Orla Gartland - Woman on the internet

New Friends / Membran
VÖ: 20.08.2021
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Fein aber fein

Ein bisschen speziell sind wir ja alle, hier in unserer kleinen Welt der Musikschreiberlinge. Die Intro hat früher mal alles mit Gitarren mit spitzen Fingern angefasst (könnte ja Metal sein!), den Kolleginnen und Kollegen von der Visions sagen böse Zungen einen gewissen Hang zur Heldenverehrung nach, wieder andere finden in erster Linie Listen wahnsinnig geil, und hier bei Plattentests.de findet man sowieso alles total dufte, sobald Radiohead draufsteht oder irgendjemand von The National mitgewurstelt hat. Und wenn sich der Chef des Hauses in der internen Rundmail persönlich mit einer Empfehlung nach vorne wagt, ist die Spannung ohnehin hoch. Und zwar nicht wegen dieser einen 9/10 da vor Jahren. Sondern weil es hier mit Orla Gartland um eine Künstlerin geht, die seit nunmehr fast zehn Jahren ihr Unwesen auf diversen Singles und EPs getrieben hat und jetzt endlich mal ein Album fertig hat.

"Woman on the internet" heißt das gute Stück. Und wenn man die nüchternen Tatsachen betrachtet, macht es Gartland der potenziellen Kritik ziemlich einfach. Die schwimmt im Kielwasser von Phoebe Bridgers, Snail Mail und Lucy Dacus, könnte man da zum Beispiel monieren. Oder auf den Umstand hinweisen, dass "Woman on the internet" im Grunde so gar nichts Neues versucht. Kann man alles machen. Kann man sich aber auch getrost sparen. Und zwar nicht nur, weil "Woman on the internet" bis unters Dach voll mit unverschämt eingängigen und dabei auch noch richtig guten Songs ist, sondern weil sich Gartland glücklicherweise auch noch die Zeit genommen hat, um ein feines Detail nach dem anderen reinzuschmuggeln. Das beginnt ganz schlicht bei der Tatsache, dass nicht die wie dafür geschaffene Klavierballade "Left behind" hier das Licht ausmacht, sondern "Bloodline difficult things" nochmal kräftig aufstampfen darf. Um am Schluss dann doch noch in die ganz großen Geste einzuschwenken.

Das geht weiter bei der staubtrockenen Gitarre, die es sich irgendwann im verhalten startenden Opener "Things that I've learned" gemütlich macht und den Song subtil in eine andere Richtung schubst. Oder beim überragenden "You're not special, babe", das sich den Stimmeffekt direkt bei The Naked And Famous ausborgt, auch sonst mit einigem Wohlwollen in deren Richtung grüßt und so ganz nebenbei zu einem Hit wird, der seine Widerhaken tief ins Ohr treibt, um dort so lange wie nur irgendwie möglich bleiben zu können. Oder beim direkt nach vorne preschenden "Zombie!", das irgendwie immer wieder den Eindruck vermittelt, Matt Berninger würde gleich "Well, my mind's not right" in den Song schreien. Dabei bringt Gartland den Song natürlich alleine perfekt nach Hause. Auch schön: "Codependency", das zwischenzeitlich schön krachig daherkommen darf und so in ähnlicher Form auch bei der einen oder anderen Kapelle zwischen Pop-Punk und Midwest-Emo gut aufgehoben wäre.

Im Prinzip könnte man so noch lange weiter machen. Weil Gartland es tatsächlich schafft, jedem Stück seine eigene Note mit auf den Weg zu geben, weil sich überall kleine Feinheiten finden, die im Gedächtnis bleiben. Und weil wir viel zu faul sind, die alle aufzuzählen und die Zeit sowieso mit Zuhören viel besser verbracht ist: "Woman on the internet" ist – man verzeihe die juvenile Wortwahl – richtig super!

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • You're not special, babe
  • More like you
  • Madison
  • Codependency

Tracklist

  1. Things that I've learned
  2. You're not special, babe
  3. More like you
  4. Over your head
  5. Zombie!
  6. Madison
  7. Do you mind
  8. Codependency
  9. Pretending
  10. Left behind
  11. Bloodline difficult things
Gesamtspielzeit: 38:41 min

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8hor0

2023-04-05 08:44:36

durch und durch talentiert. kann ich immer wieder mal hören, auch ihre älteren songs.

Hollowman

2021-09-07 13:54:26

Danke für den Tipp, mir gefällt es richtig gut. Zuerst habe ich in "You're not special, babe" reingehört, da hatte sie mich eigentlich schon. Schön abwechslungsreich auch der Rest.

Ähnlich hohes Niveau wie bei der neuen Lucy Dacus. Bei der 8/10 gehe ich mit, ebenfalls bei den Highlights, wobei ich "More like you" austauschen würde gegen "Zombie" und "Pretending".

8hor0

2021-09-07 12:59:25

orla kann wirlich einiges, vom lässigen rocksong:
https://www.youtube.com/watch?v=b290_ZpD2l0

über spoken word/rap:
https://www.youtube.com/watch?v=ZsvkXBRITT4

zu schönem ruhigen singer-songwriter-zeugs:
https://www.youtube.com/watch?v=T1jomiD7YUM

Grizzly Adams

2021-09-03 18:07:41

Ich möchte das Album gut finden. Passt grundsätzlich auch in meine Range. Aber ich komme nicht zum Klicken der Überzeugung. Kate Nash als Referenz unterstreiche ich allerdings. Trotzdem nur so 5/10 von mir.

8hor0

2021-09-03 12:35:44

figure it out hätt auch noch gut drauf gepasst!

https://www.youtube.com/watch?v=b290_ZpD2l0

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