Dean Blunt - Black metal 2

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 11.06.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Nicht jeder Traum eine Falle

Dean Blunt hasst Schubladen. Wenn sich nur eins sicher über den öffentlichkeitsscheuen und auch sonst kaum greifbaren Londoner sagen lässt, dann das. Unter welchem Alias und mit welchen Kollabo-Partner*innen er sie auch produziert, vor seiner Musik schwebt stets eine dichte Nebelwand, die in der Live-Umsetzung gerne ihren metaphorischen Charakter verliert. Indie-Pop, Rock, Elektro, Noise und Rap blitzen als Fragmente auf, doch das sind die Labels der anderen. Blunt sucht keine bewussten Genre-Brüche, er denkt überhaupt nicht erst in solchen Kategorien. Obwohl er dies in manchen seiner raren Interviews explizit artikulierte, fühlt man sich als Kritiker wie die Maus in der Falle. Man vermutet Provokationen, ästhetische oder ideologische Programme hinter dem von allen Ketten befreiten Künstler, über die man die Oberhand gewinnen will. "Black metal 2", der spirituelle Nachfolger zu Blunts stilprägendem 2014er-Werk "Black metal", scheint auf den ersten Blick wieder ein besonders dickes Stück Käse auszulegen. Das Cover persifliert Dr. Dres "2001", die Spielzeit von nur 23 Minuten – nicht mal halb so lang wie der erste Teil – führt die Veröffentlichung als Album ad absurdum. Und auch die eigentlichen Songs können unter ihrer klaren Zugänglichkeit doch nur doppelte und dreifache Böden verstecken. Oder?

Zumindest der mysteriöse Opener "Vigil" schafft da keine Abhilfe. "Can you see what you done?", fragt Blunt mit seinem typisch emotionslosen Bariton über schreckensstarren Streichern. Joanne Robertsons helles Kontrastorgan übernimmt in der zweiten Hälfte, kann das Rätsel um einen vielleicht begangenen Mord aber auch nicht aufklären. Ein gewisser Zynismus durchzieht "Mugu", doch der hallende Beat und die zart gezupfte Akustische sprechen eher die Sprache des Trosts – ebenso wie die Jangle-Gitarre von "Dash snow", das dieses Gefühl auch textlich vermittelt. Die Miniaturen auf "Black metal 2" verschwinden so schnell wieder im Nichts, wie sie auftauchen, doch ihre abstrakten Sehnsüchte bleiben. Es spielt keine Rolle, ob Blunt mit seinem auffallend häufigen N-Wort-Gebrauch einen bewusst schwarzen Gegenentwurf zu diesem eher in der weißen Indie-Szene verankerten nostalgischen Lo-Fi-Pop zeichnen will. Es ist ebenso egal, ob "Nil by mouth" mit seinem gemächlichen Schlagzeug und den staubigen Akkorden US-amerikanische Country-Traditionen auf links zu drehen versucht. Man fühlt die Musik, unabhängig von den tatsächlich darunter verborgenen oder auch nur eingebildeten Geheimnissen.

Besonders eindrücklich gerät "Sketamine": ein kleiner Strudel aus Wüsten-Gitarren, Mundharmonika und den immer präsenten Streichern, der eine poetische Bildsprache von Heiligenscheinen im Fluss und Pistolen am Meer transportiert. Trotz ihrer Flüchtigkeit verfügen die im Schnitt zweiminütigen Stücke über eine bemerkenswerte atmosphärische Dichte. Dennoch fragt man sich, ob etwa der wankende TripHop von "Semtex" oder das kurz nach Beginn kollabierende "Zaza" nicht mehr zu sagen hätten, als ihre knappe Laufzeit es zulässt. Am Ende beseitigt Blunt jedoch alle Restzweifel an seiner Kompositionskunst. "Woosah" ist ein ganz wundervoll arrangiertes Instrumental mit Bläser- und Kontrabass-Akzenten, das ohne Worte ein plastisches nächtliches Landschaftsbild malt. Und der Closer "The rot", eine verträumte, und doch standfeste Ballade mit Robertsons Gesang, findet mit seinen bis ins Mark dringenden Saiten eine heilsame Schlussnote: "The fear is going down, down, down." Es ist immer noch kaum kategorisierbare Musik, die in ihrer schlichten, puren Schönheit aber jedem Kritikerruf nach den dahinter verborgenen Schnappmechanismen den Wind aus den Segeln nimmt. In die Schublade des Schubladen aufbrechenden Provokateurs will sich Dean Blunt schließlich erst recht nicht stecken lassen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sketamine
  • Woosah
  • The rot

Tracklist

  1. Vigil
  2. Mugu
  3. Dash snow
  4. Sketamine
  5. Semtex
  6. La raza
  7. Nil by mouth
  8. Zaza
  9. Woosah
  10. The rot
Gesamtspielzeit: 23:27 min

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Lateralis84skleinerBruder

2024-03-30 22:29:06

Für mich mittlerweile ne 9/10. kratzt an der 10. stoned sowieso

Lateralis84skleinerBruder

2022-01-27 16:00:26

Leider viel zu kurz

Armin

2021-07-06 10:37:14- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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