Richard Ashcroft - Acoustic hymns vol. 1
Infectious / BMGVÖ: 29.10.2021
Happiness, more or less
Richard Paul Ashcroft ist nicht der einfachste Charakter unter der Sonne. Seine Band The Verve hat sich ganze dreimal aufgelöst, davon einmal vor und einmal direkt nach dem riesigen Erfolg von "Urban hymns" im Jahr 1997. Später bedauerte Ashcroft öffentlich, jene Platte nicht unter seinem eigenen Namen veröffentlicht zu haben, sinngemäß, weil Ruhm und Ehre eigentlich nur ihm persönlich zugestanden hätten. Die Soloalben der letzten 20 Jahre zeichneten sich oft sowohl durch eine Selbstinszenierung zwischen Prediger und Messias als auch durch zunehmende Belanglosigkeit aus, und seine ausbaufähige Kritikfähigkeit bewies Ashcroft, indem er in einem Instagram-Video eine Ausgabe der englischen Musikzeitschrift NME, in der sein letztes Studioalbum "Natural rebel" negativ besprochen worden war, in seinem Garten in Flammen aufgehen ließ. Wenn er noch nicht genug hat, kann er auch einfach die Plattentests.de-Rezension ausdrucken.
Über Ashcrofts neues Album "Acoustic hymns vol.1" lässt sich dann jedoch fast nur Gutes sagen. Natürlich gewinnt man für Neuaufnahmen alter Hits im akustischen Gewand keinen David-Bowie-Award für konstante Innovation, aber zum einen ist das immer noch spannender als eine schnöde Greatest Hits, und zum anderen sind die in den Abbey Road Studios aufgenommenen Arrangements mit Band, Streichern und Bläsern sehr gelungen und eben weit mehr als bloße Lagerfeuerschrammelei.
Bei der Songauswahl für die akustischen Versionen greift Ashcroft zu satten zwei Dritteln auf die urbanen Hymnen zurück, ergänzt von drei frühen Solotiteln und einem Lied vom zurecht bereits in Vergessenheit geratenen, kurzzeitigen Bandprojekt RPA & The United Nations of Sound. Der Opener "Bittersweet symphony" beschert ein eher bitteres als süßes Hörerlebnis, denn er kommt mit seinem im Vergleich zur ursprünglichen Studioversion gedrosselten Tempo und der veränderten Phrasierung im Gesang sehr zahnlos daher und ist vermutlich der schwächste Track des Albums. Ganz anders das Gipfeltreffen der prägnantesten britischen Stimmen der Neunzigerjahre (sorry Jarvis, Brett, Damon und Thom) in "C'mon people (we're making it now)": Die alten Freunde Liam Gallagher und Richard Ashcroft haben sichtlich Spaß an der schmissigen Motivationshymne und harmonieren als gemeinsame Leadsänger wunderbar.
"Space and time" wird zum mitreißenden Gospel, und in den von der verveschen Psychedelik befreiten "Weeping willow" und "A velvet morning" glänzen die großen Melodien und Ashcrofts etwas reifere Stimme noch mehr als in den Originalversionen. Das abschließende "The drugs don't work", das hier als Pianoballade beginnt und als streicherseliger, erhabener Mitgrölchoral endet, reizt die Grenze zum Kitsch aus, bleibt jedoch emotional ergreifend. Die-hard-Fans von The Verve werden frühere Perlen wie "On your own", "History" oder gar "Slide away" vermissen und eine Fortsetzung entweder heiß erwarten oder fürchten, allen anderen ruft "Acoustic hymns vol.1" zumindest die enorme Klasse von Richard Ashcrofts Songwriting in Erinnerung.
Highlights & Tracklist
Highlights
- C'mon people (we're making it now) (feat. Liam Gallagher)
- Space & time
- Velvet morning
- The drugs don't work
Tracklist
- Bittersweet symphony
- A song for the lovers
- Sonnet
- C'mon people (we're making it now) (feat. Liam Gallagher)
- Weeping willow
- Lucky man
- The thing called life
- Space & time
- Velvet morning
- Break the night with colour
- One day
- The drugs don't work
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Konsul
2022-07-08 19:47:36
Ob er noch mal mit the verve zurückkommt?
Socko
2022-07-08 17:01:36
Der Rest geht vollkommen in Ordnung. Weiss zwar nicht, warum er sowas veröffentlicht. Aber okay. Mit Publikum hinzuvedacht wäre es beinahe eine 90s-mtv-unplugged-scheibe.
Leider hab ich das Gefühl, er wollte nur Kohle machen mit alten Sachen, weil er wohl nicht selbstbewusst genug ist,zu seinem neueren Zeug zu stehen..... Was ja nicht schlecht ist.
Socko
2022-07-08 16:56:42
Ich seh in der remake-Version kaum einen Unterschied zum original. Klingt live-iger. Aber wenn man den im Hintergrund laufen lässt, gibt's keinen Unterschied zum original, liam fällt gar nicht auf, da er im Grunde die gleiche Art hat, zu singen. Zumindest auf Platte.
squand3r
2021-12-15 16:59:07
hach, so ein Ashcroft Best Of ist schon sehr wholesome zur Weihnachtszeit. Die Originale bleiben mMn weitgehend besser aber ein paar Abmischungen sind schon sehr pretty, allen voran Space and Time. Trotzdem hätten es ruhig echte Streicher sein dürfen, und wo wir schon dabei sind: mit einem dicken Symphonieorchester würd das ganze Konzept noch viel mehr greifen.
musie
2021-12-11 15:18:09
Schön gibts eine Rezi. Und eine gute. BSS ist wirklich enttäuschend, vieles vom Rest dafür grossartig. Passt.
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