Jónsi - Obsidian

Krunk
VÖ: 30.10.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Urgestein

Vonlenska und Elbisch sind beides Kunstsprachen. Elbisch hat sich der Autor J.R.R. Tolkien ausgedacht. Die Sprache funktioniert nach festen Regeln und ist so komplex, dass sie ganze Wörterbücher füllt. Vonlenska hingegen ist intuitiv und vor allem dafür da, gesungen zu werden. Und zwar exklusiv von Jónsi, dem Mastermind von Sigur Rós. Der isländische Künstler nutzt die Fantasiesprache gern, um sich in seine Tracks einzufühlen, bevor er sie final in seiner Muttersprache Isländisch oder auf Englisch einsingt. Auf Jónsis drittem Soloalbum "Obsidian" dominiert Isländisch. Das wird schon bei den Songtiteln sichtbar: Namen wie "Öskufall" (Ascheregen), "Kvika" (Magma) oder der nach dem vulkanischen Gesteinsglas benannte Titeltrack, zeigen, wie viel heimatliche Bilder in "Obsidian" stecken.

Auch musikalisch ist Jónsis jüngstes Werk wieder ein Schritt zu den Wurzeln. War das mit internationalen Gaststars gespickte Vorgängeralbum "Shiver" noch poppig und extrovertiert, ist "Obsidian" eine intime und homogene Innenschau geworden. Die ersten Tracks "Vikur", "Ambrox" und "Kvika" laufen fast organisch ineinander. Trotzdem entwickeln sie eine ganz eigene Dramaturgie, die sich zwischen sphärischer Freiheit und düsterer Beklemmung zum Finale von "Pyralone" schleicht. Der Track ist ein früher Höhepunkt des Albums und Jónsis erste Berührung mit Beats auf "Obsidian". Diese Berührung ist sehr innig, rüttelt aber trotzdem wach. Spätestens als sich der Refrain mantraartig durch die nächsten Tracks schraubt, steigert sich das Album zu einem langen dramatischen Höhepunkt. Teilweise ist das perfekt tanzbarer Elektropop, teilweise leichtfüßiger Ambient. Und Jónsis freigebrochener Falsettgesang ist wie die Hauptfigur, durch die dieser Film Sinn ergibt.

Überhaupt: die Dramaturgie. Erst in diesem Jahr hat Jónsi die Musik zur Tom-Clancy-Verfilmung "Without remorse" beigesteuert. Und auch "Obsidian" könnte ein Soundtrack sein. Allerdings keiner, zu dem ein Film gedreht werden muss. Dazu erzeugt die Musik schon von ganz alleine faszinierende Bilder - vor allem, wenn "Obsidian" in voller Länge läuft. Einige Einzeltracks wie "Cypriol" oder "Eyja" sind zwar sehr stark und lösen eine mittelschwere Versuchung aus, die Repeattaste zu drücken. Noch spannender ist es allerdings, zu warten, wie der nächste Track das Album weiter treibt. Und das passiert bis zum letzten Lied auf immer wieder vertraute, aber trotzdem überraschende Art.

Ganz ins Leere hat Jónsi "Obsidian" allerdings nicht gedroppt. Das Album ist zeitgleich mit seiner gleichnamigen Kunstausstellung erschienen, die momentan in der Tanya Bonakder Gallery in New York gezeigt wird. Beides zusammen bietet sicher einen großartigen Mehrwert. Ob man dazu allerdings die CBD-Öle braucht, die Jónsi jetzt ebenfalls auf den Markt bringt, ist eine ganz andere Frage. Vielleicht kann sie der Künstler ja irgendwann selbst beantworten. Gerne auch in Vonlenska.

(Dominik Steiner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pyralone
  • Cypriol
  • Eyja

Tracklist

  1. Vikur
  2. Ambrox
  3. Kvika
  4. Pyralone
  5. Obsidian
  6. Cypriol
  7. Eyja
  8. Öskufall
  9. Vetiverol
  10. Hedione
Gesamtspielzeit: 60:07 min

Im Forum kommentieren

Armin

2021-11-17 22:18:23- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

The MACHINA of God

2021-11-01 19:13:39

Mir gefällt es aufs erste Ohr.

Felix H

2021-10-31 19:16:02- Newsbeitrag

Überraschend ist sein drittes Album draußen, gleichzeitig Soundtrack zu einer Kunstinstallation.

Kompletter Stream:

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