentieren

BVBe

2022-05-05 12:26:39

Besser als erwartet, und besser als besprochen (wobei sich die Rezi irgendwie auch besser liest als die vergebenen 5/10). Sehr kraftvoll - TENEMENT TIME schiebt, RUBICON ist als Gegenstück extrem atmosphärisch, die Akustische bei COUNTER-CLOCK WORLD großartig, THE SPEED OF LOVE ein gelungener Space-Trip. Das ist ein sehr starkes Alternative-Gitarrenpop-Album geworden.

octoberswimmer

2022-02-28 22:51:32

Ja, deutlich stärker und origineller als die TfF. Und "Spirit Power and soul" kann man sich für die Top 10 des Jahres vormerken.

oldschool

2022-02-28 17:20:11

@saschek: dem stimme ich voll zu

Saschek

2022-02-28 17:15:06

Weiß Gott nicht übel. Nach dem etwas zweifelhaften Genuss der neuen Platte meiner alten Helden Tears For Fears bläst Marr wie frischer Wind in den Gehörgängen.

oldschool

2022-02-27 16:02:56

Besser als erwartet, da ich nach der Albumbesprechung nicht viel erhofft hatte. Klar, kein Album aus einem Guss, da es 4 EP's sind.
Vielleicht hätte er ein paar Songs rausnehmen sollen, um einen besseren Gesamteindruck zu erreichen. Dennoch einige echt tolle Stücke dabei.

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