Angelika Express - Positiver Stress

Peng
VÖ: 01.07.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Kölsch oder Alt

Ab sofort amtlich: Angelika Express sind "nach dem Dom der zweite Grund, vielleicht auch einmal nach Köln zu fahren." Diese kühne These stellte nicht etwa Forumsuser "Er muss es wissen" auf, sondern niemand Geringeres als Campino höchstselbst. Und die lokalpatriotische Tote Hose, die den Kollegen im gleichen Atemzug "hohes Tempo, gewaltige Energie und schöne Melodien" attestiert, würde uns ja nie anlügen. Feine Ironie: Das erste Konzert nach dem Lockdown spielten Angelika Express ausgerechnet in Düsseldorf – auf einer Bühne mit Georg Zimmermann, der ähnlich versiert über Beziehungsstress, Behördenkrach und Besoffensein zu singen vermag. Womit die ohnehin überkommene Rheinmetropolen-Zankerei zu den Akten gelegt wäre. Wenden wir uns Wichtigerem zu: dem zehnten Angelika-Express-Album "Positiver Stress". Jubiläum!

Auf diesem ist Robert Drakogiannakis' inzwischen fünfköpfige Band längst eine Institution. Auch wenn "Die dunkle Seite der Macht" oder "Letzte Kraft voraus" manchmal an gewisser Gleichförmigkeit krankten, bleibt Angelika Express' ins Räudige lappender Indie-Rock und Power-Pop so katastrophenresistent wie eh und je. Und nach todsicheren Hits wie "Nico Päffgen", "Wo ist Herr Schlimm" oder "Vinylbeton" kann man sowieso die Uhr stellen. Auf "Positiver Stress" ist es nach acht Minuten so weit: "1979" macht es sich zwischen Bubblegum und fidelem Post-Punk bequem, der Frontmann schlüpft in die Rolle des Lieblingsliedes von anno Frack und die Gitarre kreiselt so lange um sich selbst, bis außer Zweifel steht, dass "Never listen to me" schon immer der beste Song von The Thermals war. War er wahrscheinlich auch. Aber das nur am Rande.

Nur ein Auszug aus Angelika Express' Playlist der Seele – wäre doch gelacht oder zumindest schief gegrinst, wenn es wie in "Deine Greatest Hits" nicht für jede Situation im Leben ein Stück geben würde, aus dem man auch beim hitzigsten Streitgespräch süffisant zitieren könnte: "Du bist bewusst, Du bist aware / Du bist wie der Auto-Tune von Cher." Die Sechssaitige fiept und sägt vorwitzig und wischt den Sarkasmus weitgehend weg, im Hintergrund tut der vordergründig blauäugige Harmoniegesang von Bassistin Dani Hilterhaus und Gitarristin Annick Manoukian sein Übriges. Der Grundsatz "Alltag für alle" gilt nun mal auch in Pandemie-Zeiten, und hat der Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten Hämorrhoiden, liefert der "Bringdienst" in Rekordzeit Pop-Punk von nahrhaften Ausmaßen und mit scharfer Riff-Soße. Aber bitte nicht kleckern.

Tut das Quintett nämlich genauso wenig, nachdem "Positiver Stress" so rasant vom Start weggekommen ist. Auch das Titelstück holt jede Menge Party nach, wenn ein auf David Bowies "Modern love" respektive Doves' "Black and white town" fußender Beat die Tanzfläche demoliert und die Kölner freudig die Trümmer aufsammeln. Noch bunter treibt es die "Fröhliche Rebellin", die mit den Despoten der Welt Schlitten fährt und sie in einem tosenden Glam-Finale versenkt, ehe "SHIFTTASTE KLEMMT" verkrachten Online-Existenzen lautstark die Leviten liest. Wie alles, was Angelika Express hier abfackeln, sicher kein Ausbund an Subtilität – aber dafür zum Platzen voll mit listigem Sprachwitz, Liebe zum Detail und Verweisen auf Rock-Helden und Pop-Götter. Und manchmal auch einfach nur so voll. Kölsch oder Alt? Auf diesem tollen Album könnte nichts egaler sein.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bringdienst
  • 1979
  • Deine Greatest Hits
  • Fröhliche Rebellin

Tracklist

  1. Luxuskommunismus
  2. Bringdienst
  3. 1979
  4. Deine Greatest Hits
  5. Positiver Stress
  6. Immunsystem
  7. Hartes Glück
  8. Fröhliche Rebellin
  9. Aliens united
  10. SHIFTTASTE KLEMMT
  11. Kotzbrocken
  12. Alles nochmal von vorn
Gesamtspielzeit: 41:55 min

Im Forum kommentieren

All Crips are Bloods

2021-08-05 10:41:12

Und die ersten 3-4 Alben sind sogar gut. Positiver Stress musste ich spätestens beim Immunsystem-Song ausschalten. Die Texte sind mittlerweile unerträglich. Manchmal ist die Idee sogar gut, nur wird es nicht mehr vernünftig ausformuliert, sondern einfach x-fach wiederholt.

Klaus

2021-08-04 23:19:38

Momentan als pay what you want bei bandcamp. Wie alle anderen Alben auch.

Armin

2021-07-29 20:49:23- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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