Thief - The 16 deaths of my master

Prophecy / Soulfood
VÖ: 27.08.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bruder Langfinger

Mal ehrlich: Immer nur Hackbrett spielen ist auch langweilig. Dachte sich offenbar Dylan Neal, der das altertümliche Instrument bei den Black-Metallern Botanist bediente – grob verzerrt, versteht sich. Es wurde also Zeit für Thief, ein eigenes Projekt mit ähnlich grimmigen Inhalten, aber anderem musikalischem Schwerpunkt. Blastbeats, Growls und Riff-Extremfälle raus, Elektronik, verquere Rhythmen und verlangsamte Mönchschöre rein. Wie passend, dass der Mann aus Los Angeles in einem Zen-Buddhisten-Kloster wohnt und in die umliegende Botanik ging, um die aggressiveren Vocal-Parts seines dritten Albums nach "Thieves hymn in D-minor" und "Map of lost keys" aufzunehmen. Zeitgleich erscheint außerdem mit "EP0: Cicatrix / Diamond brush" ein Split-Release mit den immer noch verbandelten Botanist – wenn das nicht eine Menge Holz ist.

Doch während sich die Corpsepaint-Gestalten in den Wäldern Norwegens bei diesem Stichwort aufmachen, um die nächste Kirche abzufackeln, fährt Neal lieber die Maschinen hoch und treibt seine Ulver-Werdung weiter voran. "The 16 deaths of my master" macht es nicht unter der Track-Anzahl im Titel und eröffnet mit dem verwilderten Synth-Rocker "Underking", der das Witch-House-Schlürfen und die Dubstep-Hauntology von "Map of lost keys" in Sachen Tempo locker hinter sich lässt. Auch darüber hinaus streckt der Kalifornier seine Langfinger in Richtung der dunklen Seite vieler elektronischen Spielarten aus – Industrial, EBM und entkernter Noise-Hop sind ebenso mit von der Partie. Dazu zeigen Videos mit maskiertem Ausdruckstänzer im Neon-Gotteshaus und einer Killerin, die sich am Ende selbst umbringt: Der Mann hat Humor. Wenn auch einen tiefschwarzen.

Ein "Teenage satanist" ist nun mal nicht zu beneiden, wenn er sich zu scharfem Klacker-Groove mit einer missmutigen Knarz-Sequenz herumschlagen muss und mitten im Stück obendrein eine Frauenstimme auf Deutsch die Vorzüge der Orgel in der Lübecker Marienkirche erörtert. Und singt Neal in "Scorpion mother" wie ein geistlich gefärbter Gary Numan, ist auch dem letzten Metaller klar, dass es hier mit seinem Genre nichts mehr wird. Erst recht nicht bei "Apple eaters", einem peitschenden Elektro-Brecher, zu dem Seemings Alex Reed prima Holz hacken könnte – vermutlich wäre auch ein pseudo-satanistisches, über beide Ohren grinsendes "Why do Christian boys have all the fun / All these drugs make it hard to come" ganz nach dessen Geschmack. Genauso wie die Zeile "It's just too much fun to be a demon" aus "Crestfaller". Wenn das Kanye West wüsste.

Er wird es wohl nie erfahren – schade eigentlich. Denn hörenswert ist es allemal, wie "Night spikes" ein kolossal lärmiges HipHop-Szenario entwirft, mit sakralen Samples koppelt und Neal nach der düsteren Messe auf dem Friedhof jede Menge "Grave dirt" aufwirbelt. Seine Stimme wirkt dabei mit zunehmender Spieldauer immer mehr wie ein kreidebleicher MC auf Diazepam, der im hypnotischen Cloud-Rap von "Lover boy" seinem Dealer ein beleidigtes "You don't want love you want hostages" hinterhermault. Auch ein kurzer Keif-Ausbruch beim verbreakten "Gorelord" und ein knorriger Brummelbass zu Beginn von "Wing clipper" helfen nichts – ein Entkommen gibt es aus diesem köstlich blubbernden Sumpf längst nicht mehr. Und nun? "Keine Hoffnung, keine Probleme", wie Neal es einmal in einem Interview ausdrückte. Nichts anderes wollten wir hören.

(Thomas Pilgrim)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Teenage satanist
  • Scorpion mother
  • Apple eaters
  • Night spikes
  • Lover boy

Tracklist

  1. Underking
  2. Bootleg blood
  3. Teenage satanist
  4. Scorpion mother
  5. Fire in the land of endless rain
  6. Gorelord
  7. Apple eaters
  8. Night spikes
  9. Victim exit stage left
  10. Wing clipper
  11. Grave dirt
  12. Lover boy
  13. Crestfaller
  14. Life clipper
  15. Cannibalism
  16. Seance for eight oscillators
Gesamtspielzeit: 59:22 min

Im Forum kommentieren

Armin

2021-09-06 11:15:47- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum