Clinic - Fantasy island

Domino / GoodToGo
VÖ: 22.10.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
10/10

Sie, am Strand

Was wohl am meisten nervt an Covid-19? Quarantäne, Kontaktbeschränkungen, Mund-Nasen-Schutz? Sehen wir's positiv: Wenigstens kennt inzwischen jeder den Unterschied zwischen FFP2-, OP- und Alltagsmaske. Clinic können über diese Erkenntnis allenfalls müde lächeln: Die Spezialisten für synthetische Indie-Psychedelia und kleine, feine Krautrock-Katastrophen mit der Geisterhaus-Tröte bestreiten ihre Auftritte seit jeher im Chirurgen-Outfit. Neuerdings ist sogar die ABC-Variante hinzugekommen – wer weiß, wann und wo man sie noch brauchen wird. Vielleicht sogar auf der "Fantasy island", die dem neunten Longplayer der Briten den Titel gibt, nachdem zum Abschluss des Vorgängers "Wheeltappers and Shunters" bei "New equations (at the Copacabana)" bereits eine Art Fernweh aufblitzte – und sei es nur nach paradiesischen, radioaktiv verstrahlten Sandstränden, auf die eine Sonne aus grünem Käse hinabscheint. Ihre Maschinen? Haben Ade Blackburn und sein Mitstreiter Jonathan Hartley wie immer dabei.

Weswegen der Sound der zum Duo geschrumpften Band auch in der Sommer-, na ja, frische so unverkennbar bleibt wie eh und je. Selbst auf "Neptune", ihrem Album unter dem Alias Higher Authorities zum Weltkiffertag 2016, klangen Blackburn und Hartley schließlich so deutlich nach Clinic, dass sie sich die Umbenennung genauso gut hätten sparen können. Auch "Fantasy island" eröffnet mit "The lamplighter" wieder einer der schrägen Typen, die in Gestalt von "The equalizer", "Pet eunuch" oder "Monocle man" regelmäßig durch die Platten der Liverpooler irrlichtern. Vorzugsweise zu einem analog zischelnden Elektro-Engtanz, dem ein spukiges Etwas zwischen Mellotron und Mundharmonika ein derart gerüttelt Maß an jenseitiger Romantik verleiht, dass man fast vorübergehend den Mundschutz lüften möchte. Und ist das Ding schon mal ab, geht es anschließend schnurstracks zum "Fine dining" im maximal schummrig ausgeleuchteten Speiseraum, wo zusätzlich diskrete Ätz-Gitarren das Fleisch mühelos vom Knochen lösen. Mahlzeit.

Damit es kein langweiliger Pauschalurlaub wird, haben sich Clinic natürlich ein paar verblüffende Dinge einfallen lassen. Zum Beispiel den für ihre Verhältnisse mit mehr als fünf Minuten überlangen Popowackler "Refractions (in the rain)", der sich dank zwingender Sequenz und Ohrwurm-Lick problemlos auf die Tanzfläche verirren könnte – effektiver wurden The Velvet Underground selten durch den Suicide-Wolf gedreht. Weniger subtil, dafür mit säurehaltigem Art-Punk-Gestus macht das Titelstück den Lauten und positioniert sich in direkter Nachbarschaft von Stampfern wie "Seesaw" oder "Tusk". Ganz weit raus schwimmen Blackburn und Hartley jedoch bei der entwurzelten Interpretation von Ann Peebles' Evergreen "I can't stand the rain": Dampf-Orgel und Fuzz-Riff geraten ins Träumen, Erinnerungen an die vergleichbar außerirdische Cover-EP "Ladies night" von 2011 werden wach. Da kann das "Grand finale" ruhig im Kleinen stattfinden – am Ende ist das Grinsen unter der Maske ein breites. In welcher Hinsicht auch immer.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The lamplighter
  • Fine dining
  • Refractions (in the rain)
  • Fantasy island

Tracklist

  1. The lamplighter
  2. Fine dining
  3. Take a chance
  4. Refractions (in the rain)
  5. Dreams can come true
  6. Miracles
  7. On the other side ...
  8. Fantasy island
  9. I can't stand the rain
  10. Feelings
  11. Hocus pocus
  12. Grand finale
Gesamtspielzeit: 34:01 min

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Armin

2021-10-20 20:58:51- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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