Lindsey Buckingham - Lindsey Buckingham

Rhino / Warner
VÖ: 17.09.2021
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Go your own way

"Lindsey Buckingham" ist ein trickreiches Album. Nach den jüngsten Lebensturbulenzen ihres Urhebers bietet sich jede Zeile, jedes Detail im Entstehungsprozess dieser selbstbetitelten Platte dazu an, sie auf jene Ereignisse hin zu befragen: auf die lebensbedrohliche Herzattacke, auf die Scheidung nach über 20 Jahren Ehe und, na klar, auf den Rausschmiss bei Fleetwood Mac, die sich vor dem Einstieg ihres Gitarristen, männlichen Lead-Sängers und, wie manche munkeln, heimlichen Masterminds nicht gerade auf dem Weg in den Pop-Olymp befanden. Buckinghams siebtes Solo-Album ist also das erste ohne Band und wirkt wie aus dem Trotz gegenüber diesem Umstand heraus geboren. Komplett alleine hat er es aufgenommen, jedes Instrument selbst gespielt, alle Drumcomputer selbst programmiert und sogar die weiblich klingenden Background-Vocals selbst gesungen – wer braucht schon Stevie Nicks und Christine McVie, wenn man einen Computer und Stimmmanipulations-Software hat? Doch jetzt kommt der Clou: "Lindsey Buckingham" entstand bereits vor dem ganzen Trubel. Die privaten Krisen waren – gemeinsam mit einer gewissen Pandemie – der Grund, warum das Werk drei Jahre in der Schublade lag, und nicht, warum es überhaupt existiert.

Vielleicht klingt Buckingham deshalb hier nicht verbittert oder niedergeschlagen, sondern so befreit, als hätte er mit besagten Tiefpunkten schon abgeschlossen, bevor sie überhaupt stattfanden. Der Opener "Scream" schrummt die Akustische voller Elan, verarbeitet Gläserklirren und Fußstampfen zur Percussion und zeigt vor seiner Lüsternheit ebenso keine Scham wie vor charmanten Quatsch-Zeilen à la "Down in the valley / Hearts dilly-dally." Der mit diversen Vocal-Effekten spielende Jangle-Pop von "I don't mind" erinnert an "Tango in the night" und auch das ähnlich treibende "On the wrong side" hätte sich mit seinem turmhohen Refrain und dem noch weiter nach oben schießenden Solo ohne Qualitätsschramme in das Schaffen der Ex-Band eingefügt. In solchen Stücken beherrscht der 71-Jährige Gitarrenspiel und Melodien weiterhin auf Top-Niveau und schüttelt sie so unverkrampft aus dem Ärmel, dass selbst das Kinderprogramm-taugliche "Blue light" nicht aus dem Rahmen fällt. Klar ließe sich trotz Hintergrundwissens jedes Wort nach autobiografischen Enthüllungen abscannen – ob das folkige Pozo-Seco-Singers-Cover "Time" mit seinem markanten "Some folks treat me mean" wirklich schon 2018 auf dem Album war? Sinnvoll ist das freilich nicht, zumal weder die abstrakten Lyrics um Liebessehnsucht und Selbst-Empowerment noch das DIY-Ethos ein Novum in Buckinghams Diskografie darstellen.

Die Songs sind also nicht das Problem auf "Lindsey Buckingham". Vielmehr ist es die Produktion, die sich so anhört, als hätte ein halbmotivierter Jungmusiker mit den Presets seines Audioprogramms seine erste EP für Bandcamp hingerotzt. Eine Begleitband hätte einem eigentlich schönen Stück wie dem Sechziger-Schmachter "Blind love" nicht nur mehr rhythmische Tiefe verliehen, sie hätte ihrem Maestro vielleicht auch von einem misslungenen Experiment wie "Power down" abgeraten – wobei zumindest der "Swan song" mit seinem wahnwitzigen Mix aus Jungle-artigen Beats und spanischer Gitarre eine seltsam launige Faszination ausstrahlt. Nimmt man dann noch den schnarchigen Closer "Dancing" dazu, verfestigt sich der unrunde Eindruck eines Albums, bei dem definitiv mehr dringewesen wäre. Dabei klingt Buckingham gerade im späten Highlight "Santa Rosa" so sehnsuchtsvoll, so emotional präsent wie lange nicht, als sei die Geschichte um den Weggang einer geliebten Person ganz vielleicht doch inspiriert gewesen von einer realen, allmählich zerfallenden Ehe …? Mist, jetzt sind wir doch in die Falle getappt.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I don't mind
  • On the wrong side
  • Santa Rosa

Tracklist

  1. Scream
  2. I don't mind
  3. On the wrong side
  4. Swan song
  5. Blind love
  6. Time
  7. Blue light
  8. Power down
  9. Santa Rosa
  10. Dancing
Gesamtspielzeit: 36:44 min

Im Forum kommentieren

Kojiro

2025-09-23 14:39:47

Long Distance Winner & Frozen Love 10/10. Rest des Albums ebenfalls großartig. Die Beiden wären sicher auch als Duo unfassbar erfolgreich geworden. Das Talent war / ist da.

MickHead

2025-09-19 10:10:27

"Buckingham Nicks" (Komplette Playlist bei YouTube):

https://youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_m_vZLKxjdd40ijYVwEqpKJcobOTmRhziY&si=pIjvxyiFxjmY5ts9

Rolling Stone 4.5/5

https://www.rollingstone.de/reviews/lindsey-buckinghamstevie-nicks-buckingham-nicks-anmutig/

Kojiro

2025-07-23 20:35:00

Cool! Ich hab die Japan-Pressung des Originals mit originalem OBI in Top-Zustand hier auf Vinyl. In dem Zustand kaum zu bekommen.

Schönes Reissue. Werde ich mir holen.

MickHead

2025-07-23 20:16:26

Das Kultalbum "Buckingham Nicks" von 1973, erlebt am 19.09. ein Reissue.

Die kommende Neuauflage enthält registrierten Ton von den originalen analogen Masterbändern und wird auf Vinyl, CD und digital erhältlich sein.

"Crying In The Night"

https://youtube.com/watch?v=RlCzwEdrX8Y&si=BCcJyotZM7xNFx7r

Tracklist:

Side One
01 “Crying In The Night”
02 “Stephanie”
03 “Without A Leg To Stand On”
04 “Crystal”
05 “Long Distance Winner”

Side Two
06 “Don’t Let Me Down Again”
07 “Django”
08 “Races Are Run”
09 “Lola (My Love)”
10 “Frozen Love”

Kojiro

2022-03-05 14:59:06

Höre ich gerade mal wieder nach langer Zeit. Natürlich: Pandemie, erschwerte Bedingungen, aber wirklich schade, dass das Album an der oft zu billigen Produktion krankt. Irgendwie sympathisch, aber mit ordentlicher Produktion wäre sehr viel mehr dring gewesen.

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