
Erste Allgemeine Verunsicherung - EAVliche Weihnachten – Ihr Sünderlein kommet
Grid / UniversalVÖ: 05.11.2021
Be-Be-Belanglosigkeit
Die Erste Allgemeine Verunsicherung war wohl eine erste Lieblingsband vieler Kinder der Achtzigerjahre, und zumindest die Refrains der großen wortspielfreudigen Gaga-Hits wie "Küss die Hand schöne Frau", "Märchenprinz" und "Fata Morgana" sind auch über 30 Jahre später noch unauslöschlich in so manche Hirnrinde eingebrannt. Von diesen etwas überschattet, gab es bei der EAV jedoch immer auch beißende Sozialkritik und klare politische Kante: Die Atomkraftsatire "Burli" und das angeblich blasphemische "S'Muaterl" wurden seinerzeit wegen ihrer Texte von diversen Radiostationen boykottiert und die Band mehrfach vor den Kadi gezerrt. 2019 wurde schließlich das Ende der EAV verkündet, nun kommt also noch als Nachklapp ein laut Band-Mastermind Thomas Spitzer bereits seit Ende der Siebzigerjahre angedachtes Weihnachtsalbum, für das Spitzer alte Weggefährten sowie Geistesverwandte späterer Generationen (wie Kabarettist Paul Pizzera oder die Punkrocker von Turbobier) als Gäste versammelt.
Der Opener "Schlingel Bell" versucht sich etwas ungelenk und leider unlustig am typischen EAV-Sound der Achtzigerjahre (inklusive Sample des Hundebellens aus "Ba-Ba-Banküberfall"). Der Kindergartenhumor findet seine Fortsetzung direkt in der von Austropop-Urgestein Willi Resitarits vorgetragenen Ballade "Christkind verführen", in dem der Weihnachtsmann als Ich-Erzähler nicht nur der titelgebenden Fantasie nachhängt, sondern die missliche Lage, im Schornstein stecken geblieben zu sein, dadurch löst, dass ihn ein durchs Kaminfeuer entzündeter Furz wie eine Rakete in den Himmel katapultiert. Haha und ha.
Ist der irritierend schwache Auftakt des Albums jedoch erst einmal überstanden, verbergen sich zwischen einigen entweder leichtes Schulterzucken oder mildes Schmunzeln erregenden Schunklern und Rockern durchaus auch ein paar Schmankerln: "A klanes Feuer" erzählt durchaus berührend Andersens Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern nach, mit dem Twist, dass der Geist der verstorbenen Oma dem Mädchen hier dazu rät, die ganze Stadt mit dem Flammenwerfer abzufackeln, denn: "Nur a großes Feia wärmt des Herz." Till Lindemann gefällt das. Ebenfalls Literaturbezug hat der wohl schönste und berührendste Song "Vereinsamt", eine Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Friedrich Nietzsche, die durchaus auch als Kommentar zu den Flüchtlingskrisen an Europas Grenzen gelesen werden kann.
Die Kabarettrocker von der Band Horst, in denen Thomas Spitzer nicht ganz zu Unrecht so etwas wie die Erben der EAV erkennen zu glauben scheint, sind hier insgesamt an vier Songs beteiligt, den besten davon haben sie auch selbst geschrieben: Im musikalischen Gewand traditioneller Volksmusik gelingt mit "Scheitelknian am Weihnachtsabend" eine bitterböse, ätzende Abrechnung mit ländlichem Rechtskonservatismus, die die Essenz dessen, was die EAV einmal ausgemacht hat, genau trifft. Wenn schon nicht unbedingt das Album an sich, dann scheint hier zumindest die Staffelstabübergabe an die nächste Generation durchaus gelungen zu sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- A klanes Feuer
- Scheitelknian am Weihnachtsabend
- Vereinsamt
Tracklist
- Schlingel Bell
- Christkind verführen
- Oh Tannenbaum
- A klanes Feuer
- Oh du Gröhlige
- Am Christkindlmoarkt
- Roll over Bethlehem
- Scheitelknian am Weihnachtsabend
- Klinik unter Psalmen
- Stille Nacht
- Kuddeldaddeldu
- Einer muss der Krampus sein
- Leise rieselt
- Der geile Weihnachtsmann
- Weihnachten ned leiden
- Vereinsamt
Im Forum kommentieren
Luc
2021-12-09 09:56:37
Ich empfehle nach wie vor die Café Passé von 1981, richtig gutes Rock-Kabarett.
MM13
2021-12-09 09:17:09
eav gibts nicht mehr,die songs sind von 1979, wurden nur erst jetzt veröffentlicht, live waren sie aber der hammer,hab mir die abschiedstour angesehen.
VelvetCell
2021-12-08 22:57:08
Ich hab die immer gehasst. Ich glaube, ich tue es immer noch.
musie
2021-12-08 22:43:50
Leider ist diese Zusammenstellung bloss mittelmässig gelungen.
Hoschi
2021-12-08 21:08:30
"Mein Kühlschrank ist leer und mein Sparschwein auch, ich hat schon seit Tagen kein Schnitzel im Bauch"
Hach, auf einmal ist man wieder 7 Jahre alt.
War eines meiner ersten Konzerte.
Wundert mich wirklich, dass es die Jungs noch gibt.
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