Wolfgang Petry - Auf das Leben

Na klar! / Sony
VÖ: 24.09.2021
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Scheißegal, ich liebe Dich

Wir schreiben das Jahr 2004. Der gerade zur Volljährigkeit herangereifte Rezensent bildet mit Freunden eine Fahrgemeinschaft zur Schule in der nahegelegenen Kleinstadt. Wer am Lenkrad sitzt, bestimmt auch, welche Musik läuft. Weshalb aus den Boxen des froschgrünen, verbeulten Opel Corsa nicht nur Muff Potter, Sick Of It All und Morrissey plärren – sondern auch Wolle Petry. Zumindest für eine Weile. Denn irgendwann verschwindet die selbstgebrannte CD, auf die mit dickem Edding "Wolfgang Petry Hit-Mix" gekritzelt ist, spurlos. Bis heute steht der Verdacht im Raum, dass Hymnen wie "Ruhrgebiet" und "Der Himmel brennt" einen gewissen Mitfahrer schlicht in den "Wahnsinn" beziehungsweise zur Anwendung unlauterer Mittel getrieben haben. Wie auch immer, wenig später war die Kleinstadt ebenso Geschichte wie der Kleinwagen – und auch Wolfgang Petry sagte Servus, war schön mit Euch, macht's gut. Nur, dass es Franz Hubert Wolfgang Remling, wie der Schlagersänger mit bürgerlichem Namen heißt, auf dem Altenteil nicht lange aushielt.

"Auf das Leben" ist nach "Brandneu" und "Genau jetzt!" schon das dritte Album nach dem Abschied vom Abschied, dazu kommen zwei Veröffentlichungen mit der Pete Wolf Band. Und es geht gut los: "Kämpfer" klingt nach der Resterampe eines drittklassigen Schlagerproduzenten aus den Achtzigern und reiht Plattitüde an Plattitüde, hat aber andererseits auch ein paar gelungene Reminiszenzen in petto. Anstelle des Himmels hat nun die Erde Feuer gefangen und einen gewissen Kraftausdruck hat man früher schon mal gehört. Überhaupt zaubern die Texte nicht selten ein breites Grinsen ins Gesicht. Hier werden ausgelutschte Phrasen und schiefe Metaphern mitunter so wild durcheinander gewirbelt, dass es eine Freude ist – auch wenn sich die tiefere Bedeutung nicht immer auf Anhieb erschließen mag. "Adler" beispielsweise handelt von… ja von was eigentlich? Krieg und Frieden? Freiheit und Sehnsucht? Herz? Schmerz? Tierschutz? Da lobt man sich eher bodenständige Songs wie "Auf das Leben" und "Von vorne", die Mut machen und einem zum Schluss auch noch einen gut gemeinten Sinnspruch mit auf den Weg geben: "Doch auf eines ist Verlass: Auf gar nix ist Verlass."

Was dann aber doch nicht so ganz stimmt. Zumindest bei Wolfgang Petry weiß man nämlich immer, woran man ist. Auch im Rentenalter präsentiert er sich als der normale, kumpelige Typ von Nebenan, als einer mit großem Herz und unbändiger Lebensfreude, aber auch mit Ecken und Kanten: "Hab' keine Waschmaschine/ Mag keinen grünen Tee / Ich trage namenlose Jeans / Und mache, was ich will." Ja so ist er halt, der Wolle. Immer ehrlich, immer direkt, aber ganz besonders, wenn es um die Gefühle geht. Um Freundschaft. Um Liebe. "Wir sind wie ein Gedicht / Denn du reimst dich auf mich." Und wo wir noch bei den lyrischen Höhepunkten sind: Dass einem vieles bekannt vorkommt, hat mitunter auch den einfachen Grund, dass es sich tatsächlich wiederholt. "Sinn den Lebens" und "Auf der Suche" haben exakt den gleichen Text. Die aufbauende Message – "Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens / Ruht die Wahrheit in dir selbst" – ist aber vielleicht auch einfach zu tiefgründig und wichtig, um sie nur in einem einzigen Song auszudrücken.

Musikalisch ist "Auf das Leben" übrigens nicht durchgängig so öde, wie es der Opener befürchten lässt. Hier eine ruhige Klavierballade und dort ein paar Reggae-Anleihen sorgen für eine gewisse Abwechslung, "Rattenscharf" fährt sogar Bläser auf und versucht sich am Blues. Dazu schwelgt Wolfang Petry in Erinnerungen an die Gefährten von früher und die guten alten Zeiten: "Ich liebte lange Solis, dann konnt' ich rauchen geh'n". Was jetzt ein bisschen blöd ist, denn den Zigaretten hat er vor einigen Jahren abgeschworen. Aber das Prinzip ist klar: Es geht einerseits um Nostalgie. Früher war's irgendwie besser, auch wenn es nicht viel anders war. Noch wichtiger ist aber Beständigkeit. Der zünftige Schlagerrock von "Auf das Leben" wirkt maximal aus der Zeit gefallen, ja rückwärtsgewandt, ist aber gewissermaßen zeitlos – weil Aktualität für diesen Künstler und seine Musik noch nie eine Rolle spielte. Was nie modern war, kann aber auch nicht außer Mode kommen. Vor wenigen Tagen feierte Wolfgang Petry seinen 70. Geburtstag. "Ich hab' noch immer Bock / Es muss noch immer raus", singt er im Refrain von "Rattenscharf". Dann mal auf die nächsten zehn.

(Markus Huber)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Rattenscharf
  • Auf das Leben
  • Von vorne

Tracklist

  1. Kämpfer
  2. Rattenscharf
  3. Sinn des Lebens
  4. Ich heiße Freiheit
  5. Adler
  6. Auf das Leben
  7. Eine Sekunde
  8. Liebe ist geil
  9. Sturzflug
  10. Von vorne
  11. Geboren für den Augenblick
  12. Bestimmung
  13. Wenn die Liebe nicht mehr weiter weiß
  14. Magisch
  15. Auf der Suche
  16. Rattenscharf (Das längste Rauchersolo der Welt)
Gesamtspielzeit: 59:44 min

Im Forum kommentieren

Darno Übel

2022-07-05 23:23:28

Aufdrehen und krass headbangen! 10/10

Dare yaaa

2021-09-30 21:20:51

Die hat er wohl schon vor längerer Zeit abgenommen. Nicht mehr wiederzuerkennen der Gute. Auch nicht musikalisch. Ob das zusammenhängt? Ich finde die 4 von 10 nett. :) Ach wolle

Grizzly Adams

2021-09-30 20:33:59

Ich wusste gar nicht, dass der längste Single der Welt noch lebt… aber ok, schön, dass es ihm gut geht. Trägt er eigentlich noch diese eineinhalb Pfund Freundschaftsbänder am Arm?

Armin

2021-09-30 19:57:51

Wolfgang Petry UND Peter Maffay? Langsam wird's wild hier. Gab's echt nichts Besseres?


Und in der Vorwoche noch gefühltes allgemeines Naserümpfen über lauter unbekannte 7/10.

Bernd

2021-09-30 14:06:55

Aufdrehen und krass beadbangen!

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