Die Supererbin - How to ruin your life

Motor / Edel
VÖ: 13.08.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Alles muss, nichts kann

Höher, schneller, weiter – nicht immer das beste Prinzip. Erst recht nicht beim Gesellschaftsspiel "Weniger gewinnt", wo es eine möglichst niedrige Punktzahl einzufahren gilt. In Pandemie-Zeiten vorzugsweise per Videochat gezockt – so wie es Leonie Scholl alias Die Supererbin ih ihrem Interview-Podcast "Der Supergraben" mit Gäst*innen wie Ira Atari, Sie Kamen Australien oder The Toten Crackhuren Im Kofferraum handhabte. Schlaue Personality-Sause, wenn die eigene musikalische Karriere abgesehen von Support-Slots und Features für Egotronic noch am Anfang steht. Da verwundert es wenig, dass Die Supererbin auf ihrem Debüt vergleichbar zu Werke geht und sich Torsun Burkhardt mit einem Gastauftritt revanchiert. Der große Fuckup-Mann des deutschsprachigen Blip-Blop-Punk auf einem Album namens "How to ruin your life" – passt doch.

Und es ist ziemlich rasant anzuhören, wie Scholl und Burkhardt im von fidelen Knarz-Sequenzen angetriebenen "Sehr, sehr schön" ätzend gegen Gentrifizierung, gekippte Mietendeckel und vorerst nicht einstürzende Neubauten sowie deren Nutznießer ansingen: "Wenn Du zu wenig money hast / Wenn Dir die Skinny Jeans nicht passt / Fehlen Bart, Brille, Undercut / Raus aus der Innenstadt." Und auch sonst liegt auf "How to ruin your life" einiges im Argen – vor allem seelisch. Man kennt das ja: Das Leben ist eine Baustelle, alles muss, nichts kann und so weiter. Und weint die Berlinerin zum Auftakt einer schadhaften Beziehung mit maßvollem Autotune-Einsatz keine "Männertränen" nach, ist in der Folge dennoch ausreichend für blutende Herzen gesorgt – solange nicht Moses Schneider höchstselbst "Fuckin' dunkel" zur clashigen Elektro-Walze aufpumpt.

Es gibt sicher einiges, das man an "How to ruin your life" bekritteln kann: zeitweilige Käsigkeit in der Wahl der Sound-Mittel, zermürbende Schieflagen zwischen Schlussmachen und Zurückwünschen, Arrangements, die so oder ähnlich vor zehn bis 15 Jahren auch von Spillsbury oder Tubbe hätten stammen können. Aber dann stellt sich auch die Frage: Will man es anders? Und was ist eigentlich so schlimm daran, zu den immer noch verdammt zackigen Platten aus einem früheren Lebensabschnitt zu tanzen, während man sich eingestehen muss, dass Scheiße manchmal doch wärmt? Durch "Nur für den Fall" flirrt nämlich nicht nur emotionale Inkonsequenz, sondern auch ein unerhört dynamischer Synthie, und Scholl lässt die mentale Tür offen stehen: "Dein touch auf meinen Händen / Was ist das für ein Ende?" Im Zweifelsfall gar keins, und das ist auch gut so.

Andernfalls verpasst man nämlich so wieselflinke wie blitzgescheite Pöbeleien wie "Google mich", in dem sich Die Supererbin als Quarantäne-Weltmeisterin und Online-Hikikomori im Flexipop-Wunderland inszeniert: "Ich muss das Haus nicht mehr verlassen und kann alle Menschen hassen." Na ja, fast alle: Der latent wavige Tinder-Klopfer "Swipe me away" kommt zum ernüchternden Schluss, dass auch virtuelle Zwischenmenschlichkeit ganz schön nerven kann, denn Rapper Lius will als Match in "Alleine sein" einfach keine Ruhe geben. Selbst eine beduselte Laptop-Folk-Elegie wie "Berghain" wirkt in dieser charmanten Post-Hipster-Umgebung weniger verpeilt denn herzallerliebst. Durch die Nacht mit ... Die Supererbin? Klingt nach einer prima Idee, sobald es wieder geht. Zur Not halt in diesem Internetz, von dem man so viel hört.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fuckin' dunkel
  • Nur für den Fall
  • Google mich
  • Sehr, sehr schön (feat. Torsun)

Tracklist

  1. Männertränen
  2. Fuckin' dunkel
  3. Nur für den Fall
  4. Ghostbeat
  5. Google mich
  6. Berghain
  7. Swipe me away
  8. Sehr, sehr schön (feat. Torsun)
  9. Alleine sein (feat. Lius)
  10. I gave you a home
  11. Niemals aus der Stadt
  12. Auflösen
Gesamtspielzeit: 39:13 min

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Eurodance Commando

2021-08-15 17:39:25

Ich prangere das an.

Armin

2021-08-15 17:34:57- Newsbeitrag

Frisch rezensiert. Also fast frisch. Ich hab doch tatsächlich am Freitag die Threads vergessen.

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