Biffy Clyro - The myth of the happily ever after

14th Floor / Warner
VÖ: 22.10.2021
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

A sort of homecoming

"Ob Norden, Süden, Westen, Osten – zu Hause ist es doch am bosten." Was für ostfriesische Blödelpoeten gilt, kann für schottische Rockbands (no pun intended) nicht verkehrt sein. Zu einer Zeit, in der das mit dem In-die-Ferne-Schweifen sowieso nur mittelgut klappte, lag das Gute umso näher. "The myth of the happily ever after" ist Biffy Clyros zehntes Studioalbum, aber das erste, das sie in unmittelbarer Heimatnähe aufgenommen haben. Titel und Artwork nehmen direkten Bezug auf den Vorgänger "A celebration of endings" – diesmal soll es aber ein gleichwertiges Brüderchen sein statt einer B-Seiten-Kollektion oder einem als Soundtrack getarnten Album wie "Balance, not symmetry", das damals den Pop von "Ellipsis" weitgehend rausbügelte. "The myth of the happily ever after" besinnt sich noch mehr als "A celebration of endings" darauf, was Biffy Clyro ursprünglich mal groß machte: die Verbindung von Verstörung und Krach mit zauberhaften Melodiepassagen. Und führt das Trio endgültig in die passende Spur in ihrer Stadionrock-Phase.

Es ist nicht so, dass diese elf Stücke so komplex und wendig wären wie zu Zeiten von "The vertigo of bliss" oder "Infinity land". Aber schon die famose Single "A hunger in your haunt" zeigte, dass auch ein waschechter Hit eine Prise Geschrei und eine unüblich sperrige Coda vertragen kann. Damit wird die Behauptung "This is how we fuck it from the start" aus dem sphärischen Opener "DumDum" natürlich je nach sinnbildlicher Bedeutung Lügen gestraft oder wahrgemacht. "Denier" traut sich noch einen Schuss mehr Melodie und verdichtet den Sound auf tolle Weise. Endgültig im Bandolymp kommt die Platte daraufhin mit "Separate missions" an. Das scharfe Kreischen, welches die Strophen durchzieht, kontrastiert sich auf wunderbare Art mit dem schönen Falsettrefrain, den Simon Neil zu anmutigen Synths und Gitarrenspuren aufs Parkett legt. Wie prädestiniert, um eines der zahlreichen Covers der Landsleute von Chvrches zu werden.

"The myth of the happily ever after" lässt sich auch nach diesem sensationellen Beginn ungern festnageln. Grundsätzlich ist die Produktion massiv, die wuchtigen Parts drücken, aber eindimensional auf dicke Hose macht hier nichts. Das pompöse Gebläse von "Witch's cup" gibt immer wieder einen sensiblen Kern frei und schwankt gekonnt zwischen Extremen. Wer außerdem bei "Holy water" oder "Haru Urara" schon großzügige Entspannungspausen vermutet, darf sich von überraschenden, teils brutalen Abschlüssen die Matte wegföhnen lassen. Die traurige Ode an einen früheren Wegbegleiter "Unknown male 01" breitet sich episch aus. "Step out to the unknown / I'll catch you on the way down", singt Neil, bevor der Song nach gut zwei Minuten loszetert. Auch hier steigert sich das Stück wie in einen finalen Rausch hinein – ein Kniff, der auf "The myth of the happily ever after" Methode hat.

"Existed" ist tatsächlich das einzige Mal, dass auf der Platte das Wort "Ballade" ungehindert fallen darf. Synth und Drumbeat sorgen zwar nicht für ein Highlight, aber es toppt als hübsche Auflockerung vergangene Versuche wie "Re-arrange" oder "Space" mit links. Und letztlich braucht es ein Gegenstück zu dem, was Biffy Clyro im Closer "Slurpy slurpy sleep sleep" abfackeln. Wer noch "Cop syrup" vom Vorgänger oder den "Ellipsis"-Abschluss der Herzen "In the name of the wee man" im Gedächtnis hat, darf sich hier neue Verkabelung abholen. Vocoderstimmen wiederholen den Titel als Mantra, und unvermittelt setzt ein Gewitter ein, das zu den härtesten Momenten der Band gehört und schon jetzt Bock auf die Live-Umsetzung macht. Ehrensache, dass der melodische Mittelteil zum Luftholen Zeit gibt, bis das Grande Finale noch eine Schippe drauflegt, lauter und lauter wird und schließlich mit heller Flamme verglüht. "There's a mystery at large / And the story should be beautiful / We're just another species to explode / I'm ready to explode", heißt es vier Songs vorher in "Errors in the history of God". Schönheit und Explosion – einfach bei Biffy Clyro nachfragen, wie das unter einen Hut geht. Die können es am bosten.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • A hunger in your haunt
  • Denier
  • Separate missions
  • Slurpy slurpy sleep sleep

Tracklist

  1. DumDum
  2. A hunger in your haunt
  3. Denier
  4. Separate missions
  5. Witch's cup
  6. Holy water
  7. Errors in the history of God
  8. Haru Urara
  9. Unknown male 01
  10. Existed
  11. Slurpy slurpy sleep sleep
Gesamtspielzeit: 49:57 min

Im Forum kommentieren

MickHead

2025-01-30 16:06:44

The Scottish rock trio took to social media earlier this week to confirm that they are back together and have something in the works.

It isn’t yet clear exactly what the band has planned, and their return will likely mark them either beginning rehearsals for upcoming live shows or heading back to the studio to work on their first new album since 2021.

Leech85

2022-07-04 16:01:30

Das gesamte Album ist top! Vor allem Slurpy und Unknown Male 01!!!Solche Songs haben Biffy schon seit Jahren nicht mehr geschrieben.

regger

2022-07-04 14:54:32

Aber auch Errors...hat einen geilen Songaufbau

regger

2022-07-04 14:53:04

Holy Water is ein richtiger Grower...Über die Zeit seit der Erscheinung aber auch innerhalb des Songs...

hesmovedon

2022-01-02 12:26:04

Wieder mal ein echter Grower mit hoher "Hitdichte"
Ähnlich wie damals bei Opposites, und das war ja in der Redaktions-Jahreswertung auf Platz 3, wenn ich mich richtig erinnere. Bin gespannt, ob TMOTHEA diesmal auch vorne dabei ist.
Was bei "Slurpy Slurpy Sleep Sleep" abläuft, ist einfach nur geil. Wäre der perfekte Titelsong für den nächsten Lego-Movie ;-)

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