LoneLady - Former things
Warp / Rough TradeVÖ: 25.06.2021
Verfalle der Bewegung
LoneLady-Alben brauchen ihre Zeit. Das hat zunächst den praktischen Grund, dass Julie Campbell ganz im Sinne ihres Künstlernamens alles von der Komposition über die Aufnahme bis zur Produktion komplett alleine macht. Und das muss wirklich aufwändigste Präzisionsarbeit sein, schließlich schweißt sie ihren Post-Punk und Art-Funk im Geiste von Talking Heads und Co. in luftdichte Bewegungsmaschinen, bei denen jede lockere Schraube millimetergenau platziert gehört. Im Vorfeld von "Former things", ihrer sechs Jahre nach "Hinterland" erscheinenden dritten Platte, kam noch ein Umzug dazu. Zum ersten Mal arbeitete Campbell nicht vor der grauen Kulisse ihrer Heimat Manchester, sondern bezog eine ehemalige Schießanlage im Londoner Somerset House, umfunktioniert zur Performance-Halle. Die Weitläufigkeit ihres Entstehungsorts hallt in der Musik durchaus nach. Ihr stacheliges Gitarrenspiel steckt die Britin zugunsten eines synthetischen Dance-Pops zurück, der die Rhythmen tight hält, die umgebende Leinwand allerdings mit einer bunteren und breiteren Palette bemalt. Abschied und Aufbruch im Arbeitsprozess also, von denen diese acht wie immer hochkinetischen Tracks thematisch jedoch nichts wissen wollen.
Stattdessen behandelt "Former things" vor allem die Vergänglichkeit. Nicht die beschleunigte einer technologischen Dystopie, wie es die verchromte Achtziger-Ästhetik vielleicht suggerieren mag, sondern die ganz natürliche. Diese elendige "Time, time, time" rennt einfach gnadenlos weiter, egal wie fest sie der dringliche Synth-Funk des gleichnamigen Songs packen will und wie bestimmt sein Piano-Loop auf den Boden stampft. "O youthful wonder / It was all inside / When I was a child / Why does it fall so far away?", beklagt Campbell zuvor schon im Opener "The catcher", begleitet von dickflüssigen Bass-Schmatzern, geschäftigen Beats und New-Order-Gitarren. Auch der vollständig saitenlose Kühlhaus-Zirkus von "(There is) No logic" hat keine guten Nachrichten: "The dirt is the only winner." Unter diesem inhaltlichen Gewicht bekommt die hypnotische Monotonie von Campbells typischerweise um die Fünf-Minuten-Marke zirkulierenden Stücken eine neue Bedeutung. In ihrer stoischen Vorwärtsbewegung bilden sie perfekt die Unaufhaltsamkeit unseres körperlichen Verfalls ab. Und wenn man letztere erst realisiert hat, bleibt einem sowieso nichts anderes mehr übrig, als zu tanzen.
So hält "Former things" dem Ethos früherer LoneLady-Werke die Treue und breitet einen kratzigen Neonteppich aus, auf dem sich keine Sekunde stillsitzen lässt. "Fear colours" heißt der größte Hit hier, der sich mit Vocoder-Akzenten und perkussiven Kurzschlüssen der Angst stellt. Im paranoiden "Threats" schleichen sich die Synthies bedrohlich an und verwandeln gleichermaßen die Hörnerven ebenso wie die Protagonistin in Konfetti. Doch Campbell weiß auch, ihren Griff an entscheidenden Stellen zu lockern: "Treasure" groovt mit seinen seichten Gitarren-Strudeln etwa merklich luftiger als der Rest vor sich her. Der deutlichste Ausreißer ist allerdings der Titeltrack, Campbells melodischster Song überhaupt bisher und ein akustisch angeheiztes Tischfeuerwerk mit Glockenspiel, herrlichstem Plastik-Orchester und einem zugänglichen Pop-Refrain. Bei all dem detailreichen Hochbetrieb an allen Ecken und Enden waren und sind LoneLady-Kompositionen natürlich immer mehr als reine Rhythmusmotoren, doch jenes Stück erweitert ihr Repertoire nochmal auf reizvolle Weise – und liefert nicht zuletzt zumindest ein Fünkchen Versöhnung, wenn auf diesem Album selbst der Closer eine solche verwehrt. Genau genommen fühlt sich "Terminal ground" nicht einmal wie irgendein Abschluss an, sondern rollt unbeirrbar einfach weiter nach vorne. Die Uhr tickt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Former things
- Fear colours
Tracklist
- The catcher
- (There is) No logic
- Former things
- Time time time
- Threats
- Fear colours
- Treasure
- Terminal ground
Im Forum kommentieren
Armin
2021-07-14 18:56:58- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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