Coldplay - Music of the spheres

Parlophone / Warner
VÖ: 15.10.2021
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Flipchartpop

"Look at the stars / Look how they shine for you." Von ihrem ersten Durchbruch an waren Coldplay nie die Meister verschlüsselter Metaphern. Chris Martin trug stets das Herz auf der Zunge, entpuppte sich schnell als extrovertierter Gefühlsmensch – und die Band folgte im Sound. Wenn ihr neuntes Album "Music of the spheres" also Zeilen wie "You are my universe / And I just want to put you first" enthält, ist das gar keine Abkehr an sich. Der Vortrag klingt jetzt allerdings so: "You! (You!) / You are! (You are!) / My universe! / And I! (I!) / Just want! (Just want!) / To put you first!" "Music of the spheres" setzt das Muster fort, das Coldplay seit "A rush of blood to the head" pflegen: Auf ein mutigeres, tiefsinnigeres Werk folgt eines, das sich mit Herzenslust an die Masse anschmiegt. Die dezenten Experimente von "Everyday life" sind hier wieder ganz weit weg.

Stattdessen knüpfen die Stücke mit der Hilfe von Charts-Überguru Max Martin bei Komposition und Produktion an das überwiegend furchtbare "A head full of dreams" an. Die drei Singles machen zumindest alles besser: "Higher power" recycelt den Achtziger-Schmiss von (Max) Martins Hits mit The Weeknd und wenn man die Lyrics nicht mitliest, bekommt man sogar von der Fremdscham-Stelle "I'm like a broken record and I'm not playing right / Drocer nekorb a ekil im" nichts mit. Noch eine Nummer größer mag es das zuvor zitierte "My universe" mit BTS, nicht nur im K-Pop die wohl größte Band zur Zeit. Das ist samt dem völlig aus dem CGI-Ruder gelaufenen Videoclip natürlich extrem kalkulierte Massenware – aber sie funktioniert in ihrer Überdrehtheit. Die ausgebreitete Geste trifft mit flächigen Synths mitten ins Ziel. Handwerk bleibt eben Handwerk.

Außerdem ist da noch "Coloratura", jener zehnminütige Longtrack am Ende der Platte. Vielleicht in der Wahrnehmung etwas zu aufgebauscht, steht im Kern dort doch ein sehr hübsches Stück orchestralen Pops, das sich durch verschiedene Phasen morpht. Ein großes Ganzes ergibt es zwar nicht zwingend und zu den besten Songs der Band zählt es auch nicht, für das abschließende Highlight auf "Music of the spheres" reicht es aber dennoch. Die Rolle hier erinnert an ein invertiertes "A sky full of stars", jenen EDM-Versuch, der die gedämpfte Stimmung auf "Ghost stories" damals völlig unterbrach. "Coloratura" passt wiederum in dieses Sammelsurium nicht hinein mit seiner ausladenden Struktur und seinen höheren Ansprüchen. Diese liegen von (Chris) Martins Seite für "Music of the spheres" übrigens darin, ein Album zu schaffen, das von der Cantina Band aus "Star wars" inspiriert eine Musikertruppe aus den Weiten des Alls simulieren soll.

Das ist natürlich gehobener Blödsinn und passt leider zu allem, was hier nicht als Vorab-Single fungiert hat. Best of the rest ist "Humankind", das zumindest noch solange den Synthpop erfolgreich jongliert, bis die strunzdoofe Zeile "Capable of kindness, so they call us humankind" Facepalm-Choreografien hervorruft. "Music of the spheres" scheitert in der Folge daran, ein emotionales Zentrum aufzubauen. Die Ballade "Let somebody go" ist mit ihrem MOR-Quatsch und schon tausendfach gehörten Lyrics so anonym und egal, wie ein Song nur sein kann, und das A-cappella-Stück "Human heart" wäre als Interlude in Ordnung, zieht sich aber viel zu lang. Viel schlimmer ist jedoch die Mickey-Maus-Stimme im ohnehin schon dünnen "Biutyful", welche die Zeh- und Fingernägel zur Flucht bringt. Was sich Coldplay außerdem bei "People of the pride" gedacht haben, bleibt ihr Geheimnis. Eine Parodie auf die späten Muse samt Bratzgitarren und diffusen Versen gegen diffuse Obrigkeiten ist zwar lustig, passt aber nicht auf eine Platte mit diesen Pop-Ambitionen.

Die werden im vorletzten Track "Infinity sign" klar ausformuliert. Hier gibt es Umz-umz und "Olé olé olé"-Chöre fürs Stadion gleich frei Haus geliefert, um später noch Esoterik-Käse drüberzustreuen. Quasi die Fertigmischung für die anstehende Welt-Tournee. Coldplay ist wirklich nichts mehr peinlich, nicht die Emojis, die fünf der Songtitel in der Tracklist ersetzen, nicht das konzeptuelle Gehabe, das nie mit Leben gefüllt wird und deshalb nullkommanull Tiefe entstehen lässt. Und natürlich nicht so etwas: "We had a kind of love / I thought that it would never end / Oh my lover, oh my other, oh my friend." Das wäre okay, wenn wenigstens musikalisch mehr drin wäre. Von "Music of the spheres" bleiben aber nur drei ordentliche bis gute Songs, die immerhin fast die Hälfte der Spielzeit ausmachen und das Entsetzen darüber, wie viel luftleeren Raum dieses Album ansonsten enthält.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Higher power
  • My universe (feat. BTS)
  • Coloratura

Tracklist

  1. Music of the spheres
  2. Higher power
  3. Humankind
  4. Alien choir
  5. Let somebody go (feat. Selena Gomez)
  6. Human heart (feat. We Are King & Jacob Collier)
  7. People of the pride
  8. Biutyful
  9. Music of the spheres II
  10. My universe (feat. BTS)
  11. Infinity sign
  12. Coloratura
Gesamtspielzeit: 41:51 min

Im Forum kommentieren

nörtz

2024-10-07 19:28:29

58/100 bisher bei metacritic.

Huhn vom Hof

2024-10-07 19:17:31

"Higher Power" geht ja irgendwie so gerade noch. Aber "My Universe" ist IMHO ein Ausfall.

+oder-

2024-10-07 18:06:45

Sehe gerade "Higher Power" und "My Universe" in der Rezi als Highlights gemarkt...

Herr

2024-08-20 21:19:20

Ich finde auch alles super was die machen. Aber deshalb muss man das ja noch lange nicht hören. Dazu wäre mir meine Zeit zu schade.

jo

2024-08-20 20:02:21

Immerhin das, wenn sie schon Mondpreise (passend zum neuen Album?) verlangen :D.

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