Comeback Kid - Heavy steps

Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 21.01.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zwanzig Jahre Qualität

Nach der Bundestagswahl im Jahr 2002 beanspruchte Angela Merkel den Parteivorsitz der CDU, Friedrich Merz blieb nur die Rolle des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Er schmiss nach zwei Jahren hin. Zwanzig Jahre später ist der Vorsitz für den streitbaren Sauerländer zum Greifen nah. Was die US-amerikanische Tageszeitung Politico jüngst dazu bewog, ihn als Deutschlands ältestes "Comeback Kid" zu bezeichnen. Einen vergleichbar langen Atem hat auch die gleichnamige Hardcore-Band aus Kanada. Sie gründete sich ebenfalls in besagtem Jahr 2002, ist entgegen ihrem Bandnamen aber immer da geblieben und feiert nun mit dem mittlerweile achten Album "Heavy steps" ihr Bandjubiläum.

Comeback Kid haben ihren Bekanntheitsgrad in Europa zu großen Teilen ihrer umtriebigen Bookingagentur Avocado zu verdanken und "Heavy steps" bietet ausreichend Material, um die Kanadier auf die hoffentlich im Sommer 2022 wieder stattfindenden Festivals zu buchen. Die Band ist eine der größten Nummern im modernen Hardcore, die sich mit durchweg soliden bis sehr guten Alben ihre Fanbase erspielt hat. Auch "Heavy steps" erfüllt alles, was man von einem neuen Werk des Fünfers erwarten kann: Treibenden melodischen Hardcore, eine basslastige Produktion und natürlich die unverkennbare Stimme des charismatischen Frontmanns Andrew Neufeld. Wem der Vorgänger "Outsider" aufgrund der gelegentlichen Midtempo-Parts zu lahm oder gar experimentierfreudig war, der wird sich über den brachialeren Sound und ein hohes Tempo freuen, nur unterbrochen durch die obligatorischen Breakdowns. Der Titeltrack gibt zum Auftakt die Laufrichtung vor, die Bratgitarren zielen Richtung Circle Pit.

Der Sound des Albums ist sehr metallisch, bei "Dead on the fence" wird heftig mit dem Heavy Metal geflirtet, was dann doch etwas zu viel des Guten ist. Wie es besser geht zeigen "True to form" und "Crossed". Für die Refrains durfte Sänger Joe Duplantier von der französischen Metal-Kapelle Gojira ein paar Spuren über den Ozean rübergröhlen. "Everything relates" behandelt mentale Probleme und ist dem ehemaligen Deez-Nuts-Bassisten und Freund der Band Sean Kennedy gewidmet, der sich letztes Jahr mit gerade mal 35 Jahren das Leben genommen hat. So ist der Deez-Nuts-Sänger JJ Peters die logische Wahl für einen Kurzeinsatz beim letzten Refrain des Songs. Auch ohne diese Vorgeschichte zeigen die beiden gewählten Gäste den Unterschied zu "Outsider", auf dem mit Flatliners' Chris Creswell und dem kanadischen Singer/Songwriter Northcote zwei wesentlich überraschendere, weil genrefremdere Künstler zu hören waren. "In between" ist ein klassischer Comeback Kid-Hardcore-Song, während man sich in den abschließenden Tracks "Standstill" und "Menacing weight" punkiger gibt und Neufeld sich in stimmlicher Bestform zeigt. Im Jahr 2025 ist übrigens die nächste Bundestagswahl. Der Rezensent hofft inständig, dass er dann über Comeback Kid bloß in einem bestimmten Kontext schreiben muss – über die fünf Männer aus Winnipeg.

(Andreas Rodach)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • No easy way out
  • Everything relates (feat. JJ Peters)
  • In between
  • Menacing weight

Tracklist

  1. Heavy steps
  2. No easy way out
  3. Face the fire
  4. Crossed (feat. Joe Duplantier)
  5. Everything relates (feat. JJ)
  6. Dead on the fence
  7. Shadow of doubt
  8. True to form
  9. Standstill
  10. Menacing weight
Gesamtspielzeit: 32:03 min

Im Forum kommentieren

SammyJankis

2022-01-23 12:56:42

Bzgl Innovation stimme ich zu, aber macht ja nichts. Turnstile sind da wirklich ne Ausnahme. Code Orange haben halt Industrial mit eingebaut, gefällt mir persönlich gar nicht, aber ich hatte ne gute Zeit mit der Band, sollen die sich die Taschen vollmachen.

Ich habe beim Hardcore das Gefühl, dass sich viel periodisch wiederholt. Im Moment sinds halt Sachen wie OSC/Anxious, die gut ankommen.
Daneben auf jeden Fall ultrastumpfe Sachen, Three Knee Deep seien hier genannt. Und Thrash/Crossover Sachen kommen auch gut weg. Power Trip sind dahingehend ja bereits vor dem Tod des Sängers in ganz andere Sphären vorgestoßen, aber auch dahinter gibst einige angesagte Acts.

Talibunny

2022-01-23 12:47:43

Genau. Wenn ich HC hören will, weiss ich, was ich zu erwarten habe. Und dann will ich diesen Sound (oder eben nicht). Das darf dann auch mal aufgelockert präsentiert werden (wie zB Turnstile oder Bad Brains), aber Voraussetzung für eine spannende HC-Platte ist das mMn nicht.

Und das Thema Innovation ist nach 60-70 Jahren Rock/Pop und 40-50 elektronischer (Pop-)musik kein Kriterium mehr. Man könnte auch diskutieren, ob Genres überhaupt innovativ sein können, da ein Genre doch meist eine Verfestigung eines Stils ist.
Und eklektisch alles in einen Topf zu werfen und dreimal umrühren, ist für mich nicht innovativ.
Wir sind aus meiner Sicht schon lange an einen Punkt gelangt, wo Wiederholung sich an Wiederholung reiht. Es kommt dann auch oft darauf an, wie das musikalische Gedächtnis (und Bereitschaft) eines jeden einzelnen ist, um sich davon mitreissen zu lassen.

Ist für ein Comeback Kid-Thread leicht off-topic ;0)

SammyJankis

2022-01-23 12:10:59

Würde ich eher unterschreiben als 10 Platten der gleichen Band :D

Dass das Genre sowieso keinen Preis für Innovationen gewinnt steht außer Frage.

Talibunny

2022-01-23 11:59:33

Nach dieser Logik bräuchte man dann ohnehin nur, sagen wir mal, ein dutzend HC-Platten.

SammyJankis

2022-01-23 11:50:59

Finde,es klingt halt wie ne Comeback Kid Platte, habe nichts anderes erwartet, aber die spannende Frage is eher, ob die Welt ne neue Comeback Kid Platte braucht und da sage ich nein.
Bis auf ganz wenige Ausnahmen, braucht keine HC-Band mehr als 3-4 Veröffentlichungen. Danach ist eh das meiste nur ein Recyclen. Mehr sehe ich hier auch nicht. Das ist eigentlich bei allen großen Bands der Fall: SOIA, Madball, etc. Heißt nicht, dass die nicht alle auch gute Alben rausgebracht haben. Comeback Kid sind da keine Ausnahme. Turn It Around und Wake the Dead kann man sich auch heute gut geben und ich hab auch kein Problem mit der Band, aber neue Platten sind halt unnötig.

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