Jan Verstraeten - Violent disco

Unday / Rough Trade
VÖ: 04.02.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Ein Kessel Buntes

Der Kniff, die Pandemie als Aufhänger für eine Plattenkritik zu verwenden, hat schon seit geraumer Zeit einen Bart von ZZ-Top-Dimensionen. Wenn aber jedoch wie beim Erstling des Belgiers Jan Verstraeten der Künstler selbst zumindest in den Konzertankündigungen quasi als Untertitel zum Album beteuert, dass es sich hier nicht um ein Corona-Album handle (als augenzwinkernde Anspielung auf seinen Landsmann René Magritte formuliert als "Ceci n'est pas un corona album"), dann lässt sich das Thema zumindest nicht ganz ignorieren. Auf seiner ersten EP "Cheap dreams", die Verstraeten 2019 solo am heimischen Laptop produziert hatte, dominierten trotz cinematisch orchestralen Arrangements eher sanfte Melodien, denen das Label Bedroom-Pop keinesfalls unrecht getan hätte. Das Debütalbum "Violent disco" erweitert den Soundkosmos nun deutlich, und das liegt laut Verstraeten selbst auch daran, dass zum Ende (?) der Corona-Lockdowns doch keiner Bock auf intime Musik zum Daheimrumsitzen habe.

Und so geht "Violent disco" auch vom ersten Ton an in die Vollen: Der soulige Opener "Vampire in my bed" beschreibt eine emotional auslaugende Beziehungsgeschichte und würde mit seiner sexy Bassline und den an John Barry angelehnten, opulenten Streichern sowohl bei "Fifty shades of Grey" als auch bei 007 (bevorzugt in der verletzlichen Daniel-Craig-Inkarnation) gute Figur auf dem Soundtrack machen. Noch stärker auf Motowns Spuren groovt die erste Single "Gone gone gone", die sich mit fettem, treibendem Bläsersatz, Backgroundchor und Laune machendem Refrain schon jetzt für sommerliche Playlists aufdrängt. Inhaltlich folgt Verstraeten hier dem Lifehack, den eine gewisse Taylor S. schon vor einigen Jahren für den Umgang mit Hatern empfohlen hatte: "I'm gonna dance my tears away / Gonna shake until they're gone gone gone."

Für "Cry baby" und den Titelsong verknüpft Verstraeten den bis dato bestimmenden Retro-Soul-Sound mit Trip-Hop sowie Dance-Elementen und erinnert plötzlich an die frühen Massive Attack und die späten Portishead, wenn sie von Moby gecovert werden würden. "Violent disco" beschwört erneut die Tanzfläche als eskapistischen Sehnsuchtsort. Dieses Grundmotiv des Albums wird später im luftig-lässigen "Goodbye world" im Bossa-Nova-Gewand noch einmal aufgegriffen. Die Zeile "Why do all of my favourite songs have a sad end?" aus "Violent disco" verweist dann bereits auf den eher melancholisch geprägten Mittelteil des Albums. "Don't you dare wake me up today / It's the only place that she's not gone away", bittet Verstraeten in der sehnsuchtsvollen Ballade "Ice dreams" und zelebriert somit samt schwelgerischen Streichern und Glockenspiel auch den Schlaf als eine Flucht aus der rauen Realität.

Bei so viel selbstbewusstem Genrehopping verwundert es nicht, dass es dem Belgier schließlich auch noch gelingt, ohne jegliche Peinlichkeit Britney Spears' ersten Hit als verführerische Soulnummer "Hit me baby" zu covern und zum Abschluss mit Falsett und großer Geste in "Lover, I wanna be forgotten" den Geist von Jeff Buckley heraufzubeschwören. Jan Verstraetens "Violent disco" ist ein ebenso eklektischer wie exzentrischer Tanzpalast, in dem man gerne Stammgast werden würde – nach Corona.

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Vampire in my bed
  • Gone gone gone
  • Cry baby
  • Hit me baby

Tracklist

  1. Vampire in my bed
  2. Gone gone gone
  3. Cry baby
  4. Violent disco
  5. Ice dreams
  6. It's like a movie
  7. Flu
  8. Bad bad love
  9. Hit me baby
  10. Goodbye world
  11. Lover, I wanna be forgotten
Gesamtspielzeit: 40:24 min

Im Forum kommentieren

Kai

2022-02-03 18:23:26

Cover und Musik gehen weit auseinander.
Das was ich bis jetzt auf Spotify höre klingt nicht schlecht.

Armin

2022-02-02 21:06:55- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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