
Robert Plant & Alison Krauss - Raise the roof
WarnerVÖ: 19.11.2021
Anziehungskräfte
Was hat Beyoncé, was Alison Krauss nicht hat? Also mal abseits davon, dass die beiden Damen stilistisch unterschiedlicher kaum sein könnten? Ganz einfach: Im März 2021 schnappte sich der R'n'B-Megastar den Rekord der Einzelkünstlerin mit den meisten Grammys. Sagenhafte 28 dieser Plattenspieler-Statuen stehen bei Beyoncé zu Buche, während Krauss in diesem Jahr leer ausging und bei 27 Grammys verharrt. Fünf davon gingen allein auf das Konto ihrer Kollaboration mit Robert Plant und dem daraus resultierenden Album "Raising sand" aus dem Jahr 2007 – eine wunderbare Platte, die in teils atemberaubender Schönheit zeigte, wie gut Rocklegende und Bluegrass-Topstar miteinander harmonieren können. So gut, dass so manche Klatschspalte den beiden glatt eine Beziehung andichten wollte. Natürlich war das völlig aus der Luft gegriffen, eine Fortsetzung der künstlerischen Beziehung blieb dennoch aus. Irgendwann muss es den beiden aber dann doch wieder in den Fingern gejuckt haben, und da mit T-Bone Burnett auch der Erfolgsproduzent des ersten Albums wieder engagiert werden konnte, müsste das neue Album "Raise the roof" doch quasi ein Selbstgänger sein und direkt wieder durch die Decke gehen. Oder?
Ganz so einfach geht es natürlich nicht. Denn in 14 Jahren ist jede Menge passiert, was den Erfolg von gestern zu einem vergilbten Zeitungsausschnitt werden lässt. Doch schon mit der vorab veröffentlichten Single "Can't let go" zeigt sich, dass Krauss und Plant nichts von ihrer Anziehungskraft verloren haben, ihre Egos ganz in den Dienst des Songs stellen und doch ihre Stimmen miteinander spielen lassen. Pure Harmonie, unterfüttert von einem entspannten Groove. Dabei war "Can't let go" noch nicht einmal die Initialzündung für das erneute Vorhaben, klassische Songs aus Folk und Americana neu zu interpretieren – das war tatsächlich der Opener "Quattro (World drifts in)" von den wunderbaren Calexico. Was Plant und Krauss daraus machen, ist pure Magie. Wenn man nicht gerade den Fehler macht, die Platte irgendwie nebenbei zu hören, nimmt dieser Song unweigerlich gefangen, lässt das erste Mal die perfekt darauf abgestimmte Produktion durch Burnett deutlich werden. Mehr Klasse geht nicht.
Dabei schrecken Plant und Krauss auch nicht vor radikalen Bearbeitungen zurück. "The price of love" ist ein Musterbeispiel dafür, wandelt sich der Song doch vom typisch marschierenden Sound der Everly Brothers hin zu einer düsteren, bittersüßen Ballade, während "Go your way" derart von Plant getragen wird, dass der Song glatt von einem seiner Soloalben stammen könnte. Was der kann, kann ich schon lange, scheint sich da Krauss zu denken und arbeitet Merle Haggards "Going where the lonely go" zu einer fragilen Ballade um, die so leise, so introvertiert beginnt, dass man das Tape rauschen hören könnte, wenn es denn noch Tape im Studio gäbe.
Vielleicht ist die Tatsache, dass beide Künstler einander Raum geben und sich dabei selbst zurücknehmen, das eigentlich Spannende an "Raise the roof". "You led me to the wrong" ist so ein Beispiel, ein Bluegrass-Klassiker von Ola Belle Reed, der eigentlich das perfekte Heimspiel für Krauss wäre – doch es ist Plant, dessen klagender Gesang einen tonnenschweren düsteren Groove begleitet. Und so bietet die Platte – abgesehen von der irgendwie nicht ganz passen wollenden Eigenkomposition "High and lonesome" – noch eine zweite Schicht an. Denn die großartigen Interpretationen der Neuzeit wecken den Wunsch, die Originale kennen zu lernen, Originale eines Sounds, der hier zu Lande eher ein Nischendasein fristet. Doch auch ohne diese Forschungsarbeit steht "Raise the roof" dem Vorgänger in nichts nach. Und dürfte bei der nächsten Grammy-Verleihung dafür sorgen, dass sich Alison Krauss ihre Spitzenposition zurück holt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Quattro (World drifts in)
- Can't let go
- You led me to the wrong
- Going where the lonely go
Tracklist
- Quattro (World drifts in)
- The price of love
- Go your way
- Trouble with my lover
- Searchin' for my love
- Can't let go
- It don't bother me
- You led me to the wrong
- Last kind words
- High and lonesome
- Going where the lonely go
- Somebody was watching over me
Im Forum kommentieren
VelvetCell
2022-03-28 22:25:55
Rotiert nach einiger Zeit des Nichthörens mal wieder bei mir. Bin heute begeisterter denn ja. Wundervolle, inspiriert eingespielte und exzellent produzierte Platte.
Sheesh
2021-12-21 18:41:09
Dann hab ich keine Ahnung vom Bluegrass. Dann ist
mir aber diese Musik, die auf dem Album zu hören ist, nur etwas zu schnarchig. Das war ein Vorschuss, ich muss da nochmal reinhören.
Zappyesque
2021-12-21 16:21:50
Auf diesem Album ist so gut wie kein Bluegrass drauf Sheesh, oder beziehst du dich auf etwas anderes?
Sheesh
2021-12-21 16:06:46
Can't Let Go hat schon einen tollen Groove, so wie das grandiose Rich Woman vom Vorgänger. Hätte gerne mehr in dem Stil. Bluegrass ist halt ansonsten einfach nur Schnarchmusik durch und durch.
VelvetCell
2021-12-21 15:59:08
Oha, Annie ist wieder aus seinem Schweineeimer gekrochen, um das Forum zuzupöbeln.
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Robert Plant & Alison Krauss - Raising sand (24 Beiträge / Letzter am 23.07.2023 - 02:11 Uhr)
- Robert Plant & Alison Krauss - Raise the roof (17 Beiträge / Letzter am 28.03.2022 - 22:25 Uhr)