
School Of Zuversicht - An allem ist zu zweifeln
Misitunes / Broken SilenceVÖ: 13.08.2021
In der Idiothek
Wer erinnert sich? "Randnotizen from Idiot Town", das Debüt von School Of Zuversicht, erschien bereits 2010. Zeit genug, um in Vergessenheit zu geraten und nur noch mit dem Satz "Bleiben Sie zuversichtlich" in Verbindung gebracht zu werden, den Ingo Zamperoni seit Beginn der Corona-Krise am Ende jeder von ihm moderierten Ausgabe der "Tagesthemen" anbringt. Doch da ist es wieder, das lose Kollektiv um Patricia Wedler alias DJ Patex, Mitmusikerin des notorischen Knarf Rellöm und Resident im Golden Pudel Club. Eine Frau, die jeder hagere Spex-Leser, wenn die Postille noch existierte, für ihren diskurs- und zitatfreudigen Elektro-Pop gerne mit Gratisgetränken bewerfen würde. "You look so good when you're not on the dancefloor" statt "I bet you look good on the dancefloor / But nowhere else". Und nach zehn Jahren gibt es viel zu bereden.
Zumal die gebürtige Würzburgerin auf "An allem ist zu zweifeln" anders als beim Vorgänger nicht mehr durch Milchglas, also nunmehr zumeist deutsch singt. So wird im perkussiven Stampfer "Hinter dem Hügel" aus kleinen Klassiker-Verweisen Marke "How does it feel to treat me like you do, capitalism?" oder "Another one bites the dog" ein von Blumfelds "Verstärker" stibitztes "Wo ich nicht war, komm ich nicht hin" – und aus diesem Album ein stilistisch versierter Debattierclub im Piano-House-Milieu. Auch "Im Swimmingpool der Empathie" heizt eine schmatzige Bass-Sequenz das Tanzbecken auf, dank der Zeile "Ich bin ein trauriger weißer Mann" verschwimmen Gender-Grenzen. Und spuckt Kollege Rellöm im zerklüfteten Siebenminüter "Salon der Idioten" Gift und Galle, während die Synthie-Bläser SOS tuten, wundert schon gar nichts mehr.
Erst recht nicht solche mutwilligen Sollbruchstellen zwischen Schräglage und Freidrehen, wenn bei der Veranstaltung der Zweifel schon im Motto steckt. Doch auch in den knackigeren Stücken geht Wedler nie den Weg des geringsten Widerstandes. Speist sich ein maximal infektiöser Hit aus der klirrenden Kälte von Grauzones "Eisbär" und kantig dazwischenfahrenden Post-Punk-Riffs, bekommt er mit "Nur weil Du mir Deine Wunden zeigst, bist Du noch lange nicht mein Heiland" einen denkbar sperrigen Titel sowie eine ausgedehnte Fernsehgarten-Melodie verpasst. Weiteres regeln die übrigen Beteiligten: Carsten "Erobique" Meyer und Friedrich Greiling von Mittekill produzieren, Pantha Du Prince oder Plemo kabeln – und dieses Album swingt. Egal, ob Festzelt oder Großraumdisco, wie es Misses Next Match mit Wedler am Mischpult einmal ausdrückten.
Noch, höhö, Zweifel, dass es sich hier um reinsten Pop handelt? Die beseitigen ausgerechnet zwei geglückte Coverversionen. Aus "We're lost in music" schält sich erst mit Verzögerung eine knorrige Bums-Klatsch-Fassung des Evergreens von Sister Sledge heraus, die sich hinten raus von DFA-Kuhglocken zerdengeln lässt, und Lana Del Reys "Video games" erfährt selbst in dieser von Metaebenen durchzogenen Nachbarschaft eine weitestgehend ironiefreie, beinahe ehrerbietige Behandlung. Der maßvolle Schlussakkord eines tollen Albums, das so viele Löcher gräbt, dass Wedler mutmaßlich noch mal zehn Jahre benötigen wird, um sie wieder zuzuschaufeln. Es bleibt einiges zu tun: Kapitalismus, Idiotie, musikalischer Weltschmerz – und eigentlich nervt sowieso alles. Doch wie war das noch gleich? "Bleiben Sie ..." – na Sie wissen schon.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hinter dem Hügel
- Nur weil Du mir Deine Wunden zeigst, bist Du noch lange nicht mein Heiland
- We're lost in music
Tracklist
- Ich falle mit Freuden
- Im Swimmingpool der Empathie
- Hinter dem Hügel
- Salon der Idioten
- Nur weil Du mir Deine Wunden zeigst, bist Du noch lange nicht mein Heiland
- Urbanes Molekül
- We're lost in music
- Wo ich bin, ist oben
- Video games
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Armin
2021-08-27 21:19:16- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- School Of Zuversicht - An allem ist zu zweifeln (1 Beiträge / Letzter am 27.08.2021 - 21:19 Uhr)