Portrait - At one with none
Metal Blade / SonyVÖ: 03.09.2021
Die Bessermacher
Geschichte wiederholt sich bekanntermaßen. Zumindest, wenn es um Musik geht. Revival hier, Retro dort, gerne auch mit der Vorsilbe "Kult" versehen – es gibt wohl kein etabliertes Genre, dessen Wurzeln nicht schon mal mehr, mal weniger erfolgreich neu entdeckt worden sind. Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass wir mit Reunions von Bands überhäuft werden, die schon vor 30, 40 Jahren nie wirklich jemanden interessiert haben. Im besten Fall jedoch wächst aus einer Retro-Bewegung eine neue Szene mit Gruppen, die aus dieser vermeintlichen musikalischen Rückwärtsgewandtheit heraus selbst zu Vorbildern werden. So auch Portrait aus dem schwedischen Kristianstad, die sich vor allem Mercyful Fate als Vorbilder auserkoren haben und sich seit dem selbstbetitelten Debüt 2008 beharrlich vom Geheimtipp zum Platzhirsch entwickelt haben.
So abgedroschen es auch klingen mag, das fünfte Album "At one with none" könnte so etwas wie eine Reifeprüfung sein. Denn der Vorgänger "Burn the world" zerrte den Vierer 2017 erstmals so richtig aus dem Underground ins Rampenlicht, erst recht nach dem Aus von In Solitude im Jahre 2015 – bis dato so etwas wie Brüder im Geiste. Doch jegliche Skepsis zerstreut der eröffnende Titeltrack umgehend. Nur kurz verbreitet das ruhige Intro vermeintliche Behaglichkeit, um dann von einem ruppigen Riff davongefegt zu werden. Fällt etwas auf? Genau: Etwas schneller gespielt, könnte es glatt von einer Black-Metal-Band stammen. Tatsächlich sind die musikalischen Wurzeln von Bassist Fredrik Petersson in diesem Genre zu finden, doch bevor die diesbezüglichen Gedanken zu Ende gedacht sind, streut die Band ein True-Metal-Riff vom Allerfeinsten ein, über das Frontmann Per Lengstedt ganz im Stil von King Diamond in höchsten Sphären jubiliert.
Als wäre das der endgültige Startschuss, zündet das folgende "Curtains (The dumb supper)" so richtig durch. Nicht nur, dass die Riffs massiv treiben und dabei ein ganz klein wenig an The Devil's Blood erinnern, auch der Refrain ohrwurmt ungehindert ins Langzeitgedächtnis, bis man immer wieder lauthals mitsingt: "The curtains fall before us all / In ignorance they dance the dance / As darkness falls." Womit auch klar ist, dass das Abendessen nicht blöd ist, sondern die heidnische Tradition des stummen Mahls beschreibt, bei dem der Toten schweigend gedacht wird. Kann man um dieses Ritual schon jede Menge okkulte Geschichten spinnen, so wird es zur Mitte richtig düster. Über üppige neun Minuten liefert "Ashen" alles, was man als Fan des Genres braucht. Immer wieder greift Gitarrist Christian Lendell in die historische Trickkiste zwischen Okkult-Metal und Doom, zaubert ein eklektisches Riff nach dem anderen hervor und verleiht all dem doch seine ganz eigene Note. Und über allem thront wieder Lengstedts Gesang, der beschwört, der einpeitscht, der aber auch mit spitzen Schreien Akzente setzt.
Und doch: Portrait auf eine reine Retro-Kapelle zu reduzieren, die Old-School-Metal mit ein wenig okkulten Einflüssen kombiniert, wäre in höchstem Maße unfair. Klar kann man in Nostalgie schwelgen und darüber sinnieren, ob nun Mercyful Fates "Melissa", neuere Okkult-Klassiker wie The Devil's Blood oder ganz simpel Judas Priest die wesentlichen Quellen der Inspiration sind. Man kann jedoch auch unter dem Kopfhörer ganz simpel die spielerische Klasse goutieren und jedes Riff analysieren sowie sich in die lesenswerten Lyrics einarbeiten, ganz wie man will. Doch egal, wie man diese Platte genießen möchte, am Ende zählt nur eins: Nämlich dass die Skandinavier mit "At one with none" überaus würdevoll ihren großen Vorbildern huldigen. Ob die Platte selbst das Zeug zu einem solchen Klassiker hat, sei dahingestellt. Für den Moment gibt es nicht viel Konkurrenz im Genre.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Curtains (The dumb supper)
- Ashen
Tracklist
- At one with none
- Curtains (The dumb supper)
- Phantom fathomer
- He who stands
- Ashen
- A murder of crows
- Shadowless
- The gallow's crossing
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Armin
2021-08-27 21:19:06- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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