Joe Strummer & The Mescaleros - Streetcore
Hellcat / Epitaph / SPVVÖ: 20.10.2003
Der letzte Weg
Es gibt Straßen, die möchte man nur einmal bestreiten, auf anderen Pfaden jedoch kann man ewig wandeln. Manche Leute, die stets neue Ufer suchen, mögen jene als langweilig und wenig kreativ geißeln, die sich konzentrieren auf die dann doch immer wieder neuen Nuancen des vorgeblich längst Bekannten. Und so findet sich im Simplen das sorgfältig versteckte Juwel, das für die Einzigarkeit sorgen kann. So einfach ist das.
Ein Beispiel gefällig? Man nehme einen sattsam bekannten Akustiksong eines nicht ganz unbekannten Künstlers, und spiele diesen neu ein. Das klingt anfangs, als hätte Joe Strummer nur mal testen wollen, ob sein Gitarrenspiel reicht, um Bob Marleys "Redemption song" nachspielen zu können. Doch durch den subtilen Einsatz von Harmonika und Joes Gesang wird das Stück vom Hintergrund in Reggae und Jamaikanischer Geschichte befreit und in ein melancholisches irisches Traditional überführt, ohne dabei altbacken zu wirken.
Allerdings ist auch dieses dritte Album von Joe Strummer & The Mescaleros keines, das ins Regal "Weltmusik" gehört, nur weil bei einigen Stücken ungewöhnliche Musikinstrumente zum Einsatz kommen. Ganz im Gegenteil ist "Streetcore" überwiegend eine Rock'n'Roll-Scheibe. Was auf den ersten beiden Platten nicht immer ausgewogen schien, wird hier auf den entscheidenen Kern reduziert. Ja, es gibt wieder modernes elektronisches Spielzeug, aber nicht als Selbstzweck, sondern um bei Songs wie "Arms aloft", die auch problemlos auf ein Clash-Album passen würden, die nötige Komplexität zu erzeugen, um länger in Hirn und Gehörgang zu verbleiben.
Die gute Nachricht lautet also, daß wir hier keineswegs den dritten mühsamen Versuch eines alten Rockheroen haben, noch einmal Aufmerksamkeit zu erheischen. Sondern ein richtig klasse Stück Rockmusik, dessen unaufgeregte, aber intensive Umsetzung auf die unglaubliche Erfahrung, Power und Eingespieltheit aller Beteiligten schließen läßt. Aber die Mescaleros sind nicht die Dire Straits: Der Kern der Sache, sowohl der Musik als auch der Texte, ist die Straße als Sinnbild der rauhen, ungeschminkten Wirklichkeit. Und die Suche nach Auswegen läßt nach mehr oder weniger zweifelhaften Strohhalmen greifen.
Die ungeschminkt schlechte und traurige Nachricht ist, daß sich Joe Strummer am 22. Dezember 2002 aufgemacht hat, einen neuen, letzten Weg zu bestreiten. Alles Gute.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Arms aloft
- Ramshakle day parade
- Midnight jam
Tracklist
- Coma girl
- Get down moses
- Long shadow
- Arms aloft
- Ramshackle day parade
- Redemption song
- All in a day
- Burnin' streets
- Midnight jam
- Silver and gold
Referenzen
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