
The Night Flight Orchestra - Aeromantic II
Nuclear Blast / Rough TradeVÖ: 03.09.2021
Touch and go
Eigentlich war im Frühjahr 2020 alles angerichtet für The Night Flight Orchestra. Ein neues Album namens "Aeromantic" hatte just das Licht der Welt erblickt, wurde allenthalben mit begeisterten Kritiken versehen, eine große Europa-Tour begann – tja, und dann war das bösartige kleine Miststück namens "Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2" anderer Meinung und zwang die Welt in den Stillstand. Für das schwedische "Gestandene Metaller spielen Classic Rock"-Ensemble gleich doppelt bitter, denn kaum daheim, stellten sich bei einigen Band-Crew-Mitgliedern die ersten Symptome ein. Glücklicherweise ohne schwere Krankheitsverläufe. Was aber nun tun, wenn man bis in die Haarspitzen motiviert aus einer Tour gerissen und auch die fast schon obligatorische Streaming-Show bereits im April 2020 abgehakt wurde?
Für Frontmann Björn Strid war die Entscheidung klar – neue Songs schreiben. Womit auch klar ist, dass das Resultat, das sechste Studioalbum "Aeromantic II", nicht etwa ein Proberaum-Ragout aus übrig gebliebenen Songschnipseln ist, sondern eine eigenständige Platte, die nach Aussage des Sängern allerdings den Spirit ihres Vorgängers atmen soll. Ah ja. Sagen wir einmal so – der Überraschungseffekt hält sich in Grenzen. Und doch dürfte wieder einmal mehr nach weniger als einer Minute die miesepetrigste Gesellschaft in bester Stimmung sein. Egal wie es Dir vorher ging, egal wie schlecht mal wieder die Nachrichten sind, "Violent indigo" reißt Dich aus der Lethargie und zaubert Dir ein Lächeln ins Gesicht.
Und dann ist sie wieder da, die Ohrwurm-Fabrik aus Helsingborg. "Midnight marvelous" ist so eine dieser Gehörgang-Fräsen, die sich überaus nachhaltig in den auditiven Cortex einarbeitet, sich aber direkt im Anschluss mit "How long" um den dortigen Verbleib streiten darf. Wie um für die entgangene Tour zu entschädigen, sprühen die Schweden vor Spielfreude. So lässt "Chardonnay nights" bei entspannten Disco-Beats zu selbigem Getränk greifen, während "Change" mit seinem bissigen Groove wohl nur Salzsäulen nicht in Bewegung bringt. Und wenn man schon mal so richtig warmgetanzt ist, sorgt der Refrain von "Amber through a window" für wohliges Achtziger-Feeling. Etwas, das auch das Intro von "I will try" erweckt, welches verdammt bekannt vorkommt, aber seine Quelle nicht ganz verraten will.
Vermutlich ist das die hohe Kunst des Pop-Eklektizismus, dem auch "You belong to the night" frönt, ist die Melodiefolge des Eröffnungs-Licks doch knalldreist bei Depeche Modes "A question of time" geklaut, nur um in eine erneut wunderbaren Ohrenschmeichler zu münden. Man muss sich diese Tatsache immer wieder zu Gemüte führen: Hier lassen gestandene Death-Metaller einmal nicht die Haare fliegen, sondern geben sich komplett ihrer gemeinsamen Leidenschaft hin. Dass Gitarrist David Andersson demnächst angesichts des von Album zu Album keyboardlastigeren Sounds eine Art Mindermengenzuschlag beantragen muss – geschenkt. Denn wer einen Kracher wie die Vorab-Single "White jeans" fast ans Ende der Platte stellt, weiß genau, was er macht. Und das bereitet auch beim sechsten Album immer noch verdammt viel Spaß, versprüht pure Lebensfreude und lässt für gute 50 Minuten einfach mal all das nervige Drumherum vergessen. Der Nachtflug musste einmal kurz aufsetzen, ist aber schon längst wieder mit vollem Schub unterwegs.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Midnight marvelous
- Change
- White jeans
Tracklist
- Violent indigo
- Midnight marvelous
- How long
- Burn for me
- Chardonnay nights
- Change
- Amber through a window
- I will try
- You belong to the night
- Zodiac
- White jeans
- Moonlit skies
Im Forum kommentieren
Marküs
2021-09-17 14:31:10
Mir ist das zu viel des Guten, zu viel Output, zu viele Songs, zu viele dicke Frauen in den Videos und zu viel Käse. Nein Spaß bei Seite, die Amber Galatic war fantastisch, danach wurds etwas beliebig
Grizzly Adams
2021-09-03 15:38:49
Album ist da. Der Sound ist einfach meins. Natürlich kann man die Frage stellen, ob es davon sechs Alben braucht…
Ich würde auch ein siebtes hören. So „schnell“ bekommen die mich nicht klein ;)
Analog Kid
2021-08-29 00:29:17
Hatte auch jede Menge Spass mit Amber Galactic und dem Nachfolger. Aeromantic dann schon fast grenzwertig mit den Disco- und Schlagermomenten. Aber dann doch wieder unwiderstehlich.
Bin mir aber nicht sicher, ob nun bereits 6 Alben in dem wirklich immer gleichen Stil dann nicht doch langsam zu viel des guten sind.
Album will aber definitiv gehört werden.
Marküs
2021-08-28 20:01:30
Ich hab da immer Black Metaller vor Augen ;-)
Grizzly Adams
2021-08-28 16:49:23
Meine Lieblings Rocker mit dem speziellen 80s AOR Touch, den ich so mag. Die ersten drei Songs sind schon mal genau so, wie die Band klingen sollte. Irgendwie hat man bei allen Songs eine Miami Vice Folge vor Augen. Crockett und Tubbs im nächtlichen Miami, Sunglasses on und mit dem Cabrio cruisend auf der Jagd nach Drogendealern oder um einfach nur cool auszusehen. Daumen hoch von mir für diese Band.
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