Foxing - Draw down the moon

Grand Paradise / Hopeless
VÖ: 06.08.2021
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Fertig ist das Mondgesicht

An der Post-Emo-Pop-Front liegen die Nerven blank. Mit "Rory" von ihrem Debüt "The albatross" hatten Foxing um Conor Murphy immerhin schon 2014 alle artverwandten Bands ihrer Generation mit nur einem Schlag in die Schranken gewiesen, so groß war der Song und ist es noch heute. Jüngst ist Gitarrist Ricky Sampson ausgestiegen, aber auch als Trio denkt die neueste Foxing-Metamorphose nicht im Traum daran, sich nach dem aus allen Nähten platzenden "Nearer my God" irgendwie kleiner aufzustellen. Die neuesten Zutaten im Foxing-Kosmos, man höre und staune: Classic Rock! Gniedelnde Soli! Und noch mehr himmlische Synths und eine Mixtur aus EDM- und R'n'B-Wahnsinn, bis vom Konzept Genre nur noch die vage Erinnerung an alte Zeiten bleibt. Sich zu sammeln, wie von Kollege Meyer seinerzeit empfohlen, schien nicht der Anspruch, kleine Clubs wurden schließlich weltweit erobert. Folgerichtig kann nur eines der nächstlogische Schritt sein: der Aufbruch zum Mond! Das Album basiert auf der Neopaganismus-Studie "Drawing down the moon" von Margot Adler, Murphy höchstselbst gibt die schwertschwingende Wicca-Hohepriesterin in wallendem Gewand und hat sein Falsett ordentlich gepudert. Statt mit heidnischen legt er sich aber hauptsächlich mit den eigenen, inneren Dämonen an.

Mit Ausnahme des Großteils von "737", das sich ausgehend von Bläser-Fanfaren und Fingerpicking später in noisigere Manchester Orchestra verwandelt, sind die Tage des reduzierten Chamber-Emo-Pops passé: Foxing kennen nur noch "höher, schneller, weiter". Im Gegensatz zum gefühlt siebzehnten Teil irgendeines Blockbuster-Franchise im Kino vergisst die Band dabei aber das gute Drehbuch nicht. Überraschend zum Beispiel: "If I believed in love“ täuscht allen Ernstes gediegene Electronica mit Alien-Sprachsamples an und macht dann die Kehrtwende zu kumpeligem Heartland-Punk inklusive bierseligen "La la la"'s – so weich, dass es absolut logisch erscheint. Öl und Wasser mischen sich bei Foxing zu einem leckeren Erfrischungsgetränk. Oder zu einer faszinierenden Hommage: Das galoppierende "Where the lightning strikes twice" ist der vielleicht beste The-Killers-Song, den The Killers nie hinbekommen haben, geschmacksecht mit großspurigen Synthie-Flächen und eingangs erwähnter Gniedelgitarre. Über diesen und viele weitere Einfälle auf "Draw down the moon" lässt sich nur staunen.

"I'm never gonna stop loving you / If I could, I would have done it by now": Der Titeltrack und "Cold blooded" fallen noch am gewöhnlichsten aus und hätten auch auf "Nearer my God" ein passendes Zuhause gefunden, selbst wenn sie durchaus tanzbarer geraten und trotzdem noch vereinzelte Rock-Ausbrüche zulassen. "Go down together" und "Beacons" allerdings klingen mit ihren Dancefloor-Synthies wie von einer anderen, regelrecht im Elektropop beheimateten Band – aber eben auch einer guten, die vor allem auf tolle Hooks Wert legt. In all der Robotik verstecken Foxing mit "At least we found the floor" noch schelmisch einen Akustik-Schleicher mit einer Zweitstimme, die verdächtig in Richtung Matt Berninger deutet – ein guter The-National-Song, den The National nie gemacht haben? "Draw down the moon" bündelt sämtliche Stärken des Chamäleons Foxing und generiert trotz allen Gepäcks so etwas wie dessen Essenz, die es gleichzeitig aber konsequent weiterentwickelt.

Der ausladende, orchestrale Art-Pop von "Speak with the dead" – einer Kollaboration mit den Alternative-HipHoppern Why? – setzt einen gewaltigen, proggigen Schlusspunkt hinter das Album, bevor die Solo-Gitarre sich Richtung Weltall aufmacht. Auf der Erde scheint nicht mehr viel zu holen: "Foxing is a band. Someday Foxing won't be a band", verkündet die Bandcamp-Bio theatralisch. Drucken Foxing etwa bald Shirts mit ihrem zukünftigen Auflösedatum, wie es die unrühmlich untergegangenen Szene-Götter Brand New einst taten? Mehr Emo ist nicht mehr erlaubt, und sollte "Draw down the moon" tatsächlich der Schwanengesang der Band sein, wäre es ein äußerst würdiger. Bis es so weit ist, lässt sich die Melancholie ja einfach wegtanzen – oder mit dem Schwert aufspießen.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Draw down the moon
  • Where the lightning strikes twice
  • If I believed in love
  • Speak with the dead (feat. Why?)

Tracklist

  1. 737
  2. Go down together
  3. Beacons
  4. Draw down the moon
  5. Where the lightning strikes twice
  6. Bialystok
  7. At least we found the floor
  8. Cold blooded
  9. If I believed in love
  10. Speak with the dead (feat. Why?)
Gesamtspielzeit: 39:53 min

Im Forum kommentieren

Akim

2022-12-21 15:21:23

Mir gefällt der Vorgänger irgendwie deutlich besser.

Kai

2022-06-30 20:56:37

Live Album zu Drawing down the Moon kommt in 1.5 Wochen und ist auf 800 (oder 1000?) kopien limitiert. Foxing kram ist immer recht schnell weg also...

kaufen

Yndi

2022-03-12 00:32:05

So scheiße, hätte gedacht, damit sind wir erstmal durch. Besser wohl erstmal noch bei europäischen Acts bleiben...

Kai

2022-03-11 21:58:32

Tour abgesagt :(

Ralph mit F

2021-09-16 19:00:48

Foxing in Trier ist nichts weniger als die Meldung des Jahrhunderts.

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